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Strafen in Silverstone: Das sagen Fahrer zur Track-Limit-Regel

Sechs gestrichene Zeiten und einige Verwirrung im Formel-1-Qualifying von Silverstone: Die harte Track-Limit-Politik der FIA sorgt im Paddock für Diskussionen

(Motorsport-Total.com) - Wurde vor einer Woche in Österreich noch heftig über die "Baguettes" diskutiert, spricht das Fahrerlager nach dem Qualifying zum Großen Preis von Großbritannien über die sogenannten "Track Limits", also die weißen Streckenbegrenzungen. Sie führen zwar nicht wie die gelben Randsteine von Spielberg dazu, das Aufhängungen brechen und Reifen in die Knie gehen, meiden sollte man sie dennoch. Denn die FIA greift hart durch, wenn ein Fahrer durch die Verletzung der Track Limits auffällt.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Track Limits missachtet: Auch Hamilton wurde in Silverstone eine Zeit gestrichen Zoom

Im Qualifying am Samstag war das gleich sechsmal der Fall. Die Rennkommissare löschten nach Analyse der Videoaufnahmen die Zeiten folgender Fahrer:
Kevin Magnussen, 13:03:43 Uhr, 1:33.908 (Q1)
Jolyon Palmer, 13:04:06 Uhr, 1:34.275 (Q1)
Lewis Hamilton, 13:51:38 Uhr, 1:29.339 (Q3)
Fernando Alonso, 13:59:55 Uhr, 1:31.687 (Q3)
Max Verstappen, 14:00:27 Uhr, 1:30.925 (Q3)
Nico Hülkenberg, 14:00:54 Uhr, 1:31.920 (Q3)

Im Falle von Hamilton führte dies dazu, dass der Brite im ersten Stint der finalen Qualifying-Session mit keiner einzigen gezeiteten Runde geführt wurde und so alles auf den letzten Versuch ankam, den der Mercedes-Pilot in die 55. Pole-Position seiner Karriere ummünzte. Weniger Glück hatten Alonso und Hülkenberg, die durch gestrichene Zeiten Positionen verloren. Der Spanier büßte zwei Ränge ein, weil er in Kurve 15 die Strecke verließ. Hülkenberg passierte das in Kurve 9, er fiel einen Rang zurück.

Darum werden nicht alle Kurven gleich streng geahndet

An insgesamt drei Stellen hat die FIA ein besonderes Auge auf die Einhaltung der Track Limits: Überfahren die Piloten in den Kurven 9, 15 und 18 die weiße Linie mit allen vier Rädern ihres Boliden, folgt eine Strafe. Im Qualifying wurde die damit erzielte Zeit gestrichen. Dies sei aber kein Diktat von Rennleiter Charlie Whiting, betont Jenson Button und verweist auf eine gemeinsame Besprechung am Freitagabend: "Wir haben das diskutiert und waren alle der Meinung, dass das die beste Verfahrensweise ist."

Und warum wird nur an diesen drei Stellen so hart durchgegriffen? "Weil wir denken, dass du hier Zeit gutmachen kannst, wenn du die Streckenbegrenzung überfährst", erklärt Button weiter. Polesetter Hamilton weiß warum: "Es macht dich schneller, wenn du in bestimmten Kurven weit gehst, weil du mehr Geschwindigkeit aufnehmen kannst." Das versuchte der Brite nicht nur in Kurve 9 für sich zu nutzen. Auf seiner Pole-Runde fuhr er auch in Luffield (Kurve 16) weit und war mit allen Rädern neben der Strecke.

Weil diese Stelle aber nicht zu den besagten drei Kurven gehört, die unter die Null-Toleranz-Politik der FIA fallen, drückte die Rennleitung ein Auge zu. Der Nervenkitzel reichte der Mercedes-Box auch so: "Es war nicht einfach, weil die Rennleitung teilweise erst sehr spät gekommen ist und wir nicht wussten, ob die Runde jetzt in oder out war", bemerkt Teamchef Toto Wolff. "Aber die Rennleitung kommt einfach nicht anders dazu, da müssten 100 Leute sich jede Runde onboard anschauen, um das zu analysieren."

