• 24.06.2006 14:58

So sehen die Hersteller die brisanten Formel-1-Themen

Wichtige Vertreter der Herstellerteams sowie Jean Todt von Ferrari äußern sich zu brisanten Themen wie Homologierung, Reifenmonopol und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Obwohl die kommerziellen Auseinandersetzungen hinter den Kulissen der Formel 1 in Barcelona in Form eines Verständnismemorandums aus der Welt geräumt wurden, wird hinter verschlossenen Türen weiterhin über die Zukunft der Königsklasse des Motorsports verhandelt. Umstrittene Themen wie Homologierung der Motoren, das blühende Reifenmonopol und der Rest des Regelwerks für 2008 beschäftigen Hersteller, Teams und Verantwortliche. In Montréal sprachen darüber Mario Theissen (BMW), Nick Fry (Honda), Norbert Haug (Mercedes) und Jean Todt (Ferrari) im Rahmen der FIA-Pressekonferenz.

Titel-Bild zur News: Nick Fry, Norbert Haug, Mario Theissen und Jean Todt

Die Formel 1 präsentiert sich momentan so friedlich wie seit Jahren nicht mehr

Frage: "Meine Herren, wie denkt ihr über die Homologierung der Motoren? Läuft das so, wie ihr es euch vorstellt, und was wollt ihr persönlich aus der Homologierungsregel herausholen?"#w1#

Mario Theissen: "Ich denke, dass wir uns in einer konstruktiven und vernünftigen Diskussion befinden, die noch andauert. Es ist eine positive Situation. Wir evaluieren, was für den Sport gut ist, was für die Teams und alle Involvierten gut ist, und gestern hat Charlie Whiting bei der Sitzung der Sportlichen Arbeitsgruppe bestätigt, dass die FIA diesen Prozess unterstützen wird. Im Moment ist es also eine gute Situation."#w1#

Fry sieht "Licht am Ende des Tunnels"

Nick Fry: "Im Moment ist Licht am Ende des Tunnels, wenn der gute Dialog auch nächste Woche noch anhält. Um die Frage zu beantworten, was wir wollen: Wir wollen etwas Gutes für die Zukunft der Formel 1 und einen guten technologischen Kompromiss. Es sollte gleiche Voraussetzungen für alle Beteiligten geben und eine Kostenreduktion, also eine Kombination mehrerer Faktoren. Voraussetzung ist, dass wir die Kostenkriterien erfüllen können. Die Zeit drängt aber. Es gab Diskussionen darüber, all das Ende Juni erledigt zu haben, was bedeutet, dass wir jetzt sehr schnell handeln müssen."

Frage: "Glaubst du an eine Einigung, Norbert?"

"Eine Senkung der Kosten ist wichtig, aber es ist auch wichtig, dass die Formel 1 die Königsklasse des Motorsports bleibt." Norbert Haug

Norbert Haug: "Ich glaube schon, ja. Wie Mario und Nick richtig sagen, war es diesmal ein anderer Vorgang als in der Vergangenheit. Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Der ganze Prozess begann vor zwei Jahren, als wir uns alle im Mai in Monaco trafen. Eine Senkung der Kosten ist wichtig, aber es ist auch wichtig, dass die Formel 1 die Königsklasse des Motorsports bleibt. Ich denke, dass man beides vereinen kann. Da müssen wir einen Kompromiss finden. Natürlich wollen wir einen einstimmigen Beschluss, um ein Signal nach außen zu senden, und ich denke, dass das möglich ist. Vielleicht sind wir schon spät dran, aber wenn wir das alles zwei Jahre nach dem Beginn der Diskussion erreichen könnten, hätten wir - die Teams und speziell die Hersteller - einen guten Job gemacht. Es ist bekannt, dass die Teams in Zukunft mehr Geld bekommen werden, was nur gerecht ist. Wir sparen einerseits Geld und bekommen andererseits auch mehr. Das ist eine positive Entwicklung, die für die Formel 1 ganz wichtig war."

Jean Todt: "Wir müssen uns immer vor Augen führen, dass die veröffentlichten Regeln für 2008 das Ziel verfolgen, die Kosten drastisch zu reduzieren. Die FIA-Regeln, die im Moment gelten, sind die Antwort auf diese Überlegung. In der Zwischenzeit gab es einige Meetings - eines mit einem konkreten Ausgang in Maranello. Wir unterstützen das Maranello-Abkommen, welches etwas mehr Geld kosten würde als die aktuellen FIA-Regeln. Dann gibt es noch den Monaco-Vorschlag. In den kommenden Tagen wird sich herausstellen, welchen Weg wir einschlagen werden. Am 6. Juli tagt in Paris die Formel-1-Kommission - und wir haben ja noch einen anderen wichtigen Punkt, nämlich die Regeln für 2007. Wie gesagt diskutieren wir momentan über die Regeln für 2008, aber es würde keinen Sinn machen, die Motoren 2007 voll weiterzuentwickeln und dann 2008 zum Stand von 2006 zurückzukehren. Ich hoffe, dass wir eine Lösung erreichen werden."

