• 27.08.2002 09:41

  • von Fabian Hust

Surer: "Die Hersteller haben die Latte zu hoch gelegt"

In Teil 4 der Exklusiv-Interviewreihe mit Surer dreht sich alles um die Austragungsorte und wirtschaftlichen Probleme der F1

(Motorsport-Total.com) - Im ausführlichen, vierteiligen Fachgespräch mit F1Total.com-Chefredakteur Fabian Hust spricht der ehemalige Schweizer Formel-1-Fahrer Marc Surer heute über die Formel 1 in der Schweiz, neue geplante Austragungsorte und die wirtschaftlichen Probleme in der Formel 1.

Titel-Bild zur News: Marc Surer

Marc Surer hält die neue Motorenregel für unsinnig

Frage: "Mit dem Sauber-Team hat die Schweiz einen direkten Draht zur Formel 1. Glauben sie, dass es jemals wieder ein Rennen in der Schweiz geben wird?"
Surer: "Nein, daran glaube ich nicht. Die Grünen sind bei uns zu stark. Wann auch immer jemand einen Vorstoß unternimmt, eine Strecke zu bauen oder etwas zu planen, wird es sofort wieder niedergemacht und im Ansatz erstickt. Bei uns sind die Grünen stärker als in Deutschland."

Frage: "Sehen sie im Moment in irgendeiner Motorsportserie einen jungen Schweizer Fahrer, der den Sprung in die Formel 1 schaffen könnte?"
Surer: "Wir haben zum Beispiel den Marc Benz in der Formel 3. Es gibt auch noch ein paar andere Jungs, die zum Beispiel in der Formel Renault fahren. Es gibt einige viel versprechende Talente, der Weg ist aber natürlich lang."

"Die Formel 1 muss international auftreten"

Frage: "Finden sie es traurig, dass die Formel 1 von einer doch eher europäisch orientierten Rennserie immer mehr in exotischen Länder wie Russland, die Türkei oder Bahrain fahren soll?"
Surer: "Ich glaube, dass die Formel 1 von diesem internationalen Flair lebt. Das ist ja auch der Vorteil gegenüber der ChampCar-Serie, dass man eben in jedem Land auftreten kann. Wir haben so viele Nationen, es ist eben doch keine europäische Angelegenheit. Die Formel 1 muss also international auftreten."

Frage: "Die Formel 1 droht Strecken wie Spa-Francorchamps zu verlieren und mehr und mehr werden die Strecke nach wirtschaftlichen Interessen aus dem Kalender gestrichen oder aufgenommen, ist das ein Trend, der der Formel 1 letztendlich gut tun wird?"
Surer: "Im Moment müssten wir eigentlich alle Rennen in Italien und Deutschland fahren ? wegen einem deutschen Weltmeister und einer italienischen Marke. Dort ist das Interesse im Moment natürlich am größten. Man muss aber klarer Weise auch an die Zukunft denken. Wenn man nach dem Tabakwerbeverbot neue Sponsoren braucht, dann muss man die Formel 1 auch an anderen Orten präsentieren, wo es neue Verbindungen geben kann. Wenn man nur dort fahren würde, wo die Formel 1 im Moment auf die größte Resonanz trifft, dann würde man der Formel 1 damit keinen Gefallen tun."

"Die Hersteller haben die Latte zu hoch gelegt"

Frage: "Die Formel 1 muss sich derzeit mit der Erkenntnis beschäftigen, dass sich die wirtschaftlichen Probleme auf den Sport auswirken, Prost musste über den Winter zusperren, Arrows wurde von Gerichten als insolvent erklärt. Hat Bernie Ecclestone seinen Milliardenzirkus noch im Griff?"
Surer: "Es gab ja schon immer Krisen in der Formel 1. Durch die Teilnahme der Hersteller ist die Latte so hoch gelegt worden, dass man unter einem Budget von 100 Millionen Euro nicht mehr konkurrenzfähig sein kann. Dabei ist es sehr wichtig, dass die Formel 1 die kleinen Teams nicht verliert. Diese 'Statisten' sind sehr wichtig. Es kann einfach nicht sein, dass Werksteams wie Jaguar, die so viel Geld investieren, hinten herumfahren, da stimmt doch etwas nicht. Man muss sich einfach mal diese Summe vorstellen! Man gewöhnt sich daran, wenn man solche Beträge hört. Aber gehen sie einmal zu einem Sponsor und verlangen sie zehn Millionen, das ist eine riesige Summe und wäre dann nur ein Zehntel vom Etat."

