• 01.08.2006 14:55

Symonds: "Betreiben Fehlersuche ruhig und fokussiert"

Renault-Chefingenieur Pat Symonds analysiert im Interview die Niederlage von Hockenheim und erklärt, wie sein Team in Budapest zurückschlagen möchte

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Pat, das Hockenheim-Wochenende war für Renault so hart wie noch kein anderer Grand Prix in diesem Jahr. Wie ist die Stimmung innerhalb des Teams?"
Pat Symonds: "Alle sind engagiert und konzentriert bei der Arbeit. Nach dieser eher ernüchternden Vorstellung sind wir gerade dabei, alle Prozesse und Entscheidungen während der Vorbereitungsphase auf dieses Rennen kritisch zu beleuchten, um den Ursachen auf die Spur zu kommen."

Titel-Bild zur News: Pat Symonds

Pat Symonds will nach den jüngsten Misserfolgen Unruhe unbedingt vermeiden

"Resultate wie diese fördern exemplarisch an den Tag, wie professionell unser Rennstall ist. Wir betreiben die Fehlersuche ruhig und fokussiert. Jeder ist mit maximalem Einsatz bei der Sache, denn wir wollen bis zum Grand Prix von Ungarn bereits Lösungen gefunden haben."#w1#

Verbot des Schwingungstilgers definitiv ein Nachteil

Frage: "Am vergangenen Wochenende musstet ihr erstmals ohne den Schwingungstilger in der Frontpartie des R26 an den Start gehen, prompt fahrt ihr das schlechteste Ergebnis der Saison ein. Ist es falsch, zwischen beiden Ereignissen einen kausalen Zusammenhang zu vermuten?"
Symonds: "Es wäre zu einfach, unsere mäßige Performance nur auf das Verbot dieser Innovation zurückzuführen. Da spielten mehrere Faktoren zusammen. Unbestritten aber ist, dass das Verdikt, den Schwingungstilger auszubauen, uns nicht geholfen hat. Würde dieses Teil keinen Vorteil bringen, hätten wir es nicht im Auto."

"Unser aktuelles Modell wurde um diese technische Besonderheit herum entwickelt." Pat Symonds

"Diese Vorrichtung feierte bereits bei den letzten Rennen der vergangenen Saison ihr Debüt, unser aktuelles Modell wurde um diese technische Besonderheit herum entwickelt. Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella konnten in Hockenheim nicht so über die Kerbs fahren wie aus vorherigen Grands Prix gewohnt. Aber das war am vergangenen Sonntag nicht unser einziges Manko."

Frage: "Woran lag es noch?"
Symonds: "Wir wussten bereits vor Hockenheim, dass der badische Kurs in puncto Reifenmanagement hohe Anforderungen stellt. Speziell die hinteren Pneus werden auf der neu designten Strecke hart strapaziert, was zu Blasenbildung führen kann. Also haben wir uns im Vorfeld für Laufflächenmischungen entschieden, die mit dieser Anforderung bestmöglich umgehen sollten. Dennoch trat dieses Problem auf - bei uns schlimmer als bei jedem anderen Partnerteam von Michelin."

"Hinzu kommt: Reifen, die resistent sind gegen Blasenbildung, bringen andere Nachteile mit sich. Weniger Grip zum Beispiel. Auch die Balance des Autos kann stark variieren, je nachdem ob die Pneus neu oder in gebrauchtem Zustand sind. Genau dies ist passiert. Im Qualifying untersteuerten die Autos zu viel, während des Rennens übersteuerten sie plötzlich."

Schwingungstilger darf in Budapest eingesetzt werden

Frage: "Du hast gesagt, dass das Team ruhig und besonnen an Lösungen für die Probleme arbeitet. Wie könnten diese aussehen?"
Symonds: "Zu allererst einmal: Die Sporthoheit FIA hat uns am Montag schriftlich bestätigt, dass jene Teams, die mit Schwingungstilgern in Ungarn an den Start gehen, nicht im Nachhinein bestraft werden, sollte das Berufungsgericht die Verbannung dieser technischen Vorrichtungen bestätigen, wenn es vor dem Grand Prix der Türkei tagt. Also setzen wir dieses Bauteil in Budapest wieder ein."

