• 08.04.2004 08:54

  • von Fabian Hust

Sauber: "Fisichella ist besser als Ralf Schumacher"

Peter Sauber im Exklusiv-Interview über seine neuen Fahrer, den C23 und die atemberaubenden Rundenzeiten in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Nach den ersten drei Überseerennen hat das Sauber-Team einen WM-Zähler auf dem Konto. Teamchef Peter Sauber spricht im Exklusiv-Interview mit 'F1Total.com' über seine neue Fahrerpaarung, den Sauber C23, verrät, warum das Team am Freitag kein drittes Auto einsetzt, fordert eine neue Regel, um die Formel-1-Autos langsamer zu machen und erklärt, warum ein Großer Preis der Schweiz unrealistisch ist. Zudem spricht der 60-Jährige über die dünne Luft in der Formel 1, die unglaubliche Erfolgsserie von Ferrari und die zurückgefallenen McLaren-Mercedes.

Titel-Bild zur News: Teamchef Peter Sauber

Für Peter Sauber ist Felipe Massa immer noch ein wenig ungestüm

Frage: "Drei Rennen der Saison sind absolviert, einen WM-Punkt konnte das Team mit Felipe Massa in Malaysia einfahren. Wie fällt ihr Fazit der ersten Überseerennen aus?"
Peter Sauber: "Wenn sie den Punkt ansprechen, den wir eingefahren haben, dann muss ich sagen, dass wir enttäuscht sind. Auf der einen Seite deshalb, da wir gehofft hatten, mehr als nur einen Punkt aus den drei Überseerennen zu holen - drei vielleicht. Auf der anderen Seite müssen wir die Realität akzeptieren. Die Gangart ist in der Formel 1 härter denn je. Wenn sich sieben Werke mit jeweils zwei Autos bekämpfen, dann wird das sehr eng. Das ist jetzt das Resultat davon. Zufrieden können wir damit nicht sein."#w1#

Frage: "Nun stehen Rennen auf europäischem Boden an. Eigentlich ist dies ja die Zeit, um erst einmal ein wenig durchzuschnaufen. Dies wird aber wohl nicht möglich sein..."
Sauber: "Das ist richtig, ja. Ab heute (Mittwoch, 7. April; d. Red.) testen wir in Barcelona, auf der anderen Seite können wir nun langsam unseren Windkanal normal nutzen, er läuft jetzt ja schon seit rund einem Monat. Wir hoffen, dass wir den Windkanal so schnell wie möglich verstehen und Resultate auf die Strecke bringen."

Massa etwas ungestüm - Fisichella verbesserungsbedürftig

Frage: "Nicht nur der Windkanal bringt ja nun 'frischen Wind' in ihr Team sondern auch die Fahrer. Sie haben ja gemeint, dass 'frischer Wind' dem Team gut tun würde. Hat er sich im Team schon bemerkbar gemacht?"
Sauber: "Ja. Auf der einen Seite haben wir Felipe Massa, der natürlich immer Wind und Bewegung mitbringt. Er ist zwar nach wie vor etwas ungestüm, aber er kann sein Temperament ganz gut zügeln. Er hat von seinem Speed nichts eingebüßt, gleichzeitig ist er älter, erfahrener geworden und verfügt jetzt über ein besseres technisches Verständnis. Auf der anderen Seite sind wir positiv überrascht, wie ruhig Giancarlo Fisichella arbeitet - überhaupt nicht italienisch, im Gegenteil, sehr ruhig und ausgewogen, professionell und angenehm. Von Giancarlo erwarten wir uns noch eine etwas verbesserte Leistung. Er war im Qualifying in Bahrain sehr gut. Im Rennen war die Leistung dann doch eher enttäuschend, woran dies auch immer gelegen hat."

Frage: "Von Giancarlo Fisichella haben sie die letzten Jahre geträumt, daraus haben sie nie einen Hehl gemacht. War das jahrelange Träumen berechtigt?"
Sauber: "Geträumt ist vielleicht übertrieben. Wir wollten ihn gerne haben, da war er aber nicht der Einzige. Da gab es auch noch ein, zwei andere. Aber er stand mit Sicherheit ganz oben auf der Wunschliste und wir sind glücklich, dass wir ihn bekommen haben. Das ist nach wie vor so. Aber, da erhoffen wir uns schon noch mehr."

