• 24.05.2006 15:26

  • von Adrian Meier

Super Aguri: Kleines Team mit großer Leidenschaft

In nur vier Monaten wurde der neue Rennstall in der Winterpause aus der Traufe gehoben, nach wie vor ist Super Aguri das kleinste Team in der Königsklasse

(Motorsport-Total.com) - Als gegen Ende der vergangenen Saison zum ersten Mal Spekulationen über ein neues japanisches Formel-1-Team aufkamen, glaubten in der Königsklasse des Motorsports nur die wenigsten, dass nur knapp vier Monate später tatsächlich zwei neue Boliden in der Startaufstellung zum Saisonauftakt in Bahrain stehen würden.

Titel-Bild zur News: Yuji Ide wird in die Box geschoben

Super Aguri arbeitet mit viel Leidenschaft an der Herausforderung Formel 1

Doch in der Tat traten die beiden Super-Aguri-Boliden an, Takuma Sato sah - wenn auch nach sechs Boxenstopps und mit vier Runden Rückstand auf den Sieger - sogar das Ziel. Anschließend beschrieb er das Rennwochenende als den "großartigen Start, den das Team brauchte", wie der Japaner von 'F1 Racing' zitiert wird.#w1#

Mehr Medienvertreter als Personal

"Da sind mehr Medienvertreter vor der Garage als wir Personal haben." Aguri Suzuki

Auch wenn das Team aufgrund seiner Unerfahrenheit noch einige Fehler gemacht hatte, Yuji Ide eine Durchfahrtsstrafe kassierte, da die Mechaniker am Start zu lange an seinem Boliden gearbeitet hatten, und beide Piloten aufgrund von Kommunikationsproblemen zur gleichen Zeit an die Box gerufen wurden, war das erste große Ziel des Teams erreicht: In Bahrain anzutreten und als Bonus die Zielflagge zu sehen.

Inzwischen hat sich der noch junge Rennstall in der Königsklasse des Motorsports etabliert, auch wenn die Aussage von Teamchef Aguri Suzuki vom ersten Rennwochenende, "da sind mehr Medienvertreter vor der Garage als wir Personal haben", nach wie vor zuzutreffen scheint. Obwohl der Rennstall inzwischen etwa 100 Mitarbeiter beschäftigt, ist man nach wie vor das kleinste der Formel-1-Teams.

Doch dieser Umstand muss nicht zwangsläufig nur Nachteile haben, wie man vielleicht vermuten könnte: "Eines unserer Teammitglieder sagte mir, dass es in seinem alten Team nie zu einem Gespräch mit seinem Technischen Direktor gekommen sei. Hier genießt er es, mit den Leuten reden zu können und richtig zu verstehen, warum er das alles hier eigentlich macht", erinnert sich Mark Preston, der Technische Direktor des Teams.

"In meinem Wortschatz ist 'unmöglich' ein Wort, das nicht existieren sollte." Aguri Suzuki

Darüber hinaus macht man den zahlenmäßigen Nachteil laut Teamchef Suzuki durch Leidenschaft wett: "Wir sind ein kleines Team, aber es herrscht bei uns eine große Leidenschaft. Wenn es die nicht gäbe, hätten wir all das nicht schaffen können. Unsere Unternehmung begann als eine unmögliche Herausforderung. Aber in meinem Wortschatz ist 'unmöglich' ein Wort, das nicht existieren sollte."

Die Herausforderung begann im Oktober

Tatsächlich erscheint es als fast unglaublich, was der Japaner in der Winterpause auf die Beine stellte. "Wir hatten das erste Meeting mit Aguri erst im Oktober", blickt Geschäftsführer Daniele Audetto zurück. "Er wollte umgehend mit mir sprechen. Er kam nach London und sagte: 'Ich muss ein Formel-1-Team aufbauen und brauche deine Hilfe.'"

Daniele Audetto

Daniele Audetto war am Aufbau des Teams maßgeblich beteiligt Zoom

Doch erst als Audetto erfuhr, dass das neue Team bereits vier Monate später in Bahrain antreten sollte, realisierte er, warum Suzuki es eilig hatte. "Ich kenne Aguri schon seit Jahren, daher konnte ich nicht nein sagen. Aber als er das Team bereits 2006 in die Startaufstellung bringen wollte, brauchte ich einige Wochen, um alles zu durchdenken, bevor ich die Herausforderung annehmen konnte."

Als dies jedoch geschehen war, erfolgten die ersten Schritte im Rekordtempo. Eine erste Minimalbelegschaft aus sieben Ingenieuren war schnell rekrutiert, mit der alten Arrows-Fabrik in Leafield fand sich innerhalb kürzester Zeit auch ein Quartier für den neuen Rennstall. Doch wie sollte es nun weitergehen? Mit welchen Autos sollte man antreten?