"Nicht verändern werden wir das neue Aerodynamikpaket." Pat Symonds

"Zudem haben wir genau analysiert, wie sich die einzelnen Modifikationen ausgewirkt haben, die in Hockenheim in unseren Autos debütierten. Dazu gehört beispielsweise eine neue Aufhängungsgeometrie für die hinteren Räder. Da aber genau dort unsere Probleme mit überdurchschnittlichem Reifenverschleiß aufgetreten sind, kann es sein, dass wir vorerst zur bisherigen Lösung zurückkehren - bis wir die neue Konstruktion noch mal ausreichend getestet haben. Nicht verändern werden wir das neue Aerodynamikpaket, das in Deutschland erstmals zum Einsatz kam. Es konnte unsere Erwartungen vollauf erfüllen und wird auch in Ungarn unsere Renault R26 schmücken, wo seine verbesserte Effizienz hoffentlich augenscheinlich wird."

Frage: "Arbeitet ihr mit Michelin zusammen, um dem Problem der Blasenbildung zu entgegnen?"
Symonds: "Michelin hat auf die Ereignisse von Hockenheim unverzüglich reagiert, denn nicht nur wir litten unter Schwierigkeiten mit den hinteren Pneus. Michelin hat allen Partnerteams angeboten, bis zum Beginn des Ungarn-Wochenendes am kommenden Freitag noch einen der beiden vorausgewählten Reifentypen gegen eine andere Spezifikation auszutauschen - also in weniger als einer Woche neue Pneus zur Verfügung zu stellen. Eine mehr als beachtliche Leistung!"

Renault im WM-Kampf weiterhin optimistisch

Frage: "Im Hinblick auf die Meisterschaftswertungen fällt auf: Ferrari knabbert seit geraumer Zeit kräftig an eurem Vorsprung..."
Symonds: "Das ist leider wahr, wir sehen es auch nicht gerne. Aber vergesst nicht, dass wir immer noch beide WM-Tabellen anführen. Offensichtlich hatte die Kombination Ferrari und Bridgestone bei den hochsommerlich heißen Grands Prix der vergangenen Tage einen Vorteil. Dies haben wir erkannt und damit bereits den ersten Schritt gemacht, um diesen Trend wieder abzustellen beziehungsweise umzudrehen. Zuletzt hatten sie die Oberhand. Aber das Pendel der Konkurrenzfähigkeit wird wieder zu uns zurückschwingen."

"Die bisherige Saison hat gezeigt, dass es beinahe schon leichtsinnig ist, Prognosen abzugeben." Pat Symonds

Frage: "Demnach bist du sicher, dass ihr in Ungarn zurückschlagen könnt?"
Symonds: "Die bisherige Saison hat gezeigt, dass es beinahe schon leichtsinnig ist, Prognosen abzugeben. Aber ich gehe fest davon aus, dass wir in Budapest deutlich konkurrenzfähiger sind als bei den vergangenen Rennen. Nach dem Resultat von Hockenheim werden wir nichts über das Knie brechen, das wäre jetzt genau die falsche Reaktion. Wir gehen die Probleme geradlinig und pragmatisch an."

"Es liegt an uns, das Spiel wieder herumzudrehen. Das wir dazu in der Lage sind, haben wir zuletzt 2005 bewiesen und einen Wettbewerber geschlagen, der uns zuvor scheinbar überlegen war. Dass uns die ersten Kritiker im Kampf um die Titel bereits abschreiben wollen, stärkt uns nur. Wir unternehmen alles, was in unserer Macht steht, um ihnen das Gegenteil zu beweisen."