"Giancarlo Fisichella ist besser als Ralf Schumacher"

Frage: "Fisichella gilt als einer der unauffälligsten Fahrer überhaupt - womit ich nicht sagen will, dass er langsam ist. Aber normalerweise fühlen sich Teams von Aufsehen erregend fahrenden Piloten eher angezogen. Was hat sie denn an Giancarlo fasziniert?"
Sauber: "Wenn sie sich die Teamkollegen von Giancarlo anschauen, dann waren dies alles Leute, die als schnell gelten, und in der Regel war er der Bessere im gleichen Team. Ich denke da zum Beispiel an Ralf Schumacher. Und ich glaube auch, dass er besser als Ralf Schumacher ist. Und er hat noch einen weiteren Vorteil: Er kann nicht nur aus einem guten Autos etwas machen, sondern auch aus so genannten Chaosrennen, da spiele ich jetzt nicht einmal auf das Rennen letztes Jahr in Sao Paulo an (Fisichella gewann auf Jordan im Regenchaos; d. Red.) sondern ganz allgemein. Das ist eine seiner Stärken."

Nähe zu Ferrari war für Fisichella nicht ausschlaggebend

Frage: "Vor der ersten Saison zusammen mit Felipe Massa verrieten sie mir, dass es bei Felipe Massa eine 'andere Konstellation' gibt als bei Kimi Räikkönen, der das Team ja ebenfalls vorzeitig verließ. Es wird ja vermutet, dass Fisichella vor allem wegen ihrer engen Zusammenarbeit mit Ferrari zu ihnen gewechselt ist. Mutiert Sauber zum Ferrari-Testlabor für die Zeit nach Michael Schumacher?"
Sauber: "Dass Felipe Massa Sauber nach einem Jahr verlassen hat, lag an uns. Er war einfach zu jung und ich habe ihn deshalb Ferrari empfohlen. Er wollte unbedingt zu Jordan, hat den Platz dann aber doch nicht bekommen und ist dann doch zu Ferrari als Testfahrer gegangen. Er wäre sehr gerne bei uns weitergefahren, das hat mit Ferrari absolut nichts zu tun gehabt. Bei Fisichella kann ich mir vorstellen, dass sich unsere Nähe zu Ferrari positiv ausgewirkt hat. Ich glaube aber nicht, dass dies das Ausschlaggebende war. Fisichella war bei Jordan unzufrieden und wir waren für ihn die beste Möglichkeit. Ich glaube, dass dies die sachliche Begründung für seinen Wechsel ist."

Frage: "Sie verwenden die gleichen Reifen wie Ferrari, in diesem Jahr sogar den gleichen Motor und das gleiche Getriebe. Auf dem Papier müssten sie dadurch näher an Ferrari herangekommen sein. Es ist aber das Gegenteil der Fall. Wie erklären sie sich das?"
Sauber: "Glauben sie, dass Motor und Getriebe einen so großen Einfluss haben? Der Motor muss zunächst einmal über eine bestimmte Leistung verfügen. Es gibt Motoren, die weniger Leistungen haben und solche, die mehr Leistung haben. Das Getriebe haben wir gewählt, weil wir uns beim Auto für eine ähnliche Bauweise wie der letztjährige Ferrari entschieden haben. Da macht dieses sehr schmale, kurze Getriebe das Leben einfacher. Aber so groß ist der Unterschied zu unserem eigenen Getriebe nicht. Beim Motor ist die Zuverlässigkeit und eine gewisse Leistung das Wichtigste und beides ist bei Ferrari vorhanden. Aber es ist ein Wunschdenken zu glauben, dass das Auto nur wegen dem Motor und Getriebe so schnell wie der Ferrari ist."

