• 27.05.2010 20:37

  • von Dieter Rencken

Senna: "Überall am Auto ist noch etwas zu holen"

HRT-Pilot Bruno Senna über die Situation des Hispania-Teams, anstehende Verbesserungen, den Aufbau des Rennstalls und technische Probleme

(Motorsport-Total.com) - Für Bruno Senna sind die ersten Saisonrennen interessante Erfahrungen und Geduldsspiele zugleich: Beim spanischen HRT-Team läuft noch immer nicht alles rund, doch langsam aber sicher stellt sich bei den Formel-1-Neulingen eine gewisse Routine ein. In seiner Medienrunde vor dem Großen Preis der Türkei spricht der brasilianische Rennfahrer über die Atmosphäre im Team und die Pläne für die kommenden Wochen. Noch betreibt HRT allerdings eine Politik der kleinen Formel-1-Schritte.

Titel-Bild zur News: Bruno Senna

Bruno Senna ist ganz entspannt: Bei HRT laufen die Fäden immer besser zusammen

Frage: "Bruno, wenn du an die Türkei denkst, geht dir dann in erster Linie der Zwischenfall mit dem Hund durch den Kopf?"
Bruno Senna: "Daran erinnert man mich witzigerweise in jedem Interview (lacht; Anm. d. Red.). Aber ja: Daran denke ich ganz automatisch. Wenn ich allerdings erst einmal im Auto sitze, spielt das keine Rolle mehr für mich. Da bin ich wie jeder andere auch."#w1#

Frage: "Wie gehst du dieses Wochenende an? Was ist drin für dich uns das Team?"
Senna: "Ich gehe davon aus, dass wir es an diesem Wochenende etwas weniger schwer haben werden, als noch in Monaco. Hier ist alles etwas einfacher für uns. Wir haben nur mehr Ersatzteile und alles nimmt langsam aber sicher bessere Formen an. Dennoch wird es wohl ziemlich hart. Wir haben keine Updates dabei, wohingegen Virgin nun zwei neue Fahrzeuge einsetzen wird."

"Wir haben noch immer ein Problem mit der Stabilität. Ich rechne daher damit, dass solche Abschnitte wie Kurve acht zum Problem für uns werden könnten. Wir müssen an diesem Wochenende also sehr hart arbeiten, um die Lücke zu den anderen Teams nicht anwachsen zu lassen. Hoffentlich können wir für die folgenden Rennen dann wieder kleinere Verbesserungen ins Auge fassen."

"Wir haben noch immer ein Problem mit der Stabilität." Bruno Senna

Frage: "Dein Teamchef Colin Kolles meinte, dass dieses Wochenende eine Art Wendepunkt für HRT darstellen könnte, weil nun die Entwicklung komplett in euren Händen liegt..."
Senna: "So ist es. Das Projekt wird nun von uns alleine vorangetrieben. Bislang wurden alle Probleme auf diese oder jene Weise gelöst, doch jetzt haben wir die nötigen Werkzeuge, um wirklich am Auto zu arbeiten."

"Hoffentlich bekommen wir nun auch einige Leistungsverbesserungen auf die Reihe. Wir haben bereits ein Entwicklungsprogramm am Start und erhoffen uns kleine Updates davon. Sobald die Arbeit mit dem Windkanal voranschreitet, wollen wir bald auch eine größere Verbesserung an die Strecke bringen."

Neue Ansätze bei der Entwicklung

Frage: "Wie ist es um die Aufhängung des Rennwagens bestellt?"
Senna: "Die Aufhängung an der Vorderachse ist auch etwas, das wir überarbeiten müssen. Dort ist auch etwas Leistung zu holen, aber so riesig ist dieser Bereich nun auch wieder nicht."

"Unser Fokus liegt zunächst auf den größeren Schritten. Anschließend kümmern wir uns um die kleineren Schritte. Sicher ist nur: Überall am Auto ist noch etwas zu holen. Solange wir Geld haben, um uns darum zu kümmern, werden wir das auch tun."

