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  • 27.05.2010 15:10

  • von Michael Noir Trawniczek

Klien: "Ich sehe noch Potenzial"

Testfahrer Christian Klien über seinen Einstand beim Hispania-Rennstall, die Aufgabenliste des neuen Teams und seine Chancen auf ein Stammcockpit

(Motorsport-Total.com) - Abgeschrieben wurde er oft. Nach der Trennung von Red Bull sahen manche das Ende seiner Formel-1-Karriere. Kein Wunder: Jene, die aus dem wohltemperierten Nest des Energy-Drink-Herstellers flogen, taten sich allesamt schwer, nach dem harten Aufprall wieder Fuß zu fassen. Doch nur wenige Monate nach seinem bislang letzten Grand Prix in Monza 2006 saß Christian Klien bereits wieder in einem - pechschwarzen - Formel 1-Boliden: Honda nahm den 46-maligen Grand-Prix-Teilnehmer als Testpilot unter Vertrag.

Titel-Bild zur News: Christian Klien

Christian Klien ist seit wenigen Wochen beim neuen Hispania-Team engagiert

Der erhoffte Aufstieg zum Stammfahrer kam nicht - als Klien den Kampf um ein Stammcockpit für 2008 bei Force India gegen Giancarlo Fisichella verlor, sahen manche erneut das Ende seiner Formel-1-Karriere. Im Februar 2008 wurden sie erneut eines Besseren belehrt: Klien nahm auf der Ersatzbank des BMW Sauber F1 Teams Platz. "Nebenbei" etablierte sich der Österreicher in der Langstrecken-Szene, als Peugeot-Werkspilot gewann er die 1.000 Kilometer von Spa und wurde Dritter bei den 24 Stunden von Le Mans.#w1#

Das BMW Sauber F1 Team engagierte Klien auch für 2009 - für 2010 hatte er bereits die Zusicherung auf das ersehnte Grand-Prix-Comeback. Dann zog BMW allerdings den Stecker und Klien einmal mehr den Kürzeren. Doch Klien und sein Vater Johannes blieben am Ball und verhandelten mit Renault um einen Stammplatz für 2010. Diesen angelte sich aber Vitaly Petrov mit seinen russischen Millionen.

"CK" ließ nicht locker, eine Kooperation mit Roman Rummenigge als Manager trug alsbald Früchte: Klien wurde vom Hispania-Rennstall als Test- und Ersatzpilot engagiert. Im ersten Freien Training zum Spanien-Rennen gab Klien sein Comeback in einer offiziellen Formel-1-Session und sorgte prompt für erstaunte Gesichter, als er den mit dem Dallara-Cosworth bereits vertrauten Bruno Senna um satte fünf Zehntelsekunden abhängen konnte. Jetzt kämpft Klien weiter um ein Stammcockpit.

Im Interview spricht der 27-Jährige über seinen Job bei HRT, seine Chancen auf ein Grand-Prix-Comeback und seinen nächsten Einsatz im ersten Freien Training beim Großen Preis von Europa 2010.


Fotos: Christian Klien, Großer Preis von Spanien


Klien und Senna: Der direkte Vergleich

Frage: "Christian, wie kam es, dass du bei deinem ersten Trainingseinsatz für HRT gleich deutlich schneller warst als dein Teamkollege, der das Auto bereits gut kennt?"
Christian Klien: "Es war auch für mich überraschend, dass ich auf Anhieb so viel schneller war. Das war von meiner Seite aus überhaupt nicht zu erhoffen. Erstens muss man erst einmal das Auto kennen lernen und herausfinden, wo das Limit des Fahrzeugs liegt. Zudem sind schlechte Wagen im Grenzbereich nicht gar so einfach zu beherrschen."

"Ich glaube, es war sehr wichtig für mich, dass ich in den vergangenen beiden Jahren immer wieder im Peugeot fahren konnte und dass ich dabei viele tausend Kilometer abgespult habe. Somit war ich eigentlich nie wirklich weg vom Rennfahren. Ich war sozusagen die ganze Zeit über rennfit. Das hat mir bei meinem Einsatz in Barcelona sicher weitergeholfen."

"Ich war sozusagen die ganze Zeit über rennfit." Christian Klien

Frage: "Waren die Autos von dir und Bruno Senna mit ähnlichen Spritmengen unterwegs?"
Klien: "Die Autos von Senna und mir waren identisch betankt, auch das Setup war identisch - weil man ja den direkten Vergleich sehen wollte. Es ging um die Frage: Was sagen die beiden Fahrer über die Autos?"

"Natürlich kam dann noch mein Feedback dazu, nachdem ich zum ersten Mal mit diesem Auto in diesem Team gefahren bin. Ich kenne mittlerweile doch einige der anderen Teams und konnte auch schon mit sehr guten Autos Erfahrungen sammeln. Um hier einen direkten Vergleich anstellen zu können, sind wir mit identischen Spritmengen und auch einem identischen Setup gefahren."

