• 02.08.2006 02:56

  • von Inga Stracke

Robert Kubica im großen 'F1Total.com'-Interview

BMW Sauber F1 Team Fahrer Robert Kubica, der in Ungarn seinen ersten Grand Prix bestreiten wird, stellt sich im ausführlichen Interview selbst vor

(Motorsport-Total.com) - Gestern wurde vom BMW Sauber F1 Team offiziell bestätigt, dass Robert Kubica am kommenden Wochenende in Ungarn seinen ersten Grand Prix bestreiten wird - als erster Pole der Formel-1-Geschichte! Der 21-Jährige kommt anstelle des verletzten Jacques Villeneuve zum Einsatz. Im ausführlichen Interview mit 'F1Total.com' stellt er sich selbst vor.

Titel-Bild zur News: Robert Kubica

Wunderknabe: Robert Kubica könnte in Ungarn einige Experten überraschen

Frage: "Robert, wie bist du zum Rennsport gekommen? War das etwas, was du schon als Kind immer machen wolltest?"
Robert Kubica: "Ich habe ziemlich jung begonnen, als ich viereinhalb Jahre alt war. Ich hatte ein kleines Auto mit zwei Gängen, das 40 km/h schnell war. Mit sechseinhalb Jahren bekam ich dann mein erstes Kart, aber in Polen darf man erst als Zehnjähriger Rennen fahren. Ich musste also drei Jahre lang warten und trainieren, bevor ich drei Jahre lang in der polnischen Meisterschaft fuhr, in der ich sechs Meistertitel gewann. In Polen kann man nämlich in mehreren Kategorien gleichzeitig fahren."#w1#

120 Kilometer bis zur nächsten Kartbahn

Frage: "Bist du auf dem polnischen Land aufgewachsen oder in der Stadt?"
Kubica: "Ich komme aus Krakau. Leider gibt es dort keine Kartbahn, so dass wir immer 120 Kilometer fahren mussten..."

"Mein Vater konnte selbst nie Rennen fahren, denn damals war das in Polen nicht gerade einfach." Robert Kubica

Frage: "Wie infiziert sich ein Kind, das 120 Kilometer von einer Kartbahn entfernt lebt, mit dem Motorsportvirus?"
Kubica: "Mein Vater konnte selbst nie Rennen fahren, denn damals war das in Polen nicht gerade einfach. Er ist aber ein leidenschaftlicher Motorsportfan. Zum Glück lief in den damaligen Jahren sein Geschäft recht gut. Er war sehr happy, als ich das wenigstens machen konnte. Als ich dann gut wurde, gefiel ihm das, denn er hat nicht nur viel Geld, sondern auch viel Zeit investiert, um mich zu lehren und mit mir zu reisen. Wir mussten mindestens ein- bis zweimal die Woche trainieren, also war er ziemlich beschäftigt mit mir. Meine Eltern haben alles gegeben, um mich in meiner Karriere zu unterstützen. Ich denke, dass sie jetzt sehr glücklich sein können, dass ich es in die Formel 1 geschafft habe."

Frage: "Was machen deine Eltern?"
Kubica: "Mein Vater hat seine eigene Firma, er vertreibt Drucker, und meine Mutter hat eine Grafik- und Computerfirma. Die Zeiten in Polen sind aber wirklich schwierig für sie. Es läuft nicht so gut..."

Frage: "Sie scheinen trotzdem ziemlich unabhängig zu sein. Trifft das auch auf dich zu?"
Kubica: "Man muss in dieser Welt wissen, was man will, und damit glücklich sein. Ich mache jetzt genau das, was ich als Kind immer schon machen wollte und wovon ich geträumt habe - und ich bin gut darin. Das macht mich natürlich happy."

Frage: "Mit welchem Auto sind du und dein Vater damals durch die Gegend kutschiert?"
Kubica: "Das waren verschiedene. Ich kann mich aber noch erinnern, dass wir 1998, als wir zur Kartmeisterschaft nach Italien gefahren sind, mit einem Iveco Daily unterwegs waren. Hinten hatten wir die Karts drauf, die Motoren und so weiter - und mein Vater, sein Freund, der als Mechaniker dabei war, und ich saßen im Auto. Wir wussten nicht, was uns dort erwarten würde, hatten keine Ziele. Eigentlich wollte ich nur ins Finale kommen, aber dann fuhr ich Pole Position und im Rennen wurde ich trotz einiger Fehler zweimal Zweiter. Ich kam aus Polen und niemand kannte mich - für unsere italienischen Konkurrenten waren wir Exoten! Am Start waren Europameister und die italienischen Meister aus dem Jahr davor. Daran habe ich sehr schöne Erinnerungen."

Kubica spricht Polnisch, Italienisch und Englisch

Frage: "Wo hast du so gut Englisch gelernt?"
Kubica: "Auf Rennstrecken und im Motorsport - genau wie Italienisch! Ich habe ja fünf Jahre in Italien gelebt, daher spreche ich viel besser Italienisch als Englisch."

