Rubens Barrichello darf vor Schumacher gewinnen
Dieses Mal verzichtete Ferrari auf einen Positionswechsel - Barrichello gewinnt auf dem Nürburgring vor Schumacher
(Motorsport-Total.com) - Großer Jubel bei den rund 150.000 Fans am Sonntag auf dem Nürburgring: Nach der berühmt-berüchtigten Stallorder von Österreich verzichtete Ferrari dieses Mal auf eine Stallorder und ließ Rubens Barrichello vor Teamkollege Michael Schumacher gewinnen. Für den Brasilianer war es der zweite Sieg in der Formel 1 nach Hockenheim 2000. Die Tatsache, dass Ferrari in den letzten Runden seine Fahrer aufforderte, Tempo aus dem Rennen zu nehmen, um die Autos zu schonen und man damit einen "Nichtsangriffspakt" auferlegte, dürften wohl nur die ärgsten Ferrari-Kritiker als erneute Stallorder ansehen.

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Dieses Mal freuen sich beide Ferrari-Piloten über das Ergebnis
Unheimlich aggressiv gingen die Piloten in den ersten zwei Runden zu Werke. Ralf Schumacher erwischte einen guten Start und bremste sich in der ersten Kurve an dem bis dahin Erstplatzierten Teamkollegen Juan-Pablo Montoya vorbei. Eine leichte Berührung zwischen den beiden BMW-Williams-Piloten blieb zum Glück ohne Folgen. Im hinteren Feld hingegen schubste Giancarlo Fisichella ausgerechnet bei seinem 100. Rennen Teamkollege Takuma Sato an, worauf sich beide Piloten drehten. Der umgebaute erste Sektor forderte also wie befürchtet sein Tribut.
Bei schönstem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen von knapp über 20 Grad erlebten die Fans zunächst einen unglücklich Start von Michael Schumacher, der eingequetscht wurde und vom dritten zunächst auf den vierten Platz zurückfiel. Rubens Barrichello knöpfte sich schon nach ein paar Metern Ralf Schumacher vor und ging in Führung. Wenige Sekunden später machte Michael Schumacher dasselbe mit dem zweiten BMW-Williams-Piloten Juan-Pablo Montoya. Die unterschiedliche Strategie ? Ferrari war auf zwei Stopps, die Weiß-Blauen auf einem unterwegs ? ließ Ferrari schon in der dritten Runde in Doppelführung gehen, als der Weltmeister auch an seinem Bruder vorbeigehen konnte.
Während Ferrari dem Feld locker um rund zwei Sekunden pro Umlauf davonziehen konnte, lieferten sich BMW-Williams, McLaren-Mercedes und die auf zwei Stopps ausgerichteten Renault einen packenden Kampf um die Positionen. Während Rubens Barrichello und Michael Schumacher auf einem ähnlichen Niveau fuhren und sich somit gegenseitig antrieben, hatte die Konkurrenz bald einen eklatanten Rückstand. Bereits nach 16 der insgesamt 60 Runden war dieser auf über 25 Sekunden angewachsen und damit groß genug für einen Boxenstopp.
In der 24. Runde dann ein riesiger Schreckmoment für Michael Schumacher, als er sich in der 'RTL'-Kurve drehte, zum Glück auf eine Asphaltauslauffläche wegdrehte und somit nur zehn Sekunden verlor: "Ich wusste, dass ich bald an die Box kommen muss und wollte Zeit gut machen. Rubens meinte, dass er in dieser Kurve ebenfalls in diesem Moment Probleme hatte, vielleicht war ich aber auch einfach ein wenig zu schnell." Bereits eine Runde später kam der Kerpener an die Box und blieb trotz seines Drehers vor dem Drittplatzierten Bruder Ralf. "Der Dreher hat mich den Sieg gekostet, Rubens ist stark gefahren, er hat das Rennen verdient gewonnen", so der Ferrari-Champion.
