• 31.01.2010 16:30

Saubers neuester Wurf unter der Lupe

Größerer Tank, neuer Motor und neues Getriebe, Verbesserung der Aerodynamik - die Sauber-Ingenieure musste viele Probleme bewältigen

(Motorsport-Total.com) - Auf den ersten Blick scheinen die wichtigsten technischen und sportlichen Neuerungen für die Saison 2010 nicht allzu groß: Das Nachtanken während der Rennen ist verboten, und die Vorderreifen sind rund 25 Millimeter schmaler. Klingt recht harmlos, hat aber sehr tief greifende Konsequenzen. Das Tankverbot bedingt, dass die Benzinzelle fast doppelt so groß ist wie bisher, und die schmaleren Vorderreifen erfordern eine signifikant andere Gewichtsverteilung.

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Saubers neuester Wurf hat einige Anleihen von seinem Vorgänger

Bereits im Februar 2009 hatten die Designer erste Berechnungen mittels computergestützter Strömungssimulation durchgeführt. Dabei ging es darum, den Einfluss der schmaleren Reifen und des längeren Radstands zu untersuchen, bevor im April 2009 mit der Konzeption des Fahrzeugs begonnen wurde.#w1#

Tank lässt Fahrzeug um 20 Zentimeter länger werden

Zwischen 120 und 140 Liter betrug das Volumen des Tanks bisher. Dieser musste nun auf rund 200 Liter vergrößert werden. Dadurch veränderten sich die Abmessungen des Monocoques signifikant. Die Designer kamen dabei um einen Kompromiss nicht herum: In der Breite sind sie durch das Reglement auf maximal 800 Millimeter eingeschränkt, gleichzeitig wird auch Platz für die Kühler benötigt, die aerodynamisch günstig platziert sein müssen und einen optimalen Luftstrom ermöglichen sollen.

Höher möchte man den Benzintank auch nicht bauen, denn das hebt den Schwerpunkt an. Dies bedeutet, dass der Benzintank durch sein zusätzliches Volumen vor allem in der Länge zulegte. Das hat entsprechende Konsequenzen auf die Gesamtabmessungen des Autos, denn damit wachsen auch der Radstand und die Länge des Fahrzeuges um rund 20 Zentimeter.

Einen wichtigen Aspekt stellt auch die Veränderung der Gewichtsverteilung im Laufe des Rennens dar. Ziel der Ingenieure ist es, dass diese auch bei sehr unterschiedlichen Benzinmengen möglichst konstant bleibt. Durch die Anhebung des Mindestgewichts von 605 auf 620 Kilogramm sowie die höhere Benzinmenge beim Start liegt das Gesamtgewicht des Fahrzeugs zu Beginn des Rennens um rund 80 bis 90 Kilogramm höher als bisher. Das wird auch dazu führen, dass die Rundenzeiten im Laufe einer Renndistanz um bis zu fünf Sekunden sinken können.

Standard-Motorenelektronik half bei der Implemetierung

Eine Herausforderung stellte für die Ingenieure auch der Wechsel auf den Ferrari-Motor und das Ferrari-Getriebe dar. Allerdings lief die Zusammenarbeit mit den Technikern aus Maranello von Beginn an sehr gut, sodass diese Umstellung ohne nennenswerte Probleme oder Verzögerungen über die Bühne ging.

Sauber setzt beim neuen C29 auf die populäre "Haifisch-Flosse" Zoom

Dabei kam den Ingenieuren auch die Standard-Motorelektronik entgegen, die sich vergleichsweise einfach an die Besonderheiten des Ferrari-Triebwerks anpassen ließ. Deutlich einschneidender waren die Auswirkungen beim Getriebe, das die inneren Aufnahmepunkte für die Hinterradaufhängung enthält und damit einen Teil der Kinematik vorgibt.

Die um 25 Millimeter schmaleren Vorderreifen verlangen eine nach hinten verlagerte Gewichtsverteilung. Um der Gefahr einer zu starken Tendenz zum Untersteuern vorzubeugen, muss zudem die Aero-Charakteristik entsprechend angepasst werden. Bei der Entwicklung der Aerodynamik für den C29 konnten die Ingenieure davon profitieren, dass der F1.09 der Saison 2009 bis fast zum letzten Rennen weiterentwickelt worden war und die Performance dabei einen deutlichen Aufwärtstrend zeigte.