Frage: "Auch ein bisschen Deutsch?"
Kubica: "Nein, nur ein bisschen. Wirklich nicht viel. Ich verstehe ein bisschen Deutsch. Vielleicht könnte ich es rasch lernen, wenn ich mehr Zeit mit Deutschen verbringen würde."

"Ich lebe noch in Polen, habe aber nur selten Zeit, mich dort aufzuhalten." Robert Kubica

Frage: "Hast du auch in Polen noch ein Zuhause?"
Kubica: "Ja. Ich lebe noch in Polen, habe aber nur selten Zeit, mich dort aufzuhalten. Ich war ja fünf Jahre lang in Italien - und damals hatte ich vielleicht zwei-, dreimal pro Jahr Zeit, zu meinen Eltern zu fahren. Sie kamen auch manchmal zu meinen Rennen nach Italien, aber eigentlich lebte ich zweieinhalb Jahre lang bei der Familie meines Teambesitzers. Danach war ich drei Jahre alleine. In dieser Zeit habe ich viele Dinge gelernt; das war eine gute Schule für das Leben."

Frage: "Was bedeutet dir Polen als Heimatland?"
Kubica: "Am Anfang kannte niemand meinen Namen, schon gar nicht in der Formel 1. Wie gesagt wurden wir immer von den Engländern und Deutschen als exotisch belächelt. Es gab damals keine Polen in den Serien, in denen ich fuhr, daher überrascht es mich, dass ich im Formel-1-Paddock schon einige Polen getroffen habe. Wir haben keine Motorsportgeschichte. Für mich persönlich ändert es überhaupt nichts, ob ich Pole bin, Engländer, Deutscher oder Amerikaner. Ich bin nur froh, dass ich hier bin, denn meine Nationalität war nicht gerade eine Hilfe. Es waren schon einige sehr harte Jahre dabei, in denen wir in Polen nach Sponsoren suchen mussten. Eigentlich hatten wir nie richtige Unterstützung, aber das beweist nur, dass ich nicht auf Unterstützung aus Polen angewiesen bin."

Frage: "Es gibt einen anderen bekannten polnischen Sportler, den Skispringer Adam Malysz. Kennst du ihn?"
Kubica: "Nicht wirklich. Wir haben uns ein-, zweimal getroffen."

Frage: "Du bist jetzt ständig im Fernsehen. Schauen dich die Leute in Polen jetzt mit anderen Augen an?"
Kubica: "Im vergangenen Jahr konnten die Leute zum ersten Mal sehen, was ich eigentlich mache, weil die World-Series-Rennen live übertragen wurden, wenn auch nicht von den großen TV-Sendern. Aber immerhin waren es Live-Übertragungen. Viele haben gesagt, dass ich in der Formel-3-Euroserie fahre, aber man kann von den Leuten in Polen nicht verlangen, dass sie die Formel 3 kennen, denn viele kennen ja nicht einmal die Formel 1!"

Popularität der Formel 1 in Polen im Wachsen

Frage: "Jetzt auch noch nicht?"
Kubica: "Es ändert sich gerade, aber die Formel 1 ist kein einfach zu lernender Sport, wenn man ihn nur von außen beobachtet."

Robert Kubica

In Bahrain bestritt Robert Kubica sein erstes offizielles Grand-Prix-Training Zoom

Frage: "Wie reagieren die Leute in deiner Heimat, wenn sie dich nach deinem Job fragen und du sagst, dass du Formel-1-Fahrer bist?"
Kubica: "Ich sage das nicht, denn ich möchte einfach und bodenständig sein. In Polen gibt es sehr viel Eifersucht und Neid. Die Leute glauben, dass ich mich gemütlich in mein Auto setze, ein paar Runden fahre und ein einfaches Leben habe. Das ist nicht mein Problem. Ich bin aber froh, dass mich so viele Leute unterstützen. Sie freuen sich mit mir - und ich mich natürlich auch."

Frage: "Was machst du, um dich fit zu halten?"
Kubica: "Joggen, Radfahren und so weiter - die üblichen Dinge. Das beste Training ist das Fahren in einem Formel-1-Auto. Dieses Jahr hat mir diesbezüglich wirklich geholfen, denn ich sitze jede Woche im Auto und bin bei vielen Testtagen im Einsatz. Wenn man frei hat, versucht man natürlich, sich mittels Training zu verbessern, aber während der Saison bleibt dafür nicht viel Zeit. Da möchte man nur den Fitnessstand halten - und durch das Fahren baut man automatisch Muskeln auf, speziell im Nacken. Die Autos sind viel schneller in den Kurven, viel schneller als in allen anderen Rennserien. Am Anfang war das schwierig für mich, aber inzwischen komme ich gut damit zurecht."

Frage: "Welche Hobbys hast du? Gehst du gerne ins Kino, liest du viel?"
Kubica: "Das wechselt. Zwei Jahre lang war ich immer beim Bowling. Ich habe sogar an einigen Wettbewerben in Polen teilgenommen, denn in den vergangenen beiden Jahren bin ich nicht allzu viele Rennen gefahren und fast keine Tests. Ich hatte nur zehn Rennwochenenden und ungefähr fünf Testtage. Ich bin einfach nicht der Typ, der herumsitzen und nichts tun kann, also ging ich zum Bowling. Seit ein paar Monaten spiele ich viel Squash."