Teamkollege Rubens Barrichello fertigte die Ferrari-Mannschaft in der exakt gleichen Zeit ab, man verzichtete also auch in der Boxengasse auf eine Manipulation des Rennausgangs durch Tricks. Das hatte man auch gar nicht nötig, denn zwei der ärgsten WM-Rivalen kegelten sich in Runde 28 selbst aus dem Rennen. David Coulthard versuchte Juan-Pablo Montoya in der ersten Kurve auszubremsen, dabei drehte sich der innen fahrende Montoya mit dem Heck weg und traf Coulthard am Vorderrad. Beide Piloten mussten daraufhin ihre Autos mit Aufhängungsschaden abstellen. Die Schuldfrage war für die meisten Experten sofort klar: Schuld hatte Montoya, da er sich in Coulthard drehte, aber es ist als normaler Rennunfall zu werten.
Ralf Schumacher kämpfte unterdessen mit stark abbauenden Reifen die Blasen warfen und bald hing Kimi Räikkönen im Heck des BMW-Williams-Piloten. Zur Halbzeit des Rennens steuerte der WM-Zweite die Box an, um neue Reifen aufzuziehen. Kimi Räikkönen steuerte die Box fünf Runden später an und konnte dadurch an "Schumi II" vorbeiziehen. Der dritte Platz war damit der erste Podiumsplatz für den jungen Finnen in der Formel 1. An diesem Tag war BMW-Williams überraschend den Silbernen klar unterlegen.
Unterdessen robbte sich Michael Schumacher noch einmal an Rubens Barrichello heran, doch auch nach dem zweiten und letzten Boxenstopp blieb die Reihenfolge unverändert. Während Rubens Barrichello freie Fahrt hatte, steckte Michael Schumacher nach seinem Stopp im Verkehr fest und kam so mit dem alten Abstand von rund zwei Sekunden auf die Strecke zurück. Ohne die Nachzügler wäre es wohl zu einem spannenden Duell an der Boxengassenausfahrt gekommen. Offiziell hieß es zumindest in der Anfangsphase des Rennens für die beiden Ferrari-Fahrer: Frei Fahrt.
Zehn Runden vor Schluss war bei den Ferrari deutlich zu hören, dass man die Drehzahl reduziert hatte. Das Team hatte die Piloten angewiesen, das Auto zu schonen. Dies setzte allerdings auch voraus, dass man einen "Nichtangriffspakt" abschließt, fuhr Barrichello doch drei Sekunden pro Runde langsamer. Jaguar-Rennleiter Niki Lauda kritisierte nach dem Rennen auch diese Tatsache als Manipulation des Rennens. Dies zeigt eben, dass man eine Stallorder in der Formel 1 nicht wird abstellen können.
Ralf Schumacher im einzig verbliebenen BMW-Williams musste sich mit dem vierten Platz zufrieden geben. War man im Qualifying noch vor Ferrari gestanden, war Michelin im Rennen Bridgestone wieder einmal deutlich unterlegen. Den fünften Platz holte Jenson Button für das Renault-Team. Der letzte Punkteplatz ging an Felipe Massa, der damit Sauber-Teamkollege Nick Heidfeld schlagen konnte, welcher auf den siebten Platz kam. Heinz-Harald Frentzen musste sich mit einem 13. Platz zufrieden geben.
In der Fahrerwertung konnte Michael Schumacher seine WM-Führung einmal mehr ausbauen. Nach neun der 17 Rennen liegt der Kerpener mit 76 WM-Punkten überlegen vor Bruder Ralf Schumacher, der auf 30 Zählern kommt. Der Kampf um den Vizetitel könnte spannend werden, denn es folgt Juan-Pablo Montoya auf dem dritten Platz mit 27 Punkten vor Rubens Barrichello und David Coulthard mit jeweils 26 Zählern. Nick Heidfeld mit fünf Punkten folgt auf Platz 9. Heinz-Harald Frentzen liegt mit zwei WM-Punkten auf dem 15. Platz.
Nachdem sich BMW-Williams zuletzt einige schwache Rennen geleistet hat, konnte Ferrari die WM-Führung bei der Konstrukteurswertung deutlich ausbauen. Mit 102 Punkten liegt man überlegen vor BMW-Williams (57). McLaren-Mercedes folgt mit 37 Punkten vor Renault (14) und dem Sauber-Team (9).

