• 06.09.2001 17:56

  • von Fabian Hust

Schwitzen für die Stars - Alltag eines Formel-1-Mechanikers

Ein interessanter Blick hinter die Kulissen: Die anstrengende Arbeit der Formel-1-Mechaniker

(Motorsport-Total.com) - Hinter einem erfolgreichen Mann steht meistens auch eine erfolgreiche Frau - diese alte Weisheit lässt sich auch auf die Formel 1 übertragen, auch wenn hier in erster Linie die Mechanikermannschaft gemeint ist, ohne die kein Formel-1-Auto fahren würde. Wenn Piloten in ihre Boliden steigen, um ein Millionenpublikum zu unterhalten, dann haben Fahrer und Fans dies den Mechanikern zu verdanken, die still und abseits des Medieninteresses ihrer harten Arbeit nachgehen. Grund genug für F1Total.com, einmal hinter die Kulissen zu schauen. Zusammen mit Arrows-Mechaniker Greg Baker wollen wir Ihnen Einblicke in die Arbeit eines Formel-1-Mechanikers geben.

Titel-Bild zur News: Mechaniker

Jeder Griff muss sitzen und das unter größtem Stress

Für Greg Baker war es ein Kindheitstraum gewesen, einer jener Mechaniker zu sein, die an Rennautos arbeiten dürfen und er hat seinen Traum als Nummer-1-Mechaniker am Auto von Arrows-Pilot Jos Verstappen in die Realität umsetzen können. Jedes Team hat nur drei Mechaniker dieser Hierarchiestufe und so ist Baker einer von 33 erlesenen Nummer-1-Mechanikern, die es in der Königsklasse des Motorsports gibt. Grob gesagt ist der Brite dafür verantwortlich, dass das Setup am Auto von Verstappen dem Wunsch des Fahrers entspricht und dass der Rennwagen funktioniert, wenn die Ampel auf Grün schaltet.

Greg Baker
Im Alter von 17 Jahren begann Baker, seinen Kindheitstraum zu verwirklichen. Er nahm eine fünfjährige Mechanikerlehre auf und arbeitete nebenbei in einer Garage in seiner Heimatstadt Cheshire. Heute ist der Formel-1-Anhänger 34 Jahre alt und hat sich im Laufe seiner Karriere nach oben gearbeitet. 1990 war er zunächst für zwei Jahre in der TWR-Gruppe tätig, die Muttergesellschaft des Arrows-Formel-1-Teams, wo er als Nummer-2-Mechaniker an Jaguar-Gruppe-C-Sportautos schraubte. Während dieser Zeit gewann er den Titel und die 24 Stunden von Le Mans, etwas, auf das er bis heute noch stolz zurückschaut.

1992 dann der Wechsel für zwei Jahre zu Prodrive, es folgte eine Saison bei Schubel Engineering, bevor er 1995 zum Williams Touring-Car-Team stieß. Hier arbeitete er als Nummer-1-Mechaniker am Auto des zweifachen Champions Alain Menu, was für ihn eine Herausforderung darstellte.

Vor vier Jahren gelang ihm dann der erhoffte Durchbruch. Er kehrte zur TWR-Gruppe von Chef Tom Walkinshaw zurück und arbeitete zunächst wie häufig üblich als Mechaniker im Testteam von Arrows. Es folgte Karriere-Stufe zwei, in der er am vorderen Bereich des Autos von Ex-Weltmeister Damon Hill für eine Saison arbeiten durfte. 1998 erfolgte die Beförderung zum Nummer-1-Mechaniker am Auto von Mika Salo, Toranosuke Takagi folgte im Jahr 1999. Seit der Saison 2000 ist er der Nummer-1-Mechaniker am Auto von Jos Verstappen.

Was macht ein Nummer-1-Mechaniker?
Doch was macht ein Nummer-1-Mechaniker genau? Greg Baker ist sozusagen der Chefaufseher des Autos von Jos Verstappen, er beobachtet genau, was am Auto gearbeitet wird, stellt sicher, dass das Setup den Anforderungen des Holländeres genügt und dass jeder der am Auto arbeitenden Mechaniker weiß, was er zu tun hat - die Verantwortung ist also sehr groß. Unterstellt ist Greg Baker Chefrenningenieur Graham Taylor, dem Technischen Direktor des Teams, Mike Coughlan, sowie Chefmechaniker Stuart Cowie, der die Arbeit an beiden Autos überwacht und koordiniert. Der Austausch von Informationen ist zwischen diesen Männern das Erfolgsgeheimnis.

