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  • 31.08.2006 11:05

  • von Fabian Hust

"Schwingungstilger-Fall": Symonds spricht Klartext

Zum ersten Mal nach dem bestätigten Verbot der Schwingungstilger äußert sich der Renault-Chefingenieur ausführlich zu dem Thema

(Motorsport-Total.com) - Renaults Chefingenieur Pat Symonds kämpfte hart, um das Berufungsgericht in der vergangenen Woche davon zu überzeugen, dass die von Renault fast ein Jahr lang eingesetzten Schwingungstilger legal sind. Doch die Richter entschieden sich, dass das System nicht reglementkonform ist, was für die Franzosen natürlich ein herber Rückschlag ist, wurde der R26 jedoch um jenes Bauteil herum konstruiert, das Nickbewegungen lindern und damit die Kurvenlage des Autos verbessern kann.

Titel-Bild zur News: Pat Symonds

Renault-Chefingenieur Pat Symonds versteht die Welt nicht mehr...

Der Brite empfindet es als "schade", dass diese "sehr einfache Technologie" nun seit dem Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring von seinem Team - und einigen anderen - nicht mehr verwendet werden kann. Als besonders traurig empfindet es der 53-Jährige, dass das System mitten in der Saison verboten wurde, nachdem es bisher immer von der FIA als reglementkonform eingestuft worden war.#w1#

Symonds hatte sich alle erdenkliche Mühe gegeben

"Ich war sehr enttäuscht", so Symonds gegenüber 'autosport.com' über den Moment, als er erfuhr, dass man die Berufungsverhandlung verloren hat. "Die FIA hat ihre Argumentationen auf einer Seite vorgetragen. Meine Zeugenerklärung umfasste auf der anderen Seite 30 Blätter, zudem kamen zum Beweis weitere 50 Seiten dazu. Ich war wirklich überrascht, dass wir sie verloren haben."

Pat Symonds

Kettenraucher Symonds konnte nicht fassen, dass man den Fall verloren hat Zoom

Nach Aussage des Chefingenieurs ist das System durchschnittlich 0,3 Sekunden pro Runde gut, Weltmeister Fernando Alonso hatte noch von etwas harmloseren 0,1 Sekunden gesprochen. Wie Symonds erklärt, wirkten sich die Schwingungstilger auch positiv auf die Haltbarkeit der Reifen aus, da diese durch das ruhiger liegende Auto weniger belastet werden. Jedoch führt der Ausbau des Systems nicht dazu, dass Renault plötzlich andere Reifen verwenden muss, so deutlich ist der Unterschied dann auch wieder nicht.

Fragwürdige Argumente von Ross Brawn

Ferraris Technischer Direktor Ross Brawn hatte kürzlich erklärt, dass Renault sich die Technologie nicht von der FIA hat abnehmen lassen und man den Automobilweltverband nicht komplett über das System informiert hat, sodass dieser nicht entscheiden konnte, ob das System legal ist oder nicht. Vielmehr könne die FIA nicht dafür verantwortlich gemacht werden, sicherzustellen, dass die Autos dem Reglement sprechen. Dies sei Aufgabe des jeweiligen Teams.

Ross Brawn

Ross Brawn Argumentation kann Symonds nicht nachvollziehen Zoom

Doch laut Symonds hat man der FIA sehr wohl berichtet, dass man das System einbaut. Und zwar habe man am 13. September per Brief Charlie Whiting, den Sicherheitsdelegierten der FIA, gefragt, ob man nach dem Einbau des Schwingungstilgers einen erneuten Crashtest mit dem R25 durchführen müsse. Zudem habe kein Bedarf bestanden, die FIA zu fragen, ob die Verwendung des Systems legal sei, schließlich sei man davon ausgegangen, dass es legal ist. Artikel 2.4, auf den sich Brawn bezieht, verlange dies nur, wenn man sich über die Situation "unklar" sei.