Frage: "Ist es positiv für das Team, dass ihr nun selbst für die Entwicklung des Autos verantwortlich zeichnet? Geoff Willis soll eine wichtige Rolle dabei spielen..."
Senna: "Du kannst dir viel Zeit sparen, wenn du talentierte Leute an Bord hast. Geoff ist wohlbekannt und er ist auch dazu in der Lage, den Job zu machen. Meiner Meinung nach ist es klasse, wenn du Kontinuität hast und stets nur nach vorne schaust."

"Du kannst dir viel Zeit sparen, wenn du talentierte Leute an Bord hast." Bruno Senna

"Für uns ist es aber besser, für kurze Zeit eben keine Kontinuität zu haben, wie ich finde. Wir wollen Fortschritte machen und nicht für längere Zeit an einem Ort festsitzen. Sollten wir also unter dieser Entscheidung leiden müssen, so wird sich das gewiss auf ein Rennen beschränken. Ich glaube aber nicht, dass es soweit kommen wird."

Frage: "Wann werdet ihr das überarbeitete Fahrzeug bekommen? Wird es schon in Valencia soweit sein?"
Senna: "Wenn alles richtig gut läuft, werden wir in Silverstone ein größeres Paket erhalten. Viel realistischer ist meiner Meinung nach aber, dass wir es im letzten Rennen vor der Sommerpause bekommen. Das wäre Deutschland."¿pbvin|512|2762|istanbul|0|1pb¿

HRT: Spanische Internationalität

Frage: "Vieles an diesem Team ist spanisch - nicht nur die Herkunft des Rennstalls. Hast du bereits ein Gefühl dafür entwickelt?"
Senna: "Ich denke, bevor die großen Veränderungen stattgefunden haben, war das Team sogar noch viel mehr spanisch orientiert."

"Natürlich ist der Rennstall aber noch immer sehr spanisch angehaucht. Die meisten Angestellten im technischen Bereich sind Spanier. Alles im Team hat eine gewisse spanische Note an sich. Unterm Strich ist das Team aber doch international aufgestellt. Die Fahrer kommen aus ganz unterschiedlichen Orten, genauso wie die Mechaniker. Wir haben also eine gesunde Mischung."

"Alles im Team hat eine gewisse spanische Note an sich." Bruno Senna

"Abgesehen davon spielt es letztendlich ohnehin keine Rolle, wo das Team herkommt. Natürlich ist ein kultureller Hintergrund sehr wichtig. Noch viel bedeutender ist meiner Meinung nach aber, dass sämtliche Nationalitäten im Team prima zusammen arbeiten. Es sollte nicht so sein, dass die Spanier, die Deutschen und die Brasilianer jeweils ihr eigenes Süppchen kochen. Es ist Teamwork."

Frage: "Sprichst du Spanisch?"
Senna: "Ja. Nicht fließend, aber für Interviews reicht es beinahe."

Frage: "Unterhältst du dich teamintern auf Spanisch?"
Senna: "Nein. Nur, wenn es nichts Geschäftliches ist. Ansonsten ist Englisch angesagt."

Senna lebt sich langsam aber sicher ein

Frage: "Wie zufrieden bist du mit deinem Formel-1-Einstand? Wie lauten deine bisherigen Eindrücke?"
Senna: "Seit dem Saisonstart konnten wir uns Schritt für Schritt verbessern. Abgesehen von Barcelona, wo wir ein Problem am Auto haben, konnte ich mich jedes Mal steigern. Wir können aber noch einige Fortschritte machen, zum Beispiel im Hinblick auf die Routine."

"Damit tut man sich schwer, wenn man eine Weile nicht am Ball war. Aber das wird schon. Ich denke, in ein paar Rennen bin ich wieder ganz der Alte. Das ist ermutigend, denn alle Puzzleteile passen zusammen. Das ist nicht gerade einfach zu bewerkstelligen."

"Ich denke, in ein paar Rennen bin ich wieder ganz der Alte." Bruno Senna

Frage: "Fühlst du dich nun schon etwas wohler im Auto? Musst du noch etwas aufholen?"
Senna: "Ja. Das Gefühl für die Reifen, für die Bremsen und für das Limit verliert sich ein bisschen. In der GP2 war ich zum Beispiel immer genau im richtigen Reifenfenster unterwegs. Jetzt liege ich manchmal etwas darunter oder etwas darüber."