Nach dem Rennen ist vor dem Rennen und so gibt es für Greg Baker kaum eine Verschnaufpause. Am Montagmorgen nach einem Rennen fliegt er zurück in die Heimat, verbringt einige Stunden bei der Familie und muss bereits am Dienstag wieder in der Arrows-Fabrik sein. Dort überwacht er das sogenannte "Stripping" der Autos. Die Boliden werden in sämtliche Einzelteile zerlegt, die anschließend überprüft werden. Fehlerhafte Komponenten müssen ausgetauscht werden; das Chassis wird neu lackiert, um Lackschäden, entstanden zum Beispiel durch kleinste Steinchen, zu beheben.

Bereits am Mittwochmorgen strahlt das Monocoque in neuem Glanz und die Truppe um Greg Baker baut das Auto von Verstappen von Mittwoch bis Donnerstag zusammen, bevor es am Freitag angelassen wird, um sicher zu stellen, dass Motor, Getriebe und Elektronik perfekt arbeiten. Der Formel-1-Renner wird abschließend so gut wie möglich grob auf die Charakteristik der kommenden Rennstrecke abgestimmt, das heißt zum Beispiel weniger oder mehr Flügel. Ermittelt werden die Werte aus vergangenen Testfahrten oder Simulationen auf Prüfständen.

Am Sonntag verlassen die Autos samt Ausrüstung die Fabrik im britischen Leafield, von wo sie bis Mittwoch per LKW an die Rennstrecke transportiert werden. Dort werden alle Teile sauber ausgepackt und gut sortiert aufbewahrt, die Garage des Teams wird eingerichtet - für die Mehrheit dieser Aufgabe ist die Transportcrew verantwortlich. Im Laufe des Tages kommen die Mechaniker an die Strecke, die den Rest der Arbeit übernehmen. Das Rennwochenende beginnt für alle am Donnerstag um 8 Uhr morgens.

Formel-1-Pilot Jos Verstappen verlässt sich an jedem Wochenende auf die Arbeit von Greg Baker: "Greg ist für mein Auto verantwortlich und hält ein Auge auf alles, was passiert. Er nimmt seinen Job sehr ernst, ist sehr gut in dem, was er tut und weiß, wie er das beste aus meiner Crew am Auto herausholen kann. Auch als Person mag ich ihn sehr gerne und ich bin sehr glücklich, dass ich ihm vertrauen kann, dass er mein Auto schnell macht und nach meiner Sicherheit schaut."

Egal ob Fahrer, Teamchef, Mechaniker oder Journalist - alle müssen für die Formel 1 viele Opfer bringen, doch das tut Baker gerne: "Ich liebe es, es ist ein großartiges Leben. Arrows ist ein gutes Team und ich verbringe viel Zeit mit meinen Kameraden im Team, die meine Kollegen aber auch meine Freunde sind. Es kann manchmal stressig werden, wenn die Zeit sehr knapp bemessen ist oder am Ende der Saison, wenn jeder müde wird, aber nicht viele Leute können behaupten, dass sie wirklich lieben, was sie tun. Es ist eine großartige Arbeitsumgebung und es gibt hier großartige Möglichkeiten für aufstrebende Mechaniker. Ich kann es nur empfehlen!"

Tagebuch von Greg Baker - ein typisches Rennwochenende

Donnerstag
Wir steigen früh am Donnerstag aus den Federn! Ich und meine Crew werden alle Veränderungen am Setup des Autos vornehmen, die die Ingenieure als notwendig erachten. Wir werden die Motoren anlaufen lassen, die Getriebe und die Telemetrie checken, um Probleme zu vermeiden. So lange es keine Probleme gibt, können wir die Strecke früh verlassen und ein lokales Restaurant besuchen, aber wir müssen schauen, dass wir ausreichend Schlaf bekommen, denn es geht morgen früh los!