"Wir sind mit identischen Spritmengen und mit identischem Setup gefahren." Christian Klien

Frage: "Wie hat es Senna aufgenommen, dass du auf Anhieb fünf Zehntel schneller warst als er?"
Klien: "Da muss man ihn schon selbst fragen. Ich habe mit ihm nicht über dieses Thema gesprochen. Für mich war es wichtig, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Und meine Aufgabe bestand an diesem Wochenende darin, dem Team so viel Feedback wie möglich zu geben und den Ingenieuren mitzuteilen, was ich von diesem Auto halte - im Vergleich zum BMW Sauber F1 Fahrzeug beispielsweise, das ja ein Topauto war. Es ging darum, wo man am besten anpacken muss, um dieses Auto zu verbessern."

Was sind die nächsten Schritte für HRT?

Frage: "Wäre ein kompletter Neubau nicht die beste Lösung?"
Klien: "Es ist klar, dass man mit diesem Auto nicht gewinnen kann. Aber die Saison ist noch lang und daher gilt es, das Fahrzeug zu optimieren. Das Team ist sehr bemüht, das Auto schneller zu machen. Dafür leistet das gesamte Hispania-Team harte Arbeit.

"Okay, man hat mit diesem Rennwagen nicht unbedingt die beste Basis. Ich denke aber, dass man noch eine halbe bis eine ganze Sekunde aus diesem Auto herausholen kann, ohne viele neue Teile ans Fahrzeug zu schrauben. Dann wäre man beinahe auf Augenhöhe mit Virgin."

"Okay, man hat mit diesem Rennwagen nicht unbedingt die beste Basis." Christian Klien

Frage: "Wobei sich Virgin sicherlich auch noch steigern wird..."
Klien: "Definitiv, ja. Aber man kann jetzt nicht einfach das Auto so lassen, wie es ist. Das ist auch nicht die Intention des Teams. Wir wollen das Fahrzeug so gut wie möglich - mit wenig Geld - weiterbringen. Und wie gesagt: Da sehe ich noch Potenzial, wenngleich es begrenzt ist. Ziel ist es, mit den neuen Teams Lotus und Virgin mitzufahren."

Frage: "Seit der Trennung von Red Bull hat man dich des Öfteren abgeschrieben, doch du hast dennoch immer wieder ein Cockpit in der Formel 1 gefunden - zumindest als Test- und Ersatzpilot. War dir vor diesem Freitagseinsatz bei HRT bewusst, dass davon sehr viel abhängen könnte? Es hätte ja auch anders ausgehen können..."
Klien: "Es war natürlich klar, dass die Zeiten, die man fährt, auch angeschaut werden. Aber im Team hat keiner erwartet, dass ich auf Anhieb schneller als der Einsatzpilot bin, der schon fünf Wochenenden mit diesem Auto bestritten hat."

"Die Erwartungshaltung war eher, erst einmal das Auto kennen zu lernen und den Ingenieuren möglichst viel Feedback zu liefern. Die anderen beiden Fahrer weisen einiges an Rennsport-Erfahrung auf und es sind auch zwei wirklich sehr gute Fahrer - aber ich merke es an mir selbst: Dass man nach sechs bis sieben Jahren in der Formel 1, wenn man bei verschiedenen Teams mit unterschiedlichen Autos gefahren ist, einfach deutlich mehr an Erfahrung hat."

"Die Erwartungshaltung war eher, erst einmal das Auto kennen zu lernen." Christian Klien

"Es geht darum, sofort zu erkennen, ob es bei diesem Auto und bei der Art und Weise, wie es konstruiert ist, einen Fehler gibt. Und es reicht oft nicht, dass man einfach nur das Problem erkennt. Man muss die Ingenieure auch in die richtige Richtung weisen. Und dann überlegt man gemeinsam, wie man das Problem schnellstmöglich beheben kann."

Spagat zwischen Langstrecke und Formel 1

Frage: "Damit verweist du auf Formel-1-spezifische Schwierigkeiten, die man in der GP2 oder der Formel 3 nicht kennt, richtig?"
Klien: "Genau. Das fängt bei der Gewichtsverteilung an und es dreht sich nicht nur um das Setup des Fahrzeugs. Die meisten Fahrer können das natürlich einstellen. Wie sich ein Formel-1-Auto vom Prinzip her auf der Strecke verhalten muss, weiß man aber nur, wenn man in der Formel 1 auch schon mit Topautos gefahren ist."