"Da entsteht die Geschwindigkeit: Du musst einfach den optimalen Punkt erwischen. Zu 75 bis 80 Prozent der Zeit, so würde ich sagen, bin ich in Bezug auf die Reifen am Limit unterwegs. Ich kann aber durchaus einen Wert von 95 Prozent erreichen. Nur durch Fahrpraxis kann ich dieses Ziel umsetzen. Ich brauche einfach mehr Kilometer."


Fotos: Bruno Senna, Großer Preis von Monaco


Der Unterboden ist wieder okay

Frage: "Bist du noch mit einem schadhaften Auto unterwegs?"
Senna: "Nein. Vor dem Rennen in Monaco haben wir den Unterboden ausgetauscht. Das hat uns eine Menge Abtrieb beschert. In Barcelona und in den Trainings von Monte Carlo war das recht abenteuerlich."

"Der kaputte Unterboden wurde nun aber ersetzt und das Auto befindet sich wieder in normalem Zustand. Die Spezifikation des Unterbodens hat sich nicht verändert, es ist eben nur ein anderes Bauteil. Vielleicht hat beim anderen Element die Qualität nicht gepasst."

"Vielleicht hat beim anderen Element die Qualität nicht gepasst." Bruno Senna

Frage: "In Bezug auf den Renntrimm seid ihr nicht allzu weit weg von Virgin. Gibt es da einen bestimmten Bereich, in dem ihr auf die Konkurrenz verliert?"
Senna: "Ich denke, wir verlieren im Bereich der Traktion recht viel Zeit - im Hinblick auf jedes andere Auto. Wir haben noch kein optimales Aufhängungsdesign gefunden. Das stellt uns bei der Kraftübertragung vor einige ernsthafte Probleme."

"Wenn du bei einem Formel-1-Auto Schwierigkeiten mit der Traktion hast, bekommst du eben kaum eine gute Rundenzeit zustande. Jedes Mal, wenn du aufs Gas steigst, nimmst du die Hinterreifen zu hart ran. Wir sind dran, brauchen aber einige Updates, um das Fahrzeug in dieser Hinsicht auszusortieren."

Noch gibt es diverse Großbaustellen

Frage: "In Monaco gab es Probleme mit der Hydraulik. Habt ihr dieses Thema in den Griff bekommen oder ist das eine größere Baustelle? Wird es wieder auftreten?"
Senna: "Leider treten diese Hydraulikprobleme gelegentlich wieder auf. Oftmals handelt es sich dabei um die gleichen Schwierigkeiten. In Monaco war es etwas, auf das wir schon davor gestoßen waren."

"Es ist natürlich frustrierend, wenn man ein Rennen nicht beenden kann - zumal es unser bisher bestes hätte werden können. Aber was kannst du da schon groß machen? Auch solche Dinge brauchst du, um dich zu entwickeln. Nur wenn wir uns mit der Materie auseinander setzen, können wir ein System bauen, das auch zuverlässig ist."

"Es ist natürlich frustrierend, wenn man ein Rennen nicht beenden kann." Bruno Senna

Frage: "Liegt das im Verantwortungsbereich des Teams? Zeichnet nicht Xtrac für diese Sache verantwortlich?"
Senna: "Das Team kann sich nicht um alles selbst kümmern. Wir müssen aber alle an einem Strang ziehen. Wir sollten eine gute Arbeitsbeziehung pflegen, statt mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Dadurch hast du keinen Vorteil. Wichtig ist die Zusammenarbeit."

"Wir werden einige Arbeit auf dem Prüfstand verrichten, um die Konfiguration von Motor und Getriebe zu verbessern. Nur so kannst du das meiste daraus herausholen. Das geht Schritt für Schritt. Wie ich schon sagte: Wir haben nicht den ganzen Keller voller Geld. Wir können also nicht von heute auf morgen reagieren. Das braucht schon seine Zeit."