Freitag
Wenn ich früh sage, dann meine ich das ernst! Wir kommen um 7 Uhr morgens an der Strecke an und bereiten uns auf die zwei Trainingssitzungen vor, die von 11 Uhr bis 12 Uhr und von 13 Uhr bis 14 Uhr stattfinden. Wir unterbrechen die Arbeit kurz um 8 Uhr für die wichtigste Mahlzeit des Tages - das Frühstück! Da gibt es dann Würstchen, Eier, Speck und Toast - einfach alles! Die Formel-1-Köche haben einen der wichtigsten und undankbarsten Jobs in der Formel 1 - ohne sie könnten wir "Bolties" nicht arbeiten. Ich sollte das Wort "Boltie" erklären, das ist ein Kosename für Formel-1-Mechaniker. Er bedeutet einfach, dass wir Teile an die Autos schrauben - wir wissen aber alle, dass noch mehr zu tun ist.

Während den Trainings sind Änderungen am Setup unvermeidbar, da Jos und Enrique sagen, was sie über ihr Auto denken und wo man etwas ändern könnte, um die Leistung für das zweite Training zu verbessern.

Nach den Trainings werden die Getriebe entfernt, die Getriebeübersetzungen überprüft, das Hydrauliksystem untersucht, der vordere Teil des Autos auseinandergenommen und neue Bremsen vorne und hinten montiert. Alle drei Boliden werden dann zu den Messanlagen der FIA gebracht, gewogen und sicher gestellt, dass sie den FIA-Regeln genügen. Man hat 15 Minuten pro Auto Zeit und wenn andere Teams vor einem Schlange stehen, kann das eine ganze Weile dauern!

Der Freitag geht normalerweise um 22:30 Uhr zu Ende. Gerade noch genügend Zeit, um für ein schnelles Bier an die Bar zu gehen, lebhaft über die Ereignisse des Tages auf der Strecke zu sprechen und natürlich über den Tratsch abseits der Strecke, bevor es ab ins Bett geht.

Samstag
Wir alle teilen uns in den Hotels Zimmer. Manchmal würde man gerne etwas Privatsphäre haben, aber wir kommen alle ganz gut miteinander aus und es hilft sicherlich morgens, wenn man sich ein Zimmer teilt, sollte man einmal verschlafen haben! Niemand möchte, dass an die Türe geklopft wird und man gesagt bekommt, dass man verschlafen hat und der Rest des Teams wartet!

Um 6:30 Uhr machen wir uns am Samstag auf den Weg, denn die Trainingssitzungen beginnen am Samstag früher, von 9:00 Uhr bis 9:45 Uhr und von 10:15 Uhr bis 11:00 Uhr. Nach einem Frühstück und nach ein wenig nett gemeintem Spott über das Marketingteam - das nie so früh wie wir da ist - nehmen wir das Training mit einer dem gestrigen Tag vergleichbaren Prozedur auf.

Um 11 Uhr bauen wir den Motor und das Getriebe aus und montieren den "Qualifying-Motor" und Getriebe, diese Teile werden nur für das Qualifiyng später am Tag verwendet. Wir wechseln die Bremsen und gehen wieder auf die FIA-Messanlagen um das Auto erneut zu wiegen, zu überprüfen und alle notwendigen Änderungen am Setup oder der Aufhängung vorzunehmen. Man muss bedenken, dass wir nur zwei Stunden zwischen dem Training und dem Qualifying haben, man kann sich also deutlich unter Druck gesetzt fühlen. Nach einer Stunde Qualifying um 14 Uhr wechseln wir den Motor und das Getriebe und bauen "Renn-Motor" und Getriebe ein, tauschen alle Bremsen aus, überprüfen die Tankzelle, bringen verschiedene Komponenten für das Rennen an, nehmen letzte Checks am ganzen Auto vor, gehen wieder zurück auf die FIA-Messanlagen und sind hoffentlich vor Mitternacht fertig!