Hersteller bestehen auf einem Rennen in den USA

Frage: "Bernie Ecclestone hat gesagt, dass die Formel 1 nicht auf Amerika angewiesen ist. Wie steht ihr zum Grand Prix der USA?"

Fry: "Ich hakte es für wichtig, ein Rennen in Amerika zu haben, und ich würde mir mehr als eines wünschen. Ich fürchte, da können wir Bernie nicht zustimmen..."

"Die USA sind weltweit das einzige Land, in dem die Formel 1 im Motorsport keine dominante Rolle einnimmt." Mario Theissen

Theissen: "Das Rennen ist wichtig für die Hersteller. Amerika oder die USA sind weltweit das einzige Land, in dem die Formel 1 im Motorsport keine dominante Rolle einnimmt, und ich finde, dass wir es nicht aufgeben sollten, da eines Tages hinzukommen. Indianapolis war in den vergangenen Jahren immer das bestbesuchte Rennen des Jahres. Es ist sicherlich wichtig, das Rennen beizubehalten - oder vielleicht sogar ein zweites nachzulegen."

Todt: "Wir mögen das Rennen in den Vereinigten Staaten. Die USA sind ja der größte Markt für Ferrari - wir verkaufen ein Drittel unserer Autos in diesem Land, daher ist es für die Präsenz von Ferrari und der Formel 1 wichtig, dort zu fahren."

Haug: "Wir sind offiziell ein deutsch-amerikanisches Unternehmen. Wenn ich könnte, würde ich mir mindestens zwei Rennen in Amerika wünschen. Ich würde mich auch über ein amerikanisches Team freuen, wenn wir zum Beispiel jemanden wie Roger Penske dazu ermutigen könnten. Es wäre auch toll, ein kanadisches Team zu haben, aber man muss das strategisch sehen. Zu den Aussagen von Bernie: Ich kenne Bernie anders. Vielleicht waren seine Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen. Ich bin in die Diskussion nicht involviert, aber meines Wissens war er die treibende Kraft dahinter, überhaupt wieder in die USA zurückzukehren. Ohne ihn wären wir nicht in Indianapolis, und man muss sich ja nur anschauen, was für ein Erfolg das Rennen 2000 war."

"Das Vorjahr war klarerweise alles andere als ideal, aber wir haben nächste Woche eine neue Chance. Ich bin sicher, dass wir ein gutes Rennen liefern werden. Die Rennen dort sind meistens sehr interessant. Für Mercedes-Benz ist Indianapolis eine wichtige Veranstaltung, ebenso wie für Chrysler, denn wir produzieren dort drüben eine Menge Autos. Natürlich wollen wir Amerika unterstützen. Ich finde, dass wir Amerika mit der Formel 1 in Zukunft noch stärker erobern sollten, und langfristig wünsche ich mir ein amerikanisches Team mit amerikanischen Fahrern und einem amerikanischen Motorenhersteller. Das wäre großartig."

Reifenmonopol macht den Teams keine Sorgen

Frage: "Nächstes Jahr wird es nur noch einen Reifenhersteller geben. Fordern die Michelin-Teams eine Veränderung der Reifenkonstruktion, um die Voraussetzungen für alle anzugleichen?"

Theissen: "Wie ich die Regeln verstehe, wird es nächstes Jahr gleich sein, daher erwarte ich reifenseitig keine großen Unterschiede. Wir können für nächstes Jahr sicher keine Regeländerung fordern, aber ich bin sicher, dass der nächstjährige Reifenhersteller alle Teams gleich behandeln wird. Es gibt ja keinen Anreiz, ein Team zu bevorzugen, weil ohnehin alle Teams vom gleichen Lieferanten ausgestattet werden sollen. Sie werden auf jeden Fall alle Rennen gewinnen und könnten nur ihrer Reputation schaden, indem sie ein Gerücht aufkommen lassen, dass ein Team besser behandelt wird als ein anderes. Daher mache ich mir keine Sorgen."

"Wir hören, dass die aktuellen Bridgestone-Reifen in der Herstellung sehr komplex sind." Nick Fry

Fry: "Wir sehen das genauso. Wir hören, dass die aktuellen Bridgestone-Reifen in der Herstellung sehr komplex sind, daher wird sich der Prozess für nächstes Jahr vielleicht sowieso ändern. Das würde das Design des Reifens verändern und die Voraussetzungen automatisch angleichen. Da bin ich bei Mario. Wir erwarten vom jeweiligen Reifenhersteller, dass alle Teams gleich behandelt werden. Wir sind nicht besorgt."

Haug: "Auch wir machen uns keine Sorgen, denn ich kenne Bridgestone als faire Mitbewerber. Wie Mario und Nick richtig sagen, wird es gleiche Voraussetzungen geben. Natürlich könnten die bestehenden Bridgestone-Teams einen kleinen Vorteil haben, aber es gibt ja genug Zeit zum Testen. Das ist ein Lernprozess. Wir haben 1998 unsere erste Weltmeisterschaft auf Bridgestone gewonnen, kennen sie als gute Partner. Es wäre dumm von ihnen, ein Team zu bevorzugen. Sie sind fair, daher sehe ich für alle gleiche Chancen."