Renault sah keinen Grund, sich eine detaillierte Freigabe einzuholen

Symonds betont, dass die FIA noch in der Technischen Direktive TD20 am 17. Juli Schwingungstilger als legal eingestuft hat. Die FIA änderte ihre Meinung, als das McLaren-Team das System in Frage stellte, da dieses die aerodynamische Leistung des Autos verbessere und somit illegal sei. Der Automobilweltverband hatte sich das System aus diesem Standpunkt noch nicht angeschaut, stufte es dann als nicht zulässig ein.

Fernando Alonso

Beim Großen Preis von Frankreich war der Schwingungstilger noch eingebaut Zoom

Doch Renault bleibt dabei, dass die Schwingungstilger nicht in erster Linie der Verbesserung der Aerodynamik dienen, sondern der mechanischen Haftung des Autos. Renault hatte es deshalb auch nicht als illegal eingestuft. Doch auch das Berufungsgericht erklärte, dass jeder noch so kleine Vorteile bei der Aerodynamik nicht zulässig ist. Und diesen kleinen Vorteil mussten auch die Franzosen eingestehen.

Symonds versteht die Aussagen seines Kollegen Brawn nicht, schließlich war auch Ferrari hin und wieder mit einem Schwingungstilger unterwegs gewesen. Die Italiener selbst hätten also die FIA fragen müssen, ob das System legal oder illegal ist: "Das ist absolut lächerlich. Artikel 2.4 erlaubt es, Fragen zu stellen, wenn du Zweifel an der Legalität des Systems hast. Wir hatten keine Zweifel an der Legalität des Systems und das hatte auch Ross nicht, ansonsten hätte er es nicht in sein Auto eingebaut." Symonds verrät ferner, dass es im Mai eine Anfrage eines weiteren Teams gegeben hat, ob Schwingungstilger legal sind. Charlie Whiting habe dies bestätigt.

Renault war überzeugt, vor Gericht zu gewinnen

Interessant ist, dass Renault sich so sicher war, dass das Berufungsgericht den Schwingungstilger als legal einstufen wird, dass man bis zu dem Urteil keine Maßnahmen getroffen hat, um nach alternativen Lösungen zu suchen, beziehungsweise das Verbot durch andere technische Maßnahmen möglichst wieder wettzumachen: "Wir waren absolut überzeugt davon, dass wir den Einspruch gewinnen werden, also haben wir nicht großartig viel Zeit damit verbracht, über das Leben nach den Schwingungstilgern nachzudenken."

Michael Schumacher und Fernando Alonso

Dank dem Verbot geht es zwischen Alonso und Schumacher noch enger zu Zoom

Nun überlege man, was man von den Schwingungstilgern gelernt hat und wie man den Ausbau kompensieren kann: "Diese Arbeit hat wirklich gerade erst begonnen. Wir können dazu im Moment also noch nicht viel sagen. Das Schöne am Schwingungstilger war seine Einfachheit. Ein Ingenieur-Student hätte es entwickeln können. Er war so simpel."

Renault handelt nach dem Motto: Jetzt erst recht!

Der Brite lässt seinen Kopf nach dem Verbot des Systems nicht hängen: "Wenn du dir über Dinge wie diese so viele Sorgen machst, dann wirst du meiner Meinung nach keine Leistung zeigen. Es geht jetzt nur darum, noch härter zu arbeiten."

Fernando Alonso

Am Ende soll Alonso wieder über den WM-Titel jubeln Zoom

Laut Symonds ist die Folge des Verbots der Technik die Tatsache, dass es nun zwischen Renault und Ferrari ausgeglichener zugeht: "Die Meisterschaft hat sich ziemlich in eine Reifen-Meisterschaft verwandelt, aus diesem Grund kann das Pendel schnell herum schwingen. Niemand konnte in die Kristallkugel blicken und Ungarn vorhersagen. Man darf nicht vergessen, dass wir im vergangenen Jahr an einem Punkt in der Konstrukteursmeisterschaft Zweiter waren, zurück schlugen und sie gewannen..."