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Schumis sieben Titel locken: Lewis Hamilton braucht neue Ziele

Michael Schumachers Rekorde zu knacken, scheint Lewis Hamilton neue Motivation zu injizieren - Toto Wolff: "Er ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens"

(Motorsport-Total.com) - Beim Grand Prix von Mexiko 2018 gewann Lewis Hamilton seinen fünften WM-Titel. Er zog gleich mit dem großen Juan Manuel Fangio, hatte Sebastian Vettel nach einem über weite Strecken spannenden WM-Duell letztendlich doch klar besiegt. Aufgrund seiner fahrerischen Übermacht - da waren sich die Experten einig. Eigentlich ein guter Grund, den Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher, Lewis Hamilton

Lewis Hamiltons Ziel ist, die Rekorde von Michael Schumacher zu erreichen Zoom

Aber Hamilton hatte den Triumph nicht mit einem überragenden Sieg erreicht, sondern mit einem mäßigen vierten Platz. Und das Mercedes-Team hatte den Nimbus der Unbesiegbarkeit in einem Rennen, in dem die von den Medien hochstilisierten "Wunderfelgen" nicht eingesetzt wurden, verloren. Zumindest vorübergehend.

Auf Außenstehende wirkte der neue Weltmeister nicht euphorisiert, wie man es eigentlich vermuten würde. Sondern fast lethargisch.

"Lasst mich erstmal realisieren, dass ich diesen Titel gewonnen habe", sagte er gegenüber Medienvertretern. Und bestätigte unsere Beobachtungen indirekt, indem er vage formulierte: "Ich weiß nicht warum, es ist merkwürdig, aber ..."

"Als ich die Formel-3-Euroserie gewonnen habe, vor Jahren, habe ich es auch nicht registriert. Und schwupps hatte ich schon die nächste Meisterschaft gewonnen. Ich hoffe, dass es schnell klick macht. Je länger ich darüber nachdenke, desto größer wird die Freude."

Nach dem fünften Titel: Wo waren die großen Emotionen?

Zumindest bis zur FIA-Gala in Sankt Petersburg, sechs Wochen nach der WM-Entscheidung in Mexiko-Stadt, hat es offenbar nicht klick gemacht. Hamilton spritzte die Weltmeister-Pressekonferenz, weil er leicht angeschlagen im Hotelzimmer lag (und, wie man hinter vorgehaltener Hand munkelt, keine große Lust auf die immer gleichen Fragen der immer gleichen Journalisten hatte). Und auch bei der Gala selbst machte er nicht den Eindruck, als sei seine Freude überschwänglich.

"Wenn du schon fünf Titel hast, ist es schwierig, dich jeden Tag aufs Neue zu motivieren", vermutet Nico Rosberg, Hamiltons ehemaliger Teamkollege - und gleichzeitig der Letzte, der Hamilton auf eine komplette Saison gesehen geschlagen hat. Das war 2016.


PK mit Toto Wolff und Lewis Hamilton

Die Weltmeister aus dem Mercedes-Team sprechen über das Reglement 2019, ihren Weg zum Titel 2018 und Lewis Hamiltons Pläne für den Formel-1-Ruhestand Weitere Formel-1-Videos

Hamilton braucht, das scheint klar, neue Ziele. Ein sechster Titel wäre in dem Sinn kein neuer Meilenstein, ebenso wenig wie ein 74. Grand-Prix-Sieg oder eine 84. Pole-Position. Aber ein Ziel gibt es noch, das für ihn so langsam in Reichweite kommt: Michael Schumacher.

Hamilton ist jetzt 34 - und damit um fünf Jahre jünger als Kimi Räikkönen, der gerade einen neuen Zweijahresvertrag beim Sauber-Team unterschrieben hat. "Solange er Freude an dem hat, was er tut, sehe ich Lewis noch viele Jahre hier", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Kimi ist 39. Da geht also noch einiges."

Für weitere zwei Jahre, 2019 und 2020, läuft Hamiltons Mercedes-Vertrag. Solange sollte er - sofern keine großen Überraschungen passieren - siegfähiges Material zur Verfügung haben. Zwei Jahre, um Schumachers Rekorde zu egalisieren - und vielleicht sogar zu übertreffen?