Frage: "Erhalten sie im Verlauf die gleichen Motorausbaustufen wie sie Ferrari einsetzen wird?"
Sauber: "Ja, aber sicher nicht zur gleichen Zeit. Das ist logistisch gar nicht möglich."

Frage: "Wollen und können sie auch in der kommenden Saison den gleichen Motor und das Getriebe von Ferrari einsetzen oder war die Lösung in diesem Jahr wegen der Umstellung auf die Ein-Motoren-Regel nur eine Ausnahme?"
Sauber: "Das fragen sie mich am besten im nächsten Jahr (lacht)."

"Auto noch nicht so schnell, wie wir das gerne hätten"

Frage: "Alle Teams, die dürfen, setzen am Freitag ein drittes Auto ein, selbst das Minardi-Team. Warum Sauber nicht?"
Sauber: "Wir haben mit dem neuen Auto einen Schritt nach vorne gemacht, auch wenn es noch nicht so schnell ist, wie wir das gerne hätten. Das Auto ist sehr, sehr konsequent. Wie ich ihnen schon gesagt habe, haben wir versucht, die Nähe des letztjährigen Ferrari zu suchen, was das Äußere betrifft. Dies hat eine sehr konsequente Bauweise erfordert, weswegen wir auch das kleine Getriebe von Ferrari verwenden. Wir müssen dieses Auto noch besser kennen lernen. Das Auto hat mehr Potenzial, als wir im Moment nutzen."

"Hinzu kommt, dass wir zwei neue Fahrer haben, was eine gewisse Unruhe ins Team bringt. Das ist ganz normal und verlangt zumindest eine gewisse Eingewöhnungszeit. Und wir haben zwei neue Ingenieure an den Autos, die zwar langjährige Mitarbeiter sind, für die dieser Posten aber neu ist. Es ist doch einiges neu und es braucht seine Zeit, bis sich alles eingespielt hat. Es ist ja kein Geheimnis, dass Ferrari die letzten Jahre über von der Stabilität im Bereich Fahrer, Technik und Management profitiert hat. Hier haben wir schon etwas Nachholbedarf. Wenn wir also freitags für diese zwei Stunden ein drittes Auto einsetzen, würde uns dies unnötig strapazieren."

Drittes Auto wäre "eine zusätzliche Belastung"

Frage: "Ist es dann eher eine logistische und keine finanzielle Komponente, die hinter dieser Entscheidung steckt?"
Sauber: "Ja, man kann dies durchaus als logistische Komponente bezeichnen. Sie sprechen die finanzielle Komponente an. Es gibt Teams, die setzen ein drittes Auto ein, um Erfahrung zu sammeln und es gibt Teams, die nehmen Geld mit dem dritten Auto Geld ein! Beides macht für uns keinen Sinn, weder Geld auszugeben, um zusätzliche Erfahrung zu sammeln noch Geld einzunehmen. Das wäre für uns eine zusätzliche Belastung."

Frage: "Sie haben sich für rund 70 Millionen Franken (45 Millionen Euro) einen neuen Windkanal gebaut. Gibt es Pläne, dass dieser von anderen Unternehmen, zum Beispiel aus der Autoindustrie oder firmenintern für andere Projekte neben der Formel 1 genutzt wird?"
Sauber: "Firmenintern gibt es keine anderen Projekte, weil wir nur Formel 1 machen. Natürlich könnte man den Windkanal vermieten, entsprechende Anfragen gibt es. Dies macht im Moment jedoch keinen Sinn und ist auch in nächster Zeit nicht vorgesehen. Wir haben derzeit nicht das Personal, um selbst die volle Kapazität nutzen zu können. Und wenn wir ihn vermieten würden, bräuchten wir ja auch zusätzliches Personal, das wir für Fremdaufträge abstellen müssten."