Sonntag - Renntag!
Wieder geht es am Sonntag früh aus den Federn, es gibt ein 30-minütiges Warm Up am Morgen, das immer vier Stunden vor dem Start des Rennens zu Ende ist, die Zeit wird also leicht variieren, da manche Rennen um 13 Uhr und einige um 14 Uhr beginnen. Wenn die Möglichkeit besteht, dass es während dem Rennen regnet, dann müssen wir verschiedene Setups während dem Warm Up für trockene und nasse Bedingungen ausprobieren. Man muss also während der halben Stunde sehr schnell arbeiten!

Das T-Car, das wir alle Ersatzauto nennen, wird für den Fahrer abgestimmt, der sich besser qualifiziert hat, er wird mit ihm zu Beginn des Warm Ups auf eine Installationsrunde gehen. Damit will man sicherstellen, dass alle Systeme richtig funktionieren und dann wird er aussteigen und in seinen Einsatzwagen steigen. Von da an werden alle Änderungen, die am Einsatzwagen gemacht werden, auch am T-Car gemacht, so dass die Autos identisch sind.

Die nächsten dreieinhalb Stunden verbringt man damit, das Auto für das Rennen vorzubereiten. Die Boxengasse öffnet eine halbe Stunde vor dem Start, dann gehen die Autos auf die Strecke. Sie müssen durch die Boxengasse fahren, um eine Runde zu komplettieren, ansonsten fahren sie in die Startaufstellung, wo sie bis zum Rennstart stehen bleiben. Jos geht normalerweise raus und kommt durch die Boxengasse wieder zurück, nur um sicher zu stellen, dass das Auto in Ordnung ist, aber es ist auch unsere letzte Möglichkeit, noch Veränderungen am Auto vorzunehmen. Die Boxengasse schließt 15 Minuten vor dem Start des Rennens und wenn unser Auto zu diesem Zeitpunkt nicht draußen ist, dann muss man hinter allen Autos aus der Boxengasse starten. Wenn man in dieser Zeit ein Problem bekommt, kann das ganz schön hektisch werden!

Dann gehen wir auf die Startaufstellung für eine letzte Überprüfung des Autos und um den ersten Satz Rennreifen zu montieren. 15 Sekunden vor dem Start muss die Mannschaft vom Auto weggetreten sein und wir stehen beim Start der Formationsrunde am Rand der Strecke. Zu diesem Zeitpunkt hoffe ich nur, dass das Auto problemlos wegfährt und es keine Probleme gibt, ansonsten müssen wir das Auto neu starten. Um auf die Startaufstellung hin- und von ihr wieder weg zu gelangen, muss man häufig mit dem ganzen Material über die Boxenmauer springen, das kann schrecklich sein! In Monaco ist das ein besonderes Problem, da hier die Mauer sehr hoch ist! Die Autos kommen dann zurück und stellen sich in die Startaufstellung und gehen in das Rennen. Dann müssen wir zurück an die Boxen mit den Wägen, Reifen, Lüftern, Batterien, Computern und kiloweise anderem Material eilen und uns auf die Stopps vorbereiten.

Die Boxenstopps werden als ein Teil der Rennstrategie geplant, aber sie können sich je nach Wetter oder bei einem Problem mit dem Auto ändern. Wir wissen ungefähr 40 Sekunden vor einen Stopp, was zu tun ist - Reifen, Benzin oder ob wir zum Beispiel die Nase wechseln müssen - was zwischen 6 bis 11 Sekunden dauern kann, ein bis vielleicht acht Mal in einem Rennen...

Nach dem Rennen helfen wir, alles zusammenzupacken, nach vier Stunden sind wir meist fertig. Dann geht es wieder zurück ins Hotel oder überstürzend an den Flughafen, um den letzten Flug aus dem Land heraus zu erwischen.

So geht das die ganze acht-monatige Saison lang, aber auch wenn es sich langweilig anhören mag, so ist dies doch für die Crew die beste Art und Weise, um gut arbeiten zu können. Das ist Teamwork. Jeder im Team hat bestimmte Aufgaben und wenn etwas zu tun ist, dann nimmt die verantwortliche Person die Arbeit auf, ohne darum gebeten zu werden. So kann man besser arbeiten. Des weiteren ist jedes Rennen, jeder Kurs und jedes Land auf eigene Art und Weise sehr verschieden, es gibt also für einen Mechaniker ein breites Betätigungsfeld.