Hamilton nimmt jetzt Schumacher ins Visier

Über den Winter hat Hamilton - so erzählen es Menschen, die ihm nahe stehen - genau das als neues Ziel für sich definiert: die zwei Titel zu holen, die ihm auf Schumacher noch fehlen. Und die 18 Siege.

"91 Siege", sagt er, "sind schon eine Menge Holz. Aber ich bin ja auch noch ein paar Jahre da, also kann ich ihm hoffentlich zumindest nahe kommen."

"Michael war ein Genie. Ich werde immer ein Fan von ihm sein." Lewis Hamilton

"Michael", schwärmt Hamilton, "war ein Genie darin, wie er Ferrari um sich herum aufgebaut und was er mit dem Team erreicht hat. Ich werde immer ein Fan von ihm sein."

Dass ihn die sieben Titel reizen, da ist sich die Fachwelt einig. "Er hat noch zwei Jahre Vertrag und damit noch mindestens zwei Jahre Zeit, die sieben Titel und die Anzahl der Siege einzuholen. So, wie er momentan fährt, bin ich mir ziemlich sicher, dass das jetzt ein konkretes Ziel für ihn ist", meint Nico Rosberg.

Mercedes-Technikchef James Allison sagt: "Das bedeutet ihm alles. Er ist voll darauf fokussiert. Er hat jetzt fünf Titel - aber es hätte genauso gut sein erster sein können. Er brennt jedes Wochenende aufs Neue darauf, vor allen anderen zu landen. Und das wird nächste Saison nicht anders sein. So definiert er sich. Und er wird keine Ruhe geben, bis er dieses Ziel erreicht hat."

Wolff mahnt: Vor dem siebten kommt der sechste Titel!

Doch während die ganze (Formel-1-)Welt schon vom siebten Titel redet, besinnt sich Toto Wolff darauf, dass da vorher noch was anderes zu erledigen ist: "Der Grund, warum er den fünften Titel geholt hat, ist, dass er sich auf seinen Job konzentriert und nicht zu weit über den Tellerrand geschaut hat. Bevor er auf sieben geht, gibt es noch einen sechsten zu gewinnen! Und dafür haben wir noch nicht einmal einen WM-Punkt gesammelt."

Der Österreicher hofft natürlich, die Erfolgsgeschichte zu Ende schreiben zu können und 2019/20 zwei weitere Titel mit Hamilton zu gewinnen. "Wir haben noch zwei Jahre Vertrag, bis Ende 2020. Theoretisch können wir noch zwei Weltmeisterschaften gewinnen. Es wäre großartig, das zu erreichen. Ich denke, wir befinden uns in einer guten Position", sagt er.


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"Aber Tatsache ist, dass die Punkte nach jeder Saison genullt werden. Die Herausforderung wird 2019 noch größer sein, als sie vergangenes Jahr war. Wir sind guter Dinge, dass wir es schaffen können. Aber ich bin mir sicher, dass Ferrari, Red Bull und die anderen alles versuchen werden, uns davon abzuhalten."

Hamilton sei 2018 "auf dem Höhepunkt seines Schaffens" gewesen, ist Wolff überzeugt. "Das kann vielleicht noch weitergehen, wenn wir ihm ein gutes Auto geben. Wir haben eine sehr gute Atmosphäre in unserem Team kreiert und spornen uns gegenseitig zu Höchstleistungen an."

Das spüre man in jedem Technik-Briefing. In denen geht es manchmal "brutal ehrlich" zu, plaudert Wolff aus dem Nähkästchen. "Und Lewis nimmt da eine sehr aktive Rolle ein - er ist in den vergangenen Jahren immer aktiver geworden."

Verstappen, Leclerc & Co.: Neue Gegner für Hamilton

Aber die Herausforderung wird auch von Jahr zu Jahr größer. Nicht nur, dass Teams wie Ferrari und Red Bull mit allen Mitteln am technologischen Vorsprung von Mercedes sägen. Auch fahrerisch sprießen neue Rivalen gerade wie Pilze aus dem Boden. Max Verstappen ist bereits in der Top-Riege etabliert. 2019 kommt mit Charles Leclerc im Ferrari ein weiterer "junger Wilder" als Gegner dazu.

Hamilton betrachtet das gelassen: "Wer hätte gedacht, dass ich mich dieses Jahr so sehr steigern kann? Ich glaube, dass immer noch mehr geht. Dieses Jahr habe ich einen neuen Höhepunkt erreicht, den ich vorher schon für möglich gehalten habe - was das Fahrerische angeht. Da will ich so gut bleiben. Und es gibt andere Bereiche, in denen ich mich noch verbessern kann. Fit zu bleiben, konzentriert, ausgeglichen. Und mir fallen sicher noch andere Dinge ein."

"Ich würde mich selbst nie als der Beste bezeichnen." Lewis Hamilton

Klingt nicht nach einem, der sich nicht mehr motivieren kann. Und Hamilton weiß genau: Sollte er Schumachers Rekorde wirklich übertreffen, würde man über ihn wahrscheinlich als besten Formel-1-Fahrer aller Zeiten sprechen. Dass ihn das anspornt, würde er öffentlich nie zugeben. Aber es liegt in der Natur des Menschen, nach Anerkennung zu streben.

"Ich würde mich selbst nie als der Beste bezeichnen", winkt der Mercedes-Star ab. "Ich kenne natürlich meine Stärken und weiß, wo ich stehe. Aber mein Dad hat mir immer gesagt, schon seit ich acht Jahre alt war: 'Lass lieber die Ergebnisse auf der Strecke sprechen!' Ich hoffe, dass meine Ergebnisse auf der Strecke und die Dinge, die ich abseits der Strecke tue, dazu beitragen, dass die Menschen eine gute Meinung von mir haben."

"Aber da ist immer noch Michaels ...", bricht er den Satz ab - und lässt dabei tief blicken, wie wichtig ihm die sieben Titel wirklich sind. "Michael hat viel mehr Siege als ich, also könnte man sagen, er ist der Beste aller Zeiten. Fangio ist meiner Meinung nach der Gottvater - und wird es auch immer bleiben. Das zu tun, was er damals getan hat, als die Formel 1 noch so gefährlich war, davor habe ich enormen Respekt."

Auf einer Stufe mit Juan Manuel Fangio

"Es ist eine Ehre für mich, meinen Namen nun in den Geschichtsbüchern an seiner Seite zu wissen. Ich bin wahnsinnig stolz darauf, dass der Name Hamilton jetzt neben dem Namen Fangio steht. Selbst wenn ich von heute auf morgen aufhören sollte, würde das für immer so bleiben. Das kann mir keiner mehr nehmen."

Und da geht noch mehr. Das glaubt zumindest Formel-1-Legende Jackie Stewart. "Aus vielen Gründen" traut er Hamilton zu, Schumachers 91 Siege nicht nur einzuholen, sondern sie sogar zu übertreffen: "Es gibt heute mehr Saisonrennen als damals, das Management ist besser, die Fabriken sind besser, die Teams sind größer und für den Erfolg steht mehr Geld als früher bereit."

Juan Manuel Fangio

Für viele immer noch der Größte aller Zeiten: Juan Manuel Fangio Zoom

"Der Beste aller Zeiten", so Stewart im Interview mit der 'Bild'-Zeitung, "war für mich Fangio. Vom Fahrstil und technischen Blick her war es für mich Jim Clark. Aber dann kommt für mich Alain Prost. Der hat einfach keine Fehler gemacht."

Doch nicht nur Hamilton, auch das Mercedes-Team insgesamt braucht neue Ziele, um weiter hungrig zu bleiben. Fünf WM-Titel hintereinander, das hat davor zuletzt Ferrari geschafft, in den goldenen Schumacher-Jahren 2000 bis 2004. Das zu erreichen, war für Teamchef Wolff bei seinem Amtsantritt kein konkretes Ziel. Jetzt hat aber auch er Blut geleckt.

"Was ich mit einem gewissen Stolz betrachte: Als ich wesentlich jünger war, habe ich die Ferrari-Dominanz verfolgt, als sie in den 2000er-Jahren dominiert haben. Ferrari war für viele Jahre die Benchmark", erinnert er sich. "Und wir befinden uns auf einen ähnlichen Pfad. Wir sind noch nicht ganz da. Das sind die Ziele, die uns motivieren."