Alonso und Hülkenberg werden Opfer der Track Limits

Zu welchen Szenen das führen kann, wurde vor Beginn der zweiten Qualifying-Session deutlich, als der eigentlich ausgeschiedene Button plötzlich zum Sprint ansetzte und zurück zu seinem Boliden eilte. Bei McLaren ging man wohl davon aus, dass Kevin Magnussens Quali-Zeit, die ihn in die zweite Session brachte, gestrichen würde. Tatsächlich aber fiel eine schwächere Runde dem Rotstift zum Opfer. Der Renault-Fahrer behielt also seinen 16. Rang und Button trottete enttäuscht davon.

Nicht nur er war nach dem Qualifying zerknirscht. "Diese Probleme haben wir seit Jahren, unter anderem in Österreich und hier. Aber so ist der Sport. Manchmal gewinnst du das Rennen und erfährst das Ergebnis erst vier oder fünf Stunden später", sagte etwa Alonso zynisch. Er haderte damit, dass ihm der geahndete Ausritt ausgerechnet zum Finale passierte: "Es ist okay. Für jeden gelten dieselben Regeln. Es ist heute vielen so gegangen. Uns ist es unglücklicherweise in Q3 passiert."

Hülkenberg mutmaßt, dass es bei ihm denkbar knapp gewesen sein muss. "Es war marginal, vielleicht einen Zentimeter zu weit", schätzt der Deutsche und ergänzt: "Ich wusste, dass es eng war und da etwas nachkommen könnte, aber ich habe natürlich gehofft, dass sie es nicht sehen." Wenn man am Limit fährt und um jedes Zehntel kämpft, könne das schon mal passieren, erklärt der Force-India-Pilot weiter. Hinzu komme der oft unberechenbare Wind auf dem Silverstone Circuit.


Großer Preis von Großbritannien

Formel-1-Fahrer sprechen sich für kleine Kiesbetten aus

Wie die Track-Limit-Regel im Rennen am Sonntag umgesetzt werden soll, darüber herrscht bei den Fahrern noch Unklarheit. "Ich denke, wenn du dir im Zweikampf damit einen Vorteil verschaffst, wird es sicher strenger bestraft. Wenn du nur für dich fährst, kannst du es dir womöglich ein paar Mal erlauben und wirst verwarnt, bis eine Strafe droht", sagt Hülkenberg. Auch Nico Rosberg glaubt, dass der Null-Toleranz-Ansatz aus dem Qualifying im Rennen nicht greifen wird.

"Man sollte schon ein, zwei Fehler erlauben und beim dritten Mal dann vielleicht eine Strafe aussprechen", findet der Deutsche. Dass darauf geachtet wird, sei wichtig: "In den Track Limits zu bleiben, gehört nun mal zur Formel 1." Ähnlich sieht es auch sein Landsmann und Ferrari-Kollege Sebastian Vettel, der betont: "Alle waren einverstanden. Mir persönlich ist es egal, ob man weit gehen darf oder nicht. Es muss nur für alle klar sein, was erlaubt ist und was nicht. Und das ist es."

Dennoch wird diskutiert, wie ein Rundenzeiten-Chaos wie in Silverstone besser gelöst oder verhindert werden könnte. Hülkenberg spricht sich zum Beispiel für ein Kiesbett direkt neben den Randsteinen aus. "Dann würden wir da auch nicht drüber fahren", meint er. Auch Toro-Rosso-Pilot Daniil Kwjat findet: "Da gehört Gras oder ein kleines Kiesbett hin und dahinter Asphalt für die Sicherheit." Es müsse in jedem Fall etwas geben, das den Grip schmälert und Fahrer entsprechend abschreckt, es zu überfahren.

Von gelben Randsteinen wie in Österreich will der Russe allerdings nichts wissen. "Das war ein Witz", ärgert er sich. Im Qualifying vor einer Woche hatte der 22-Jährige einen heftigen Abflug, nachdem er über eines der "Baguettes" gefahren war und seine Aufhängung brach. Das droht ihm in Silverstone nicht, denn hier seien die Randsteine "zwar immer noch etwas seltsam, aber besser". Bezüglich der Streckenbegrenzung wünscht er sich eine Vereinheitlichung: "Da muss es mehr Konsistenz geben."