• 26.03.2014 13:43

  • von Stefan Ziegler

Rennvorschau Sepang: Heiß, feucht und unvorhersