• 28.09.2008 12:36

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Singapur bei Nacht: Reine Energieverschwendung?

Ron Dennis und Norbert Haug sehen das anders: "Das ist ein großer Schritt in der Geschichte des Grand-Prix-Sports"

(Motorsport-Total.com) - In einer Zeit, in der Klimaschutz und Energieeffizienz weltweit Zukunftsthemen sind, kommt die Formel 1 auf die Idee, eine der reichsten Finanzmetropolen der Welt mit 1.500 Halogenlampen künstlich zu beleuchten, um bei Nacht einen Grand Prix zu fahren. Tolles Spektakel, sagen die einen, energiepolitischer Wahnsinn, kritisieren die anderen.

Titel-Bild zur News: Timo Glock

Umweltschützer fragen: Muss die Formel 1 unbedingt bei Nacht fahren?

Doch auch wenn es stimmen mag, dass ein Flutlichtrennen in einer Zeit wie der unseren ein falsches Signal an die Gesellschaft sendet, die dazu angehalten ist, selbst im Alltag Energie zu sparen, so ist es auch wahr, dass die Formel 1 gemessen am globalen Energieverbrauch ein minimaler Faktor ist. "Fußballstadien weltweit benötigen weit mehr Energie als wir hier", rückt etwa Mercedes-Sportchef Norbert Haug die Verhältnisse zurecht.#w1#

Formel 1 bereitet vielen Menschen Freude

"Die Menschen arbeiten hart, aber sie haben auch ein Recht auf Unterhaltung", argumentiert der Deutsche. "Und Singapur geht mit diesem Thema sehr verantwortungsbewusst um. Es ist ein tolles Statement, wenn eine saubere Stadt wie Singapur ein Formel-1-Rennen austrägt. Es ist sehr wichtig, auf die Umwelt zu achten, aber inmitten der Umwelt sind wir, die Menschen. Viele Menschen weltweit haben durch dieses Rennen Spaß und kommen auf ihre Kosten."

McLaren-Teamchef Ron Dennis sieht das Thema aus einem ähnlichen Blickwinkel und verweist darauf, dass die Industrie, die Luftfahrt und Tiere wesentlich mehr CO2 erzeugen als der Straßenverkehr oder die Formel 1. "Harmonie und Balance" seien die Schlagworte, unter denen man den Umweltschutz sehen müsse - aber Umweltschutz bedeute nicht, dass der Mensch auf all seine Freuden verzichten muss.

Ron Dennis

Ron Dennis ist ein großer Fan des neuen Stadtrennens in Singapur Zoom

"Wir alle wünschen uns eine bessere Welt für unsere Kinder, aber es gibt auch Dinge, die den Menschen viel Freude bereiten und dabei global gesehen verhältnismäßig wenig Energie verbrauchen. Ja, wir verwenden Elektrizität, um die Strecke zu beleuchten, aber man könnte auch sagen: Viele Millionen TV-Zuschauer fahren während des Rennens nicht mit dem Auto, sondern sitzen vor dem Fernsehgerät und sparen damit Benzin", so Dennis.

Spektakuläre TV-Bilder

Aus motorsportlicher Sicht ist Singapur freilich ein rundum gelungener Event: "Ich habe schon viele Anrufe von Freunden aus Deutschland bekommen, die alle sagen, dass die TV-Bilder unglaublich sind", sagt Haug. Dennis sieht das ähnlich und glaubt, dass Rennen in großen Städten die Zukunft der Formel 1 sind: "Singapur und auch Valencia könnten einen neuen Trend setzen. Das ist ein großer Schritt in der Geschichte des Grand-Prix-Sports."

"Der einzige Negativkommentar, den ich gehört habe, betraf die Bodenwellen, aber darauf kann man sich einstellen und man kann es für nächstes Jahr besser machen", fügt der McLaren-Teamchef an. In puncto Beleuchtung habe er nichts zu kritisieren: "Wenn du am Kommandostand sitzt, vergisst du ganz einfach darauf, dass schon Nacht ist." 3.000 Lux bedeuten viermal so viel Helligkeit wie in einem großen Fußballstadion.

Stadt kommt bei Nacht noch schöner rüber

Die Atmosphäre sei sowieso einzigartig: "Die meisten Hotels und sonstigen Gebäude sehen bei Nacht schöner aus, weil sie wundervoll beleuchtet sind. Das gilt für die ganze Stadt. Die Art und Weise, wie sie es geschafft haben, die Atmosphäre von Singapur in die TV-Bilder zu transportieren, verdient Anerkennung. Singapur wird damit auf einen Schlag von einer Durchreisestadt zu einem eigenständigen Reiseziel", findet Dennis.


Fotos: Großer Preis von Singapur


In der Tat stand selten eine Stadt weltweit so intensiv in den Schlagzeilen, wie das momentan mit Singapur der Fall ist. Die südostasiatische Finanzmetropole präsentiert sich an diesem Wochenende von ihrer besten Seite - und nicht nur als Banker könnte man angesichts der wunderschönen TV-Bilder auf die Idee kommen, demnächst mal einen Abstecher nach Singapur zu machen. Die Bilder von der Skyline gehen derzeit werbewirksam um die Welt.

"Das ist die beste Werbekampagne für eine Stadt, die es überhaupt geben kann", betont Haug und fügt an: "Es kostet viel Geld, ja, aber es ist ein großartiges Investment für die Stadt. Und es ist ein Highlight für die Formel 1." Und Kollege Dennis zeigte sich nach einem Gespräch mit dem Staatspräsidenten begeistert von dessen Einstellung zum Grand Prix: "Es gibt nichts, was sie nicht durchdacht haben..."