• 30.08.2012 22:12

  • von Dominik Sharaf

Spa: Der Mythos lebt, die Faszination schwindet

Mit 280 Stundenkilometern Richtung Lieber Gott: Eau Rouge und der Höllenritt durch die Ardennen bannen noch immer, die moderne Aerodynamik lässt sie verblassen

(Motorsport-Total.com) - Der Name Hermann Tielke ist heutzutage in aller Munde, wenn es um Rennstrecken-Architekten geht. Dabei dürften aus Rennfahrersicht die zwei wirklichen Koryphäen der Branche auf die Namen Jules de Their und Henri Langlois Van Ophem hören. Die nahmen sich im Jahre 1920 den öffentlichen Straßen zwischen den Ortschaften Spa, Malmedy und Stavelot an - und verbanden sie zu einer Rennstrecke, die weltweit ihresgleichen sucht: der damals 15 Kilometer lange Circuit de Spa-Francorchamps.

Titel-Bild zur News: Spa-Francorchamps

Steil bergauf: In Eau Rouge schauen die Fahrer in den Himmel Zoom

Bei dem Gedanken an diese Meter, die als heutige Grand-Prix-Strecke auf weniger als die Hälfte geschrumpft sind und oft wie der asphaltierte Weg in eine andere Welt aus dem dichten Ardennen-Nebel hervorragenden, läuft Michael Schumacher das Wasser im Munde zusammen. "Es geht hoch und runter. Wie in einer Achterbahn. Es gibt viel Abwechslung, was diesen Kurs so besonders macht. Wir Rennfahrer lieben hohe Geschwindigkeiten", schwärmt der Rekord-Weltmeister.

Spa forderte 51 Todesopfer

Schumacher verbindet mit dem Kurs in Belgien eine besondere Geschichte: Im Jahr 1991 fuhr er dort seinen ersten Grand Prix, ein Jahr später den ersten Sieg ein. Es folgten fünf weitere Triumphe. "Wenn du dann noch eine fordernde schnelle Kurve hast, dann wird es richtig gut. Und wenn du durch Eau Rouge fährst...", sinniert der Mercedes-Pilot. "Das Gefühl, die G-Kräfte, die du in dieser Kurve erlebst, das ist einfach eine Kombination, die du nicht überall findest", so Schumacher.

In vergangenen Tagen war auf der Hochgeschwindigkeitsbahn die Gefahr ständiger Begleiter. Bis heute hat die Ardennen-Achterbahn 47 Fahrern und vier Streckenposten das Leben gekostet, darunter die zwei britischen Formel-1-Piloten Chris Bristow und Alan Stacey. Sie verunglückten beim Grand Prix 1960 binnen weniger Minuten. Das jüngste Todesopfer war der belgische Motorradfahrer Adrien Nicolas, der beim Acht-Stunden-Rennen im Jahre 2008 sein Leben verlor.

Mutkurven sind heute keine mehr

Mit der Sicherheit und der Fahrbarkeit der Autos hat auch Spa etwas von seiner Faszination verloren. "Der Kurs hat sich über die Jahre verändert, selbst während ich in der Formel 1 gefahren bin", gibt Jenson Button zu bedenken. Kurven wie Eau Rouge und Blanchimont gehen heutzutage problemlos ohne Lupfen des Gaspedals, brachten die Autos früher aber an das absolute Limit. "Heute ist das wahrscheinlich ein bisschen zu einfach", merkt Schumacher an.


Fotos: Großer Preis von Belgien, Pre-Events


Was bleibt, ist die Tradition: "Als du damals Formel 1 geschaut hast, hast du all die großen Namen hier fahren sehen. Es fühlt sich trotzdem noch ganz besonders an", lässt Button seine Kindheitserinnerungen wiederaufleben und hebt hervor, wie flüssig der Kurs ist: "Es gibt nur zwei Kurven, die in einem kleineren Gang als dem dritten gefahren werden. Das ist schon sehr ungewöhnlich", weiß der McLaren-Fahrer und ist sich darüber bewusst, dass solche Strecke aussterben.

Naturbahn-Charakter als besonderer Reiz

Spa-Francorchamps

Auf der Start- und Zielgeraden beginnen sieben Kilometer Gänsehaut Zoom

Für ihn firmiert Spa unter den drei Dinosauriern des Formel-1-Zirkus, von denen einer im Sterben liegt: "Ich glaube, es gibt nur noch wenige Kurse von diesem Schlage. Einer davon ist Suzuka, ein anderer war Silverstone. Letzterer hat sich nun etwas verändert. Der Fluss ging dort ein bisschen verloren", bedauert der Brite die Entwicklung seines Heim-Grand-Prix. "Strecken, wo du es als Fahrer einfach liebst, aus der Boxengasse zu rollen und den Kurs unter die Räder zu nehmen", schwärmt Button.

Auch Sebastian Vettel fällt auf, dass Naturbahnen wie in den Ardennen immer mehr von Retortenanlagen abgelöst werden. "Wenn man auch nur um die Strecke läuft, kann man den Unterschied spüren. Das ist nicht Abu Dhabi. Nichts gegen Abu Dhabi, aber wenn man die Höhenunterschiede und die Umgebung sieht - alles, was um die Piste herum ist, war als Erstes da, dann kam die Strecke", weiß der Doppelweltmeister. "Das ist das Besondere."