"Aerodynamisches Abenteuer"

Frage: "Wie geht ein Formel-1-Team vor, wenn es sich entscheiden muss, ob es sich einen Windkanal leisten kann und wie viel dieser kosten darf? Gibt es hierfür eine klassische Kosten- und Leistungsrechnung oder steckt viel Risiko dahinter, weil sich die Kosten vielleicht am Ende des Tages durch bessere Ergebnisse auf der Strecke doch nicht reingeholt werden können?"
Sauber: "Der Windkanal ist ein Werkzeug und in der modernen Formel 1 mit Sicherheit das wichtigste Werkzeug, um ein Auto schneller zu machen. Wenn sie einen Windkanal wie den unsrigen besitzen, der in einigen Bereichen schon weiter geht als die Windkanäle der Konkurrenz, dann bewegen sie sich schon auf Neuland. Das betrifft nicht nur das Team sondern auch den Hersteller des Windtunnels. Das spüren sie an der einen oder anderen Stelle schon, bis der Windkanal läuft und kalibriert ist. Es handelt es sich um einen Prototyp und da begibt man sich in eine Art aerodynamisches Abenteuer wenn man sich in Dimensionen und Geschwindigkeiten hineinwagt, die neu sind."

Frage: "Als Unternehmer brauchen sie Visionen. Wo sehen sie sich und das Sauber-Team in fünf Jahren?"
Sauber: "In der Formel 1."

Frage: "Das ist ihre Antwort?"
Sauber: "Ja."

"Die Formel 1 braucht einen neuen Weltmeister"

Frage: "Reden wir über Ferrari. Michael Schumacher hat in Bahrain sein drittes Saisonrennen in Folge gewonnen. Es ist verständlich, dass ihre Brillengläser einen rote Tönung haben, vielleicht setzen sie diese kurz einmal ab. Die Rufe nach einem neuen Weltmeister werden immer lauter. Schadet die Ferrari-Dominanz der Formel 1?"
Sauber: "Ich habe ja schon einmal gesagt, das, was die Formel 1 braucht, ist ein neuer Weltmeister. Ich glaube, dass dies jedem klar ist. Das weiß Jean Todt genauso wie Michael Schumacher. Man kann von einem Sportler aber nicht erwarten, dass er sich vor der Konkurrenz verneigt und einfach einen Schritt zurück macht."

McLaren-Leistung "erstaunlich und für mich nicht nachvollziehbar"

Frage: "Von McLaren-Mercedes trennen sie im Moment gerade einmal drei WM-Punkte. Wie kann ein Team derart zurückfallen?"
Sauber: "Es sind ja nicht nur die WM-Punkte! Es waren ein paar Tausendstelsekunden, die Fisichella in Bahrain im Qualifying von Coulthard trennten - und das mit einer ungefähr gleichen Strategie. Das ist in der Tat erstaunlich und für mich nicht nachvollziehbar."

Frage: "Muss man die Frage, an wen dieses Jahr die WM-Titel gehen werden, überhaupt noch stellen?"
Sauber: "Ich glaube nicht, dass es schwer ist, den richtigen Tipp abzugeben..."

"Schritt bei den Reifen war nicht groß genug"

Frage: "Michelin behauptet verklausuliert immer wieder, weiterhin den besseren Reifen zu besitzen. Dabei verweist man auf die Positionen der anderen Bridgestone-Teams hinter Ferrari. Wie sehen sie die Entwicklung der Reifen im Verlauf der letzten Monate?"
Sauber: "Es ist nicht einfach, diese Frage zu beantworten. Kurz vor Saisonbeginn haben wir im Winter neue Bridgestone-Reifen getestet und empfanden diese als besser. Das war ein Schritt nach vorne. Es war zwar der richtige Weg, aber der Schritt war nicht groß genug. Bridgestone strengt sich sehr, sehr stark an. Ferrari ist jetzt auf dem Weg zum sechsten Konstrukteurstitel in Folge auf den gleichen Reifen. Das ist außergewöhnlich. Das Rezept funktioniert bei Bridgestone."

"Sie müssen BAR fragen. BAR war das Team, das im letzten Herbst gewechselt hat. Da haben sie erstmals mit Michelin-Reifen getestet. Sie waren zwischen acht Zehntelsekunden und einer Sekunde schneller, ohne etwas am Auto zu machen. Klar hat Bridgestone über den Winter Fortschritte gemacht, die sind wirklich vorhanden. Nur hat Michelin eben auch Forschritte gemacht."