Frage: "Am Jahresanfang musstest du dich zwischen der Formel 1 und dem Langstrecken-Sport entscheiden. Läuft man da nicht automatisch Gefahr, zwischen den Stühlen zu landen?"
Klien: "In Bezug auf Le Mans habe ich Mitte Februar eine Entscheidung getroffen, weil ich zu diesem Zeitpunkt nichts in der Formel 1 an der Hand hatte. Und irgendwo musst du in diesem Jahr ja fahren. Sicher: Bei Peugeot war es so, dass ich schon im Januar als Einsatzpilot hätte unterschreiben können."

"Irgendwo musst du in diesem Jahr fahren." Christian Klien

"Es ist halt nicht so, dass viele Le-Mans-Einsatzpiloten zugleich noch in der Formel 1 tätig sind. Aus diesem Grund habe ich bei Peugeot einen Ersatzfahrervertrag unterschrieben. Dadurch war es möglich, weiterhin zu schauen, was in der Formel 1 möglich ist. Nur so konnte ich nach wie vor mit Formel-1-Teams verhandeln."

"Ich war mir ziemlich sicher, dass sich in der Formel 1 auch während der Saison noch einiges tun würde. Von daher lagen wir richtig, denn jetzt bin ich jetzt wieder bei einem Team, was sehr wichtig ist."

"Ich war mir sicher, dass sich in der Formel 1 auch während der Saison noch einiges tun würde." Christian Klien

Frage: "Und was sagt dir dein Gefühl? Wirst du in diesem Jahr noch Formel-1-Rennen fahren?"
Klien: "Wenn man in ein Team kommt, ist das Ziel immer, dass man sich nicht mit dem Job als Test- und Ersatzfahrer zufrieden gibt. Natürlich arbeite ich sehr hart daran und werde im Team alles versuchen, um ins Renncockpit zu gelangen."

"Die Freitagstests zu bekommen, war ein kleiner, aber sehr wichtiger Schritt. Alles andere wird das Team entscheiden. Ich kann nur mein Bestes geben, meine Leistung erbringen und gut mit dem Team zusammen arbeiten. Danach bleibt es dem Team überlassen, welche Entscheidungen sie treffen."

Klien: Trainingscomeback in Valencia

Frage: "Du wirst erst wieder beim Europa-Grand-Prix in Valencia im Auto sitzen und ein Freies Training bestreiten. Trifft das zu?"
Klien: "In Montréal kann ich nicht dabei sein, weil ich als Peugeot-Ersatzpilot bei den 24 Stunden von Le Mans vor Ort sein muss. Die nächste Möglichkeit ist also Valencia."

Frage: "Und dieser Kurs ist dir noch nicht bekannt..."
Klien: "Ja, dort bin ich noch nie gefahren. Das ist komplettes Neuland für mich."

"Das ist komplettes Neuland für mich." Christian Klien

Frage: "Kannst du den Ingenieuren auf einer für dich neuen Strecke trotzdem ein aussagekräftiges Feedback geben?"
Klien: "Normalerweise fiel es mir immer recht leicht, eine neue Strecke kennen zu lernen. Von daher denke ich schon, dass es möglich ist. Es dauert schon etwa zehn Runden, bis man die Strecke einigermaßen intus hat und ans Limit gehen kann. Aber danach kannst du das Auto am Limit bewegen und auch ein Feedback geben. Das sollte überhaupt kein Problem darstellen."

Frage: "Über einen Simulator verfügt HRT vermutlich nicht..."
Klien: "Nein, so etwas gibt es nicht bei HRT."

Frage: "Wirst du die Rennstrecke von Valencia also erst einmal auf der Spielkonsole einüben?"
Klien: "Ja, das werde ich jetzt zum ersten Mal tun (lacht; Anm. d. Red.). Davor habe ich das noch nie gemacht. Aber du bist ja dann auch ein bis zwei Tage vorher dort und fährst mit dem Fahrrad oder dem Moped um die Strecke und da kannst du dir den Kurs schon relativ gut einprägen."

"Das sollte überhaupt kein Problem darstellen." Christian Klien

Frage: "Auch in diesem Jahr lautet das Le-Mans-Duell Peugeot gegen Audi, wobei Letztere 2010 auf ein neues Fahrzeug setzen. Wie stehen deiner Meinung nach die Chancen auf einen neuerlichen Peugeot-Sieg?"
Klien: "Ich glaube, dass es in diesem Jahr extrem eng wird. Ich habe nach dem Rennen in Spa-Francorchamps mit Tom Kristensen gesprochen. In Belgien lagen die Autos nämlich unheimlich nahe beisammen."

"Ich glaube, dass Peugeot und Audi in diesem Jahr auf einem Niveau agieren werden. Das heißt: Man darf sich keinen Fehler und keine technischen Defekte leisten. Prinzipiell denke ich, dass Peugeot nicht mehr so überlegen ist. Und dass es eben extrem eng wird. Es wird auf jeden Fall unglaublich spannend."