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Russell nimmt Red-Bull-Ansage zurück: Mercedes wittert Siege!

Klappt's schon in Melbourne mit einem Sieg? Der Blick in die Telemetriedaten zeigt, dass Mercedes im Vergleich zu Red Bull nicht hoffnungslos unterlegen ist ...

(Motorsport-Total.com) - Dass Mercedes im dritten Qualifying der Saison aus eigener Kraft auf die Startplätze 2 und 3 fahren würde, nur 0,2 beziehungsweise 0,4 Sekunden hinter Max Verstappens Poleposition-Zeit, damit hätten angesichts der Krisenstimmung nach Bahrain und Saudi-Arabien wohl nicht einmal die größten Optimisten innerhalb des erfolgsverwöhnten Teams gerechnet.

Titel-Bild zur News: George Russell

George Russell wittert Morgenluft und glaubt sogar an eine Chance auf den Sieg Zoom

Nach dem Qualifying in Melbourne klingt der Mercedes-Sound ganz anders: "Wir müssen es versuchen, nicht wahr? Wir müssen versuchen, auf Sieg zu fahren", sagt etwa George Russell. "Es wird sehr schwierig, es mit Max aufzunehmen. Aber schauen wir mal, wie wir klarkommen. Wir müssen unser eigenes Rennen fahren. Und wenn sich eine Chance bietet, werden wir versuchen, sie zu ergreifen."

Dabei herrscht teamintern eine große Klarheit darüber, dass ein gutes Qualifying, noch dazu auf einem sehr speziellen Stadtkurs wie Melbourne, nicht alle Probleme löst. Die Realität ist: Verstappen und Red Bull mögen zwar im Qualifying in Reichweite gewesen sein - auf die volle Renndistanz rechnen aber nahezu alle Experten damit, dass der Titelverteidiger unter normalen Umständen für Mercedes nicht schlagbar ist.

"Max wird extrem schnell sein, da dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben", weiß Russell. Nur: Sollte ein Mercedes am Start in Führung gehen, könnten das die Chancen rasant steigen lassen, denn "auf dieser Strecke ist das Überholen schwierig. Der Start und die erste Runde sind sehr wichtig. Aber der Red Bull hat einen herausragenden Topspeed."

328,8 km/h, um ganz genau zu sein - und Sergio Perez folgt mit 326,7 km/h auf Platz 2 der Höchstgeschwindigkeitstabelle des Qualifyings. Aber Mercedes ist keine Lichtjahre von diesen Werten entfernt: Lewis Hamilton war mit 324,3 km/h Fünftschnellster, Russell mit 324,2 km/h Sechstschnellster auf den Geraden.

Wolff: Müssen die Kirche noch im Dorf lassen

"Ich denke, dass Red Bull immer noch vorn ist. Heute haben sie vielleicht nicht das Maximum rausgeholt", analysiert Teamchef Toto Wolff. "Unter normalen Umständen stehen sie mit beiden Autos in der ersten Reihe, und in den Longruns waren sie gestern und heute ziemlich dominant."

"Ich denke aber, es ist unsere Pflicht - und die der anderen Teams, die Red Bull jagen -, unser Bestes zu geben, um eine gute Show zu bieten. Und das ist das Tolle an diesem Sport, dass du einfach nie aufgibst. Das war schon immer unsere Mentalität. Ja, du kannst ein schlechtes Rennwochenende oder eine schlechte Saison haben - aber es gibt immer diese Glücksmomente zwischendurch."

Auch Wolff riecht zumindest eine Minichance auf den Sieg in Australien: "Wir waren bis auf zwei Zehntel dran, und unsere Runden waren nicht restlos sauber. Bei George die erste, bei Lewis die zweite."

Telemetriedaten: Zwei Ausschläge pro Verstappen

Der GPS-Vergleich zeigt außerdem: Russell verliert auf Hamilton vor allem bei Kurve 3/4 und in Kurve 11 Zeit auf Verstappen. Auf dem Volllaststück zwischen Kurve 8 und Kurve 9 hat er im Vergleich der jeweils schnellsten Q3-Runden sogar zwei Zehntelsekunden auf Verstappen gutgemacht.

Interessant: In Kurve 3 bremst Verstappen früher, kann aber offensichtlich mehr Geschwindigkeit ins nachfolgende Geschlängel mitnehmen. In Kurve 11 unterscheidet sich der Bremspunkt der beiden kaum. Was mutmaßlich den Unterschied macht, ist mehr Anpressdruck in der DNA des Red Bull RB19.