Saubers Vorschlag für das Qualifying

Frage: "Das neue Qualifying-Format aber auch der Ablauf eines Rennwochenendes ist weiterhin einer der Kritikpunkte an der Formel 1. Ich gebe ihnen einmal alle Freiheiten - wie sähe dann ihren Vorstellungen nach ein attraktives Formel-1-Wochenende aus?"
Sauber: "Man kann da natürlich grundsätzlich viele verschiedene Ideen haben. Die gab es auch und vermutlich waren es sogar zu viele. Sie werden immer für die eine oder andere Idee Gegner und Befürworter finden. Ich habe vor einiger Zeit allen Teams einen schriftlichen Vorschlag unterbreitet. Ich schlug vor, dass es ein Qualifying am Samstag und eines am Sonntagmorgen geben könnte. Man kann die Qualität des Qualifyings noch steigern, indem man sie zusammen zählt. Das erste Qualifying würde mit wenig Sprit an Bord gefahren, das Qualifying am Sonntag muss man mit mehr Sprit fahren. Man hätte dann auch nicht diese unglückliche, lange Parc-Fermé-Zeit vom Samstag bis Sonntag, sondern nur vom Sonntagmorgen bis zum Rennen. Dieser Vorschlag wurde von vielen Teams begrüßt, verschwand dann aber im Sand."

"Ich kann mit der jetzigen Form leben. Das Einzelzeitfahren hat den Vorteil, dass die Teams eine gleichmäßig verteilte Medienpräsenz haben. Das ist für die Teams wichtig und interessant. Was die Zuschauer zuhause angeht, denke ich, dass die Meinungen auseinander gehen. Ist es interessanter, wenn die Fahrer vier gezeitete Runden zur Verfügung haben oder ist das Einzelzeitfahren besser? Ob der Modus mit zwei hintereinander stattfindenden Qualifyings besser ist, ob man die zwei Trainings zusammenzählt oder das erste weglässt, das ist die Frage."

"Man könnte ja die Startreihenfolge anders festlegen, wie das zum Beispiel beim Skifahren gemacht wird, wo man die Startnummern verlost. Oder man nimmt die Reihenfolge des letzten Zieleinlaufs, wenn der Michael gewinnt, muss er im Qualifying als Erster raus. Man könnte dann sogar wie beim Skifahren vier Vorfahrer rauslassen, sodass der gröbste Schmutz weg ist und der erste Fahrer dadurch keine allzu schlechten Bedingungen hat. Dies könnten jene Fahrer machen, die am Freitag sowieso testen. Es gäbe also schon noch andere Möglichkeiten, ich weiß aber nicht, ob sich dadurch viel ändern würde. Am Freitag würde ich persönlich nichts ändern. Die zwei Stunden braucht man zum Testen dringend. Das gleiche gilt für den Samstagvormittag."

Peter Sauber fordert "Holzreifen"

Frage: "Auch in diesem Jahr ist die Formel 1 trotz Einschnitte in das Reglement schneller geworden. Der Sprung über den Winter war gewaltig. Wir haben ausgerechnet, dass BMW-Williams im Vergleich zum Vorjahr um über 3 Sekunden pro Runde zugelegt hat, Sauber liegt mit 2,4 Sekunden im Mittelfeld. Selbst der eine oder andere Fahrer warnt davor, dass die Autos zu schnell werden. Sehen sie Handlungsbedarf?"
Sauber: "Ja, ich habe dazu auch die Lösung. Es ist enorm schwierig, die Autos über die Technik einzubremsen. Wenn sie den Unterboden glatt machen oder die Flügel reduzieren, dann führt das immer zu vielen technischen Neuentwicklungen. Ich würde so schnell wie möglich Einheitsreifen und Slicks empfehlen. Über den Reifen können sie unheimlich viel steuern. Niemand von uns weiß genau, was das Auto von der einen Saison zur anderen schneller gemacht hat. Hat man das Auto verbessert oder haben die Reifenhersteller eine bessere Mischung oder Konstruktion gefunden? Es ist unheimlich schwer, dies zu messen, weil ja alles parallel stattfindet. Ich würde einen stabilen Reifen, einen 'Holzreifen', einführen. Dann wäre die Formel 1 auf einen Schlag um drei oder vier Sekunden langsamer."