"Ich glaube, dass die Latte durch die Hersteller einfach nun zu hoch anliegt. Man muss sich Gedanken machen, wie man einem kleinen Team ? denn diese braucht es ja ? den Minimum-Etat organisieren kann. Mit welchen Argumenten geht Minardi denn Sponsoren suchen? Dass sie eben mit 10 Millionen Euro größer auf dem Auto stehen als anderswo, das ist aber auch der einzige Grund. Man muss also hingehen und den Kuchen anders aufteilen."

"Die kleinen Teams müssen von den Fernsehgeldern genauso viel bekommen wie die großen Teams. Die großen Teams brauchen das Geld ja eigentlich gar nicht. Sie verbrauchen es einfach, wenn sie es haben, dort verbrennt man schlichtweg das, was einem zur Verfügung steht. Die kleinen Teams brauchen das Geld aber, um überleben zu können, aus diesem Grund muss man die Verteilung des Geldes neu organisieren, dass eben alle gleich viel bekommen, egal wie man heißt."

"Ich befürchte, dass der Schuss nach hinten losgeht"

Frage: "Ab 2004 sollen die Teams nur noch einen Motor pro Rennwochenende einsetzen, kann man da überhaupt Geld einsparen?"
Surer: "Ich befürchte, dass der Schuss nach hinten losgeht, weil man sich ganz einfach nun alle möglichen Tricks ausdenkt, um diese Sache zu umgehen. Was macht man denn, wenn man im Motor einen Defekt hat? In wie weit darf man ihn reparieren? Und wenn man ihn reparieren darf, werden an der Strecke jede Menge Ingenieure sein, wo man heute einfach den Motor ausgetauscht hat, will man ihn dann an der Strecke wieder zum Laufen bekommen. Das führt dann zu einem Mehraufwand an Leuten und so weiter. Ich glaube nicht, dass man dies unbedingt als positiv bewerten kann. Es ist ein Versuch und man muss abwarten, was dabei herauskommt."

"Leute wie Schumacher werden doppelt so lange an der Box sitzen"

Frage: "Können sie sich andere Möglichkeiten vorstellen, wie man die Formel 1 kostengünstiger gestalten kann?"
Surer: "Man muss sich einmal überlegen, warum man diese Einmotorenregelung haben wollte. Man wollte verhindern, dass Qualifikationsmotoren eingesetzt werden. Aber man kann den Einsatz dieser natürlich teuren Motoren auch verhindern, indem die Teams im Qualifying und im Rennen mit dem gleichen Motor fahren müssen. Tut man dies nicht, verliert man Startplätze. Dies wäre die einfachste Lösung, um zu verhindern, dass man Qualifikationsmotoren einsetzt."

"Man würde so auch nicht das Freie Training zerstören. Denn wir werden so das Problem haben, dass im Freien Training die guten Leute nicht fahren. Die guten Leute, die heute schon nicht fahren, werden wie Michael Schumacher doppelt so lange an der Box sitzen, denn sie haben ja schon ein gutes Auto. Man will keine Kilometer auf den Motor fahren, also schaut man lieber zu. Das wird Folgen haben, die vor allem für uns vom Fernsehen ärgerlich sind, besonders bei uns als Premiere, wo wir alle Freien Trainings live übertragen. Wenn die Jungs in den vier Freien Trainings nur in der Box stehen, dann müssen wir uns etwas einfallen lassen?"

"Die kleinen Teams würden noch mehr bestraft werden"

Frage: "Wenn weniger als zehn Teams am Start sind, sollen die Teams drei Autos einsetzen. Glauben sie, dass dies ohne weiteres möglich wäre?"
Surer: "Natürlich wäre das möglich. Diese Teams haben ja funktionierende Testteams und ausreichend Autos, um diese einzusetzen. Es wäre vom Aufwand her auch nicht um so viel teurer. Aber was passiert dann mit den kleinen Teams? Diese werden dann ja noch mehr bestraft! Wenn ich jetzt zum Beispiel das Sauber-Team bin und die drei Top-Teams nicht ausfallen, dann mache ich keinen Punkt. Wenn Ferrari, McLaren und Williams also zwei Autos einsetzen, ist der siebte Platz das Maximum, was Sauber erreichen kann, wenn diese Teams drei Autos einsetzen, dann ist Rang zehn das Maximum! Für die kleinen Teams wäre das dann noch schlimmer."