• 29.11.2001 11:01

  • von Fabian Hust

Stoddart: "Tränen des Stolzes in den Augen"

European-Minardi-Teamchef Paul Stoddart spricht über die unglaublichen Saisonvorbereitungen seines Teams

(Motorsport-Total.com) - Sechs Wochen vor dem Saisonbeginn gab Paul Stoddart Gustav Brunner den Startschuss zum Bau des neuen Autos. Der Betreiber einer privaten Fluggesellschaft hatte zuvor den Rennstall aufgekauft und damit überhaupt ermöglicht, dass das kleinste Team der Formel 1 nicht zusperren muss. Es begann ein Wettlauf mit der Zeit, den das Team dank einem unglaublichen Einsatz gewinnen sollte.

Titel-Bild zur News: Paul Stoddart (Teamchef)

Paul Stoddart machte viele aufreibende Wochen mit

Die Minardi-Mannschaft aus dem italienischen Faenza konnte die Arbeit nicht alleine erledigen, denn über den Winter war das Team auf 97 treue Mitglieder geschrumpft. Stattdessen setzte Stoddart sogar seine Fluglinienmitarbeiter ein: "Das werde ich mein Leben nicht vergessen", erzählt der Australier den 'Motorsport News'. "Das wird wohl ein ewiger Rekord bleiben! Als ich zu Minardi kam, waren dort noch 97 Leute, European Aviation hatte 60 auf der Rennseite und 600 bis 700 bei der Airline. Was wir in der kurzen Zeit geleistet haben, konnte nicht von den 100 Jungs von Minardi und den 60 in Ledbury erledigt werden ? es gab eine Menge Leute, die stellten an einem Tag Flugzeugsitze und am nächsten Tag Formel-1-Teile her?"

Die Mitarbeiter wurden in die Fabrik nach Faenza geflogen. Um das logistische Chaos nicht noch mehr anwachsen zulassen, buchte Stoddart kurzerhand ein komplettes Hotel für seine Mannschaft: "Wir hatten keine Zimmernummern. Wenn man zu müde war, dass man nicht mehr arbeiten konnte oder nicht mehr produktiv genug war, dann wurde man ins Hotel zurückgebracht. Du nahmst dir vier oder fünf Stunden Schlaf in irgendeinem Bett."

Einen Tag vor dem Abflug nach Australien konnte das Team sogar 90 Testkilometer mit dem neuen Auto abspulen, bevor es vor dem Parlament in Melbourne der Presse vorgestellt wurde ? eine Sondergenehmigung, die Stoddart tief bewegte, machte dies erst möglich: "Sie unterbrachen sogar eine Sitzung im Parlament, Wahnsinn! Auf dem Plan stand: '10:15 Uhr Sitzungsunterbrechnung. 10:20 Uhr Minardi-Teamvorstellung. 10:45 Parlamentssitzung Wiedereröffnung.' Warum wir die Vorstellungen auf den Treppen des Parlaments vornahmen? Weil wir einfach keine Zeit hatten, es woanders zu machen!"

Im Qualifying stellte Formel-1-Neuling Fernando Alonso das Auto auf den 19. Platz und ließ damit zwei Konkurrenten hinter sich. Teamkollege Tarso Marques scheiterte allerdings an der 107-Prozent-Hürde. Auf der Startaufstellung löste sich dann endgültig die ganze Anspannung der letzten Tage beim neuen Teamchef: "Ich hatte Tränen im Auge, als wir auf der Startaufstellung standen und sie die Nationalhymne spielten."

Das Rennen war für das Team ein unglaubliches Erfolgerlebnis. Nach all den anstrengenden und zermürbenden letzten Wochen vor dem Saisonstart, während denen man befürchtete, nicht rechtzeitig fertig zu werden, kam Alonso mit dem ungetesteten Auto als 12. ins Ziel und ließ damit sogar beide Benetton-Renault hinter sich.

Nach dem Rennen war Stoddart überglücklich: "Als ich in die Garagen zurückkam, da sah ich 40 erwachsene Männer, die weit weg von den Kameras mit Tränen des Stolzes in ihren Gesichtern vor mir standen. Das hat mich am meisten bewegt. Das ist genau das, was wir als Motivation brauchen, es war einfach sehr berührend. Ich musste wieder zu Interviews rausgehen, konnte aber kaum sprechen. Melbourne war unglaublich emotional."