Frage: "Würden die 'Holzreifen' die Formel 1 auch spannender machen?"
Sauber: "Auf jeden Fall! Der Reifen spielt eine ganz entscheidende Rolle. Die Formel 1 ist ein 'Krieg' der Technik und der Fahrer und es sollte ja nicht auch noch einer der Reifenhersteller werden. Das ganze würde dadurch spannender werden, wenn die Reifen nicht mehr derart viel Haftung aufbauen."

Frage: "Und man würde eine weitere Fliege erschlagen - die Formel 1 wäre auch deutlich kostengünstiger..."
Sauber: "Sie wäre enorm viel günstiger, denn es werden extrem viel Reifentests durchgeführt. Wir testen gerade in Barcelona, zwar nur drei Tage mit einem Auto, aber die Hälfte davon fällt auf Reifentests."

"Weiß nicht, wie viel man die Luft noch verdünnen kann"

Frage: "Für Privatteams wie Sauber wird die Luft in der Formel 1 von Jahr zu Jahr dünner. Welches Ziel haben sie nach den ersten drei Saisonrennen für die Endabrechnung ausgegeben?"
Sauber: "Seit die großen Werke in der Formel 1 vertreten sind, ist die Luft dünn. Ich weiß nicht, wie viel man sie noch verdünnen kann... Was wir uns vornehmen? Ich werde mich hüten, irgendwelche Punkte oder Platzierungen anzugeben. Auf der einen Seite geht es hier sicher um eine Unternehmung mit sportlichen Zielen. Die sportlichen Ziele bestehen nach wie vor und die sind nach vorne gerichtet. Aber diese hängen von der Konkurrenz ab und die ist im Moment sehr stark."

Sauber glaubt nicht an einen Schweiz-Grand-Prix

Frage: "Die Schweiz möchte ja das 1955 verabschiedete Verbot für Rundstreckenrennen abschaffen und ein Formel-1-Rennen veranstalten. Was halten sie von dieser Idee und ist dies realistisch?"
Sauber: "Ich denke, dass man die zwei Dinge trennen muss. Das eine ist das unglückliche Rundstreckenverbot. Das ist ein alter Zopf und es ist höchste Zeit, dass man dies abschafft, vor allem dann, wenn man weiß, wie diese Sache damals zustande kam. Eine Formel-1-Strecke in der Formel 1 betrachte ich nicht als realistisch und da gibt es eine ganze Reihe Gründe dafür. Es gibt bei uns in der Schweiz ja keinen Scheich oder König, der bestimmt und sagt, wir bauen jetzt eine Rennstrecke. Bei uns muss sich eine Rennstrecke wirtschaftlich tragen, was bei uns fast nicht möglich ist, da hier keine Automobilindustrie vorhanden ist, die eine solche Strecke nutzt. Es würden auch keine englischen Teams zu uns in die Schweiz kommen um zu testen und dadurch Geld investieren. Die wirtschaftliche Basis ist nicht vorhanden, das ist der erste Punkt."

"Punkt 2: Wir wissen alle ganz genau, dass sich die Formel 1 nicht nur nach Asien sondern auch in andere Länder ausdehnt, ich denke da an Indien, die Türkei oder Russland. Es wird neue Läufe geben und dafür müssen Rennen in Europa geopfert werden. Ich glaube kaum, dass man in Europa in der Zukunft zusätzliche Rennen haben wird. Der dritte Punkt ist der Standort: Wenn sie ein Rennen abhalten wollen, dann braucht man die entsprechende Region dazu, ich denke da an Zürich oder Genf, weil ein internationaler Flughafen natürlich auch dazu gehört. Aber dort ist ein Formel-1-Rennen wegen der Lärmemissionen nicht denkbar."