"Im Moment sind wir nicht siegfähig und noch weniger sind wir fähig, um die Weltmeisterschaft zu kämpfen", räumt Wolff ein. "Wir müssen einen Schritt nach dem anderen gehen. Aber es ist fantastisch, wenn die Fahrer so motiviert sind, dass sie sagen, die Pole wäre drin gewesen. Das zeigt, dass ihre Einstellung passt."

Hamilton: Red Bull eine halbe Sekunde schneller

Zumindest bei Russell. Denn Hamilton wirkte nach dem Qualifying weniger euphorisch als sein Teamkollege. "Wir müssen davon ausgehen, dass sie mindestens eine halbe Sekunde schneller sein werden als wir. Vielleicht können wir im Windschatten, mit DRS, gerade so mithalten", sagt er im Hinblick auf das Rennen.

Aber: "Wir sind zu zweit gegen einen Red Bull. Vielleicht können wir mit der Strategie Druck auf sie ausüben." Was allerdings auch kein Selbstläufer wird. Pirelli rechnet mit einer klaren Einstoppstrategie. Sollte das so eintreten, wird es für Mercedes schwierig, mit einem Split Varianten zu finden, die Verstappen ernsthaft unter Druck setzen können.

Sechs Minuten vor Ende: Hamilton kurz auf Platz 1

Es sind die kleinen Momente, die Mut machen. Etwa jener Zwischenstand sechs Minuten vor Ende des Qualifyings, als Hamilton zunächst auf provisorischer Poleposition stand und er von Verstappen nur um 0,009 Sekunden von Platz 1 verdrängt wurde. Erst im zweiten Q3-Run wurde der Abstand größer.

Seine erste Q3-Runde habe sich "großartig" angefühlt, kommt Hamilton ins Schwärmen: "Es war sehr, sehr surreal, für einen Moment Platz 1 aufscheinen zu sehen. Max fuhr dann seine Runde zu Ende, und dann war die Führung wieder weg. Und die letzte Runde war leider nicht mehr ganz so toll."

"Es war schwierig, die Reifen ins richtige Fenster zu bringen", erklärt der siebenmalige Weltmeister. "Ich denke, wir haben einiges an Performance liegen lassen. Einfach weil die Reifen nicht optimal funktioniert haben. Daher war die zweite Runde eher durchschnittlich. Aber ich hab's geschafft, trotzdem da vorn zu stehen, fürs Team. Und morgen werde ich es besser machen."


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Bei Mercedes hätte kaum jemand damit gerechnet, so früh in der Saison so konkurrenzfähig zu sein. Doch auch in Erwartung der Tatsache, dass Red Bulls Vorsprung im Rennen größer sein müsste, denkt niemand dran, den geplanten Konzeptwechsel abzusagen. Wenn die neuen Teile kommen, davon sind fast alle im Team überzeugt, könnten die Fortschritte noch größer werden.

Russell: Gewinnt Red Bull doch nicht alle Rennen?

Das veranlasst Russell jetzt sogar dazu, seine Aussage, Red Bull werde diese Saison womöglich sogar alle Rennen gewinnen, zurückzunehmen: "Nach einem frustrierenden Qualifying wie in Bahrain rutschen dir manchmal Dinge heraus, die dir im Eifer des Gefechts passieren", relativiert er jenen Kommentar, der in den vergangenen Wochen Schlagzeilen gemacht hat.

"Ich glaube trotzdem, dass Red Bull eine Klasse für sich ist", stellt Russell klar. "Lewis und ich haben heute das Maximum rausgeholt, und wenn ich Max so zuhöre, dann hatte er wahrscheinlich noch was in petto. Und die drei Zehntel Rückstand, die wir haben, sind nicht nichts. Aber normalerweise ist es halt eine Sekunde."

"Das ist für Formel-1-Maßstäbe eine Welt. Aber wir geben nicht auf, wir machen weiter Druck. Und wir werden die Lage neu bewerten, wenn wir die Updates am Auto haben. Das wird der Moment sein, in dem wir zum ersten Mal wirklich wissen, ob die Updates wie erwartet funktionieren und ob sie ausreichen, um es mit ihnen aufzunehmen. Aber ja, warum nicht?"