Durch die guten Verbindungen zu Honda erwog man zunächst, alte Chassis des BAR-Honda-Teams aus der Vorsaison einzusetzen, doch dieser Plan konnte aufgrund von Problemen mit den Rechten am geistigen Eigentum des Autos nicht realisiert werden, weshalb man sich nach einer anderen Lösung umsehen musste.

Der große Rückstand war vorprogrammiert

Die Wahl fiel auf Chassis', die mit dem Kauf durch Super Aguri in die Fabrik zurückkehrten, in der sie einst entwickelt und gefertigt worden waren: Die Arrows A23 aus dem Jahr 2002 waren zwar technisch bereits deutlich veraltet, doch sah Preston keine andere Möglichkeit, wenn man bereits 2006 starten wollte.

"Aguri wollte 2006 einfach schon antreten, damit blieb uns nur die Option mit den Arrows-Chassis'." Mark Preston

"Aguri wollte 2006 einfach schon antreten, damit blieb uns nur die Option mit den Arrows-Chassis'. Wir waren an einem gewissen Punkt angelangt, an dem wir wussten, dass wir mit diesen Boliden fahren mussten, wenn wir das ganze Projekt realisieren wollten." Jedoch sei man sich bereits zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen, dass man sich auf diese Weise in den ersten Rennen einen Rückstand von mehreren Sekunden einhandeln würde, zumal die Autos durch die Anpassungen an das Reglement des Jahres 2006 weiter an Abtrieb einbüßten.

Doch um den Rückstand dennoch in Grenzen zu halten, begnügte man sich nicht mit der reinen Anpassung der Fahrzeuge ans Reglement, sondern überarbeitete dabei gleichzeitig die komplette Aerodynamik, die man auch im Verlauf der ersten Rennen des Teams weiter optimierte und damit nach und nach am Rückstand auf die direkten Konkurrenten am Ende des Feldes knabbert.

Darüber hinaus begann man noch im Winter die Arbeiten an einem komplett neuen Modell, das man im Lauf der Saison einsetzen möchte. Ab dem Grand Prix von Frankreich soll der SA06 für eine deutliche Steigerung sorgen, anschließend möchte man in der Lage sein, auf einem Niveau mit den Konkurrenten am Ende des Feldes zu kämpfen.

Ein japanischer Pilot für das japanische Team

Doch auch wenn man bezüglich der Autos nicht von der Partnerschaft mit Honda profitieren konnte, gab es neben Motoren und einer ordentlichen Finanzspritze noch einen weiteren Bereich, in dem man Unterstützung von dem Automobilhersteller bekam: Mit dem im Werksteam ausgemusterten Takuma Sato erhielt das Team einen erfahrenen Fahrer, der von Beginn an in das Projekt involviert und am Aufbau beteiligt war.

Takuma Sato

Takuma Sato zeigte im Super Aguri bereits einige beachtliche Leistungen Zoom

"Das rein japanische Team war eine einzigartige Idee", erinnert sich der Japaner. "Daher dachte ich mir: 'Okay, das klingt sehr interessant.' Außerdem war ich mir sicher, dass ich ihnen würde helfen können. In gewisser Weise brauchte ich sie, und sie brauchten mich", lässt Sato durchblicken, dass von seinem Engagement letztendlich alle drei Seiten profitierten. Er selbst, weil nach der Verpflichtung von Rubens Barrichello im Honda-Werksteam kein Platz mehr für ihn war, Super Aguri, weil Sato seine Formel-1-Erfahrung einbringen konnte, und nicht zuletzt auch Honda, die ihren Landsmann so ohne allzu große Proteste in der Heimat im Werksteam aussortieren konnten.

Überdies gefällt Sato seine Rolle im neuen Umfeld, trotz der schwierigen Aufbauphase und des großen Rückstands auf die Konkurrenz: "Ich habe hier mehr Verantwortung als jemals zuvor, aber ich fühle mich sehr wohl. Das ganze Team ist sehr motiviert, und die Atmosphäre ist fantastisch." Darüber hinaus habe sich das Team in den bisherigen Rennen mehr als achtbar geschlagen: "Wenn man sich die Menge an Arbeiten ansieht, die wir in der verfügbaren Zeit zu tun hatten, haben die Jungs einen großartigen Job gemacht."

Von der Leistung des ganzen Teams sei er deshalb extrem beeindruckt, denn obwohl der Rennstall nur aus einer relativ kleinen Truppe besteht, "konzentriert sich jeder auf die wichtigen Dinge, und das gefällt mir".