Bessere Anströmung des Doppeldiffusors

Natürlich ergeben sich durch die schmaleren Vorderreifen und den verlängerten Radstand veränderte Rahmenbedingungen, dennoch konnten die Aerodynamiker auf den Erkenntnissen des Vorgängers aufbauen. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil Testfahrten im Winter erst ab dem 1. Februar erlaubt sind. So wurden die letzten Rennen der vergangenen Saison von den Technikern auch gleichzeitig zu Testzwecken genutzt.

In der Seitenansicht des C29 fällt die filigrane, hoch angesetzte Nase auf. Gut sichtbar ist zudem, dass es beim Übergang vom Chassis in den Unterboden einen sehr langen Unterschnitt gibt. Diese Lösung, die sich im Laufe der Entwicklung als erfolgversprechendste Variante herauskristallisiert hatte, erlaubt es, besonders viel Luft zum Unterboden und damit zum Doppeldiffusor zu leiten.

Beim Frontflügel handelt es sich um eine völlige Neukonstruktion, die konzeptionell auf der Version aus dem Vorjahr basiert. Auch hier haben die Ingenieure verschiedene technische Lösungen bereits an Rennwochenenden 2009 verifiziert. Die Seitenkästen verfügen über hoch angesetzte, klein gehaltene Lufteinlass-Öffnungen, die einen sehr ausgeprägten Unterschnitt erlauben. Ergänzt wird ihr Effekt durch die Turning Vanes, die ihnen vorgelagert sind. Auch diese Maßnahmen dienen der optimalen Anströmung des Unterbodens sowie des unteren Heckflügels.

Der größere Tank hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Motorabdeckung, die ebenfalls länger wurde und im hinteren Bereich stark eingezogen ist. Ermöglicht wurde diese Form auch durch die sehr eng anliegenden Auspuffrohre. Resultat dieser Schlankheitskur ist eine besonders effektive Anströmung des Heckflügels und des oberen Bereichs des Doppel-Diffusors.

Stichwort Doppel-Diffusor: Natürlich wurde der C29 vom ersten Zeichenstrich an konsequent auf die Verwendung eines Doppel-Diffusors ausgelegt. Es wurden sämtliche vom Reglement erlaubten Möglichkeiten ausgeschöpft, um einen besonders günstigen Effekt zu erzielen. Dadurch konnte die aerodynamische Effizienz des Gesamtfahrzeugs deutlich verbessert werden.

Beim Heckflügel handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Vorjahresmodells. Er ist wie bisher zentral abgestützt.

Verbesserte Aufhängung soll Reifen schonen

Stark verändert hat sich das Konzept der Vorderradaufhängung, weil insbesondere die unteren Querlenker deutlich höher liegen als bisher. Diese Anordnung ergab sich aufgrund des veränderten Monocoques. Völlig neu sind an der Vorderachse auch die Bremsbelüftungen, die nun je zwei Lufteinlassöffnungen besitzen. Damit wird man dem höheren Fahrzeuggewicht und der dadurch gesteigerten Bremsenergie gerecht. Vom Reglement nicht mehr erlaubt sind die Felgenabdeckungen.

Das Ferrari-Getriebe diktiert die Kinematik der Heckaufhängung Zoom

Bei der Gestaltung der Hinterradaufhängung spielte die Verwendung des Ferrari-Karbongetriebes eine zentrale Rolle, sind doch die inneren Anlenkpunkte aufgrund der Architektur des Gehäuses gegeben. Bei der Festlegung der Kinematik wurde das mit vollem Tank bis zu 90 Kilogramm höhere Gesamtgewicht des Fahrzeugs berücksichtigt. Denn Ziel ist es, mit den Reifen, die insbesondere bei hoher Benzinladung besonders stark beansprucht werden, möglichst schonend umzugehen.

Natürlich sind beim C29 auch jene Änderungen umgesetzt, die das Reglement 2010 aus Gründen der Kostensenkung vorsieht. So sind die Radträger nicht mehr wie früher üblich aus dem sündhaft teuren Metallmatrix-Komposite-Werkstoff gefertigt, und auch bei den Felgen sind exotische Legierungen nicht mehr erlaubt. Zudem ist deren Dimension präzise definiert, sodass die Teams keine Möglichkeit mehr haben, mit marginal unterschiedlichen Felgenbreiten experimentieren zu können.