Kubica nahm an Bowling-Wettbewerben teil

Frage: "Hast du beim Bowling auch mal ein Turnier gewonnen?"
Kubica: "Gewonnen nicht, aber mein bestes Resultat war der 16. Platz in der polnischen Meisterschaft. Ich habe das aus Spaß gemacht und nicht trainiert. Speziell 2004, als die Saison nicht allzu gut für mich lief, konnte ich dabei gut entspannen und abschalten."

"Bei meinen letzten fünf Besuchen im Kino bin ich viermal eingeschlafen!" Robert Kubica

Frage: "Und jetzt spielst du Squash..."
Kubica: "Genau. Außerdem spiele ich viel 'Virtual Rally' auf dem Computer. Ich mag auch polnische Filme, die ganz alten Schinken. Ins Kino gehe ich nicht so gerne, um ehrlich zu sein - bei meinen letzten fünf Besuchen im Kino bin ich viermal eingeschlafen!"

Frage: "Siehst du beim Fliegen viele Filme?"
Kubica: "Ich mag Komödien und Musikfilme, aber eigentlich interessiere ich mich nicht so dafür. Ich warte zum Beispiel nie auf die Veröffentlichung eines Films oder so."

Frage: "Als wir uns am Jahresanfang unterhalten haben, hast du gesagt, dass du nicht viel ausgehst. Hat sich daran etwas verändert, bist du jetzt ein Formel-1-Partytiger?"
Kubica: "Nein, überhaupt nicht. Ich bin einfach nicht der Typ dafür und werde da wahrscheinlich auch nie auf den Geschmack kommen."

Frage: "Hast du eine Freundin?"
Kubica: "Ja."

Frage: "Früher hatten die Formel-1-Fahrer immer ihre Mädchen im Schlepptau, waren ständig auf Partys. Ist die aktuelle Generation einfach ernsthafter als früher?"
Kubica: "Aus meiner persönlichen Sicht hat sich ja nichts daran geändert, was ich früher gemacht habe und heute mache. Ich weiß, was zu meinem Job dazugehört, und das mache ich so gut wie möglich. Partys sind da nicht hilfreich. Ich gebe immer mein Bestes."

Frage: "Was ist dein Ziel?"
Kubica: "Mein Ziel? Dieses Jahr möchte ich so viel wie möglich lernen, dem Team helfen. Ich möchte diese gute Gelegenheit, die ich bekommen habe, so optimal wie möglich ausschöpfen."

Oberstes Ziel: Genieße die Zeit in der Formel 1!

Frage: "Und was ist dein Ziel in der Formel 1 insgesamt? Der WM-Titel?"
Kubica: "Solange wie möglich zu bleiben. Mein eigentliches Ziel ist, es zu genießen. Sobald ich keinen Spaß mehr habe... Man soll nie sagen, dass man dann gleich aufhört, aber man muss Spaß an dem haben, was man macht. Das ist das Wichtigste. Viele Leute kommen zu mir und fragen mich, ob mir die Rennen nicht fehlen, aber ich antworte immer, dass ich es sehr genieße, was ich jetzt mache. Ich mag es, das Team und das Auto weiterzuentwickeln, denn es läuft immer besser. Wir haben wirklich gute Leute, die alles geben. Da hat man ein gutes Gefühl und dann kann man auch selbst an die Grenzen gehen."

"Wenn du als Formel-1-Fahrer einen Freund im Paddock haben willst, musst du dir einen Hund kaufen!" Robert Kubica

Frage: "Hast du im Fahrerlager Freunde?"
Kubica: "Es gibt ein Sprichwort: Wenn du als Formel-1-Fahrer einen Freund im Paddock haben willst, musst du dir einen Hund kaufen! Das stimmt eigentlich. Ich habe nicht allzu viele Freunde, schon gar nicht im Paddock. Ich kenne schon ein paar Fahrer - Nico (Rosberg; Anm. d. Red.) zum Beispiel, Christian (Klien; Anm. d. Red.), Robert Doornbos auch. Zu denen habe ich ein gutes Verhältnis. Wenn wir arbeiten oder testen, dann ist es aber so, als würden wir ins Büro gehen und unseren Job machen. Das ist alles."

Frage: "Du fährst in einem deutschen Team, hast einen deutschen Teamkollegen - aber gerade die Deutschen machen immer Witze über die Polen. Stört dich das? Hast du vielleicht einen Konterwitz?"
Kubica: "Ich sehe das gelassen, denn ich weiß ja, wie es in Polen wirklich abläuft. Man muss schon verstehen, dass nicht alle Polen gleich sind, genauso wenig wie alle Deutschen. Zwischen Deutschland und Polen gibt es einfach immer eine gewisse Rivalität. Ich kenne viele Deutsche, die Witze über Polen machen, aber das ist okay. Man kann eben nicht über sich selbst Witze machen, also muss man jemand anderes dafür finden! Das ist ja bei den Italienern, die immer die Franzosen veräppeln, nicht anders."