RRA: So sparen die Formel-1-Teams
Wir gehen der Frage nach, was das Resource-Restriction-Agreement ist und welche Auswirkungen es auf die Formel 1 haben wird
(Motorsport-Total.com) - Schon mal die Abkürzung RRA gehört? Nein? Dann prägen Sie sich die drei Buchstaben und deren Bedeutung besser gut ein, denn in den nächsten Jahren könnten sie enorm an Bedeutung gewinnen und die Formel 1 maßgeblich beeinflussen. Also: RRA steht nicht etwa für die somalische Rahanweyn-Resistance-Army, sondern für Resource-Restriction-Agreement.

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Der Formel-1-Zirkus soll durch das RRA gesundgeschrumpft werden
Wortgetreu übersetzt klingt das ein bisschen hölzern: Ressourcenbeschränkungsvereinbarung. Damit gemeint ist jenes Abkommen, auf das sich die Teamvereinigung FOTA und der Weltverband FIA geeinigt haben, um die Kosten "auf das Niveau der frühen 1990er-Jahre" zu reduzieren - was auch immer das heißen mag. Die erste RRA-Stufe, von der nur die größten Teams betroffen sind, wurde bereits gezündet, die zweite tritt 2011 in Kraft.#w1#
Teams werden auf ähnliches Niveau gebracht
Ergebnis wird sein, dass die Ressourcen der Topteams einander beinahe ähneln werden wie ein Ei dem anderen: "Ganz egal, wie viel jemand ausgibt: Was die Ressourcen angeht, sind sich die Topteams inzwischen sehr ähnlich", erklärt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. "Das RRA wirkt sich diesbezüglich bereits ein wenig aus und ich nehme an, dass die größten Teams dadurch in Sachen Größe und Betätigungsfelder auf ein sehr ähnliches Niveau gebracht werden."
Allerdings wird das RRA gehütet wie die amerikanischen Goldreserven in Fort Knox. FOTA und FIA haben bisher keine konkreten Zahlen bekannt gegeben, rühmen sich aber damit, dass dadurch jene Sparmaßnahmen ergriffen werden, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten notwendig sind, um die Formel 1 auf ein stabiles Fundament zu stellen. Nur so viel wurde bisher verraten: Das RRA ist keine Budgetobergrenze im klassischen Sinn.

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Sam Michaels Williams-Team ist erst ab 2011 richtig vom RRA betroffen Zoom
"Es gibt ein festgelegtes Verhältnis zwischen Mitarbeiterzahl und externen Ausgaben", erklärt Williams-Technikchef Sam Michael. "Diese Grenze liegt aber sehr hoch, sodass Williams dieses Jahr noch nicht betroffen ist. Nächstes Jahr wird es uns schon beeinflussen. Wir sind aber nicht so weit weg." Wirklich spürbare Zwangssparmaßnahmen betreffen in dieser Saison nur McLaren, Mercedes, Red Bull und Ferrari. Die kleinen Teams werden sich auch 2012 nicht zurücknehmen müssen.
Michael geht etwas mehr ins Detail: "Nehmen wir an, dieses Jahr sind 40 Millionen Euro externe Ausgaben erlaubt. Nächstes Jahr werden es nur noch 20 Millionen Euro bei 280 Mitarbeitern sein", so der Australier, der einschränkt: "Zu dieser Mitarbeiterzahl zählen aber einige Gruppen nicht dazu, zum Beispiel Marketing oder unser Konferenzzentrum. Unsere tatsächliche Mitarbeiterzahl wird also weiterhin über 280 liegen."
Im Grunde genommen funktioniert die RRA-Matrix, der alles zugrunde liegt, recht einfach: Gibt ein Team zum Beispiel 30 Millionen Euro für externe Services aus, dürfen maximal 180 Mitarbeiter beschäftigt werden. Spart jedoch jemand an diesen Ausgaben, sodass zehn Millionen reichen, dann wird ihm zugestanden, bis zu 380 Mitarbeiter zu beschäftigen. Außerdem zielt die RRA-Matrix darauf ab, dass die höchsten Budgets 2012 bei 60 Millionen Euro liegen werden.
Marketingausgaben nicht betroffen
Hinzu kommen freilich noch Posten wie zum Beispiel Marketingausgaben - sprich: Kostenpunkte wie die gigantischen Motorhomes werden nicht in die RRA-Berechnung einbezogen. Auch dass die "überschüssigen" Mitarbeiter gar nicht mehr am Formel-1-Projekt arbeiten dürfen, ist nicht gesagt: "So eindeutig ist das nicht, aber darüber haben wir uns noch keine genauen Gedanken gemacht. Es sind ja noch sechs oder sieben Monate Zeit", meint Michael.
"Die meisten Restriktionen", sagt Frank Williams, "greifen nächstes Jahr, also müssen wir sie schon davor einführen. Die Zahl ist nicht schön und zwingt uns dazu, mit weniger Leuten zu arbeiten, als das in den vergangenen Jahren der Fall war. Aber wir müssen uns daran halten." Sprich: Es wird Entlassungen geben. "Oder wir strukturieren um", wirft Michael ein. "Wir haben ja auch andere Firmen, wo sie an anderen Projekten arbeiten können."
Darüber wird sich Ferrari am meisten den Kopf zerbrechen müssen, denn die Italiener beschäftigen nicht weniger als 900 Angestellte für ihr Formel-1-Team. Interne Jobverschiebungen erscheinen ebenfalls unrealistisch, da der Sportwagenhersteller teilweise schon jetzt dazu gezwungen ist, auf Kurzarbeit umzustellen. Auch McLaren wird das RRA hart treffen - 850 Angestellte arbeiten in Woking. Mercedes (600), Red Bull und Williams (je 550) haben es ein bisschen leichter.
Dennoch ist es schwierig, langjährige Mitarbeiter zu entlassen: "Das stimmt", seufzt Williams. "Ich werde einfach in unsere Personalabteilung gehen, ihnen sagen, dass sie die Leute rausschmeißen müssen und hinter mir die Tür wieder zumachen! Nein, im Ernst: Wir haben unsere Mitarbeiter vorgewarnt, sobald die Regel beschlossen war. Dennoch bleibt es natürlich schwierig - das ist ein unangenehmes Thema. Aber es sind wohl alle Teams bis auf die neuen betroffen, denke ich."
So hat also jede Medaille ihre Kehrseite: Einerseits wird die Formel 1 durch das RRA wieder leistbarer, was weitere Ausstiege von großen Teams oder gar Automobilherstellern verhindern soll, andererseits werden aber viele Arbeitsplätze gefährdet. Nur die Mitarbeiter aus dem Marketingbereich sitzen relativ sicher auf ihren Stühlen, denn die Marketingbudgets sind bekanntlich nicht betroffen - damit die Formel 1 ihren Glanz nicht verliert, wie es heißt...

