• 18.04.2014 10:23

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Spielt Krösus Red Bull Vabanque mit der Formel 1?

In der Diskussion um eine Kostensenkung verhärten sich die Fronten: Sauber appelliert an die Verantwortung, Christian Horner findet die Debatte "scheinheilig"

(Motorsport-Total.com) - In den vergangenen Jahren hat sich in der Formel 1 eine neue Konfliktlinie herauskristallisiert. Es geht um den Konflikt zwischen Armen und Reichen, "Kleinen" und "Großen". Derzeit wird dieser Sachverhalt anhand der Diskussionen um eine Kostenobergrenze deutlich. Nachdem es den Platzhirschen an der Spitze geglückt ist, das Vorhaben mit Hilfe von Bernie Ecclestone und gegen den Willen des FIA-Präsidenten Jean Todt zu kippen, kämpfen die Befürworter weiter für den Budgetdeckel.

Titel-Bild zur News: Christian Horner, Monisha Kaltenborn

Christian Horner und Monisha Kaltenborn trennt derzeit mehr als ein halber Meter Zoom

Monisha Kaltenborn versteht seit dem Bahrain-Grand-Prix die Welt nicht mehr. Sie weist darauf hin, dass die Kostenobergrenze ab 2015 bei einem Treffen der Teams verabschiedet wurde und die FIA die Angelegenheit anschließend per Pressemitteilung bekanntmachte. "Wir haben aus den Medien erfahren, dass die Sache abgeblasen wurde. Wir wurden nie informiert", ärgert sich die Sauber-Teamchefin über die Initiative der Strategiegruppe der Formel 1. In diesem exklusiven Gremium dürfen die Schweizer nicht mitstimmen, müssen sich aber den Beschlüssen beugen.

Ganz anders denkt Christian Horner, der als Red-Bull-Teamchef mit am Tisch saß und die Hand hob. Natürlich gegen einen Budgetdeckel, schließlich wird der Brite nicht müde zu betonen, dass er von der Idee gar nichts hält. Trotzdem will er nicht verantwortlich sein: "Red Bull hat der Sache kein Ende gemacht", so Horner. "Kein Team bestreitet doch, dass die Kosten zu hoch sind." Er verteidigt die Strategiegruppe als Instanz und betont, "dass Teams dabei sind, die in der gleichen Situation stecken wie zum Beispiel Force India oder sogar in einer noch schlimmeren".

Ein Beispiel nehmen am FC Bayern

Die Rede ist von Lotus, das dank seiner sportlichen Leistungen 2013 einen temporären Sitz in der Teamfraktion erhalten hat - neben Red Bull, Ferrari, McLaren, Mercedes und Williams aber nicht dafür sorgt, dass die "Kleinen" überrepräsentiert wären. "Der Grund für die Einführung der Strategiegruppe war, dass Entscheidungen immer kollektiv fallen mussten", argumentiert Horner mit der Effizienz für das Gremium. "Bernie (Ecclestone; Anm. d. Red.) hat es immer den 'Eddie-Jordan-Effekt' genannt, dass man sein Veto einlegen oder für sein eigenes Wohl stimmen konnte."

Dass die Formel-1-Kommission, in der alle Teams sitzen, Entscheidungen noch unisono abnicken muss und damit jedem ein faktisches Vetorecht zusteht (so argumentiert Red Bull), ist nur ein Teil der Wahrheit. Wenn die Strategiegruppe Vorlagen von Anfang an blockiert, dann kommt es gar nicht mehr zu einer (zugegebenermaßen wenig aussichtsreichen) Abstimmung. Kaltenborn hält die Politik der gut betuchten Mannschaften für äußerst kurzsichtig: "Obwohl die großen Teams nicht die Probleme der kleinen haben, sollten sie sich für den Sport stark machen", fordert sie.


Fotostrecke: Die wertvollsten Paydriver

Sie vergleicht die Formel 1 mit dem Fußball, wo FC-Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge kürzlich mit einer Ankündigung für Schlagzeilen sorgte: Die Münchener wollen auf Gewinne in Millionenhöhe verzichten, die ihm aus den Einnahmen aus den TV-Rechte am DFB-Pokal zustehen würden. Stattdessen sollen die Gelder aufgeteilt und kleinere Klubs so unterstützt werden. Auch der FC Schalke 04 war an der Initiative beteiligt - also die Vereine, die sich mit ihren finanziellen Mitteln eigentlich einen noch größeren Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten.

"Niemand sagt: 'Dann geht doch in eine andere Liga'." Kaltenborn über die "Kleinen" im Fußball

Das böse Wort "Profit"

Kaltenborn ist angetan: "So müssen wir den Sport sehen", lobt sie und sieht einen Gegenentwurf zur Vision Ecclestones, der zuletzt von einer Formel 1 mit A- und B-Teams sprach, wobei die zweite Klasse wohl mit Kundenautos der ersten auskommen müsste. "Wenn jemand nicht spielen kann, sagt im Fußball niemand: 'Was soll's? Dann geht doch in eine andere Liga'", erklärt die Sauber-Verantwortliche. "Es ist für den Sport nicht gut, wenn es ein A-Team und ein B-Team von Bayern München gibt. Man will ein nachhaltiges Geschäft. Warum sollte das in der Formel 1 anders sein?"

Esteban Gutierrez

Ein schwarzes Auto: Sauber hat nicht die finanziellen Mittel der Spitze Zoom

Ganz einfach: Weil es nicht nur ums Gewinnen geht, sondern auch um den Gewinn. Horner macht daraus keinen Hehl. "Die Teams sollten keine Angst davor haben, Profit zu erwirtschaften, was im Fahrerlager ein schmutziges Wort ist", prescht der Red-Bull-Teamchef vor. "Schon vor 15 Jahren hat Williams ordentlich Gewinne gemacht." Horner weiß aber auch, dass er sich jede müde Mark abschminken kann, wenn es keine Konkurrenten mehr in der Startaufstellung gibt. Deshalb ist auch er an einer effektiven Kostensenkung durch das Technische Reglement interessiert.

Eine Kundenauto-Regelung, die in der Strategiegruppe angeblich ausgearbeitet ist, erfüllt diese Anforderung aus Kaltenborns Sicht nicht. Trotzdem vermutet sie, dass die "Großen" die Karte spielen wollen: "Ich kann mir vorstellen, dass sie glauben, dass sie die gleichen Einkünfte hätten, wenn nur vier Teams am Start wären, oder A- und B-Mannschaften." Also doch Kostenobergrenze? Der Kampf ist eröffnet. Neben einem Brief der "Kleinen" an die FIA, den Kaltenborn nicht kommentieren will, wird sogar von einem Einschreiten der EU-Wettbewerbshüter gemunkelt.


Fotos: Großer Preis von China, Freitag


Wer hängt sein Fähnchen nach dem Wind?

Auch Horner gibt seinen Widerstand nicht auf. Er kritisiert Sauber und Co. für ihr energisches Eintreten und ihre Beschwerden über die ungleiche Einnahmenverteilung zugunsten der Spitze. "Erstens hatten sie die freie Wahl, als sie das Concorde-Agreement unterschrieben haben. Sie haben es abgenickt. Es ist etwas scheinheilig, sich über etwas zu beklagen, das alle gezeichnet haben", meint der 40-Jährige. Er bleibt bei seiner Meinung und findet, dass die Befürworter je nach personeller Situation im Management sprunghaft sind, wenn es um den finanziellen Deckel geht.

Red Bull

Für Red Bull ist die Formel 1 eine gigantische Werbemaschine Zoom

Laut Kaltenborn stammen sämtliche konkreten Zahlen, die derzeit firmieren, nicht aus dem Kreise der Beteiligten, sondern ausschließlich aus den Medien. Horner hingegen nimmt Werte gerne zur Hilfe, um seine Position zu untermauern: "Wie würde ein 200-Millionen-US-Dollar-Deckel Sauber helfen? Das spart keinen Cent", sagt er. "Die Obergrenze auf dem angedachten Niveau war sowieso weit jenseits der Mittel der kleinen Teams." Kaltenborn hingegen unterstützt eine niedrigere Marke, ohne dabei konkret zu werden. Sie hält die Sache für kontrollier- und durchführbar.

Vielmehr sei der Grund für den Widerstand, dass das Sparen in der Formel 1 eine schwierigere Angelegenheit als das Ausgeben von Geld ist. Sauber kennt das Problem, schließlich mussten die Schweizer nach dem Rückkauf des Teams von BMW selbst den Rotstift ansetzen. Auch als zuvor finanzstarkes Team hat sich Sauber laut Kaltenborn in dieser Rolle verantwortungsvoll gezeigt und ein jahrzehntelanges Motorsport-Erbe verteidigt: "Wir kämpften schon, als wir noch ein Werksteam waren, um eine andere Verteilung", meint sie über das Concorde-Agreement.

"Die Obergrenze spart den kleinen Teams keinen Cent." Christian Horner

Kaltenborn warnt Konzerne vor schnellem Ausstieg

Mittlerweile ist die Formel 1 wieder das Kerngeschäft in Hinwil. Das kann auch ein Vorteil sein. Kaltenborn argumentiert mit Blick auf Konzerne wie Red Bull oder Mercedes, die mit ihrem Engagement für ein Produkt werben wollen: "Die Gefahr ist, dass wenn man diese astronomischen Summen investiert und nicht gewinnt, der Vorstand irgendwann nicht mehr mitmacht. Oder man hat ein Ziel erreicht und es wird gefragt, was man eigentlich noch beweisen will." Sie lanciert eine Warnung: "Es könnte sein, dass einige Teams dann etwas anderes machen. Das gab es alles schon."

Jaguar, Renault, Honda oder Toyota - die Liste der Werke, die die Segel strichen, ist lang und die Formel 1 immer für Überraschungen gut. Warum sollten also die Kirchenmäuse von Marussia oder die erfolglose Caterham-Truppe die einzigen sein, die wackeln, gibt Kaltenborn zu bedenken und erinnert an die eigene Historie: "Hätte man mich 2006 gefragt, ob BMW 2009 geht, ich hätte gesagt: 'Niemals'." Das Ziel ist also klar und ein gemeinsames, der Weg jedoch überhaupt nicht.

Horner plädiert weiter für Einschnitte durch das Reglement und vermutet, dass sich die neuen Antriebsstränge etablieren und damit weniger Geld verschlingen. "Das ist viel gesünder als etwas von oben zu oktroyieren", findet er. Kaltenborn versteht nicht, warum sich irgendetwas ausschließen sollte. "Wir haben gesagt, dass es zwei Wege gibt. Wir haben einer Kombination zugestimmt. Es geht nicht darum, ob das eine oder das andere", so die Österreicherin, die genug hat vom Lamentieren: "Genug geredet. Die Zeit, eine Entscheidung zu fällen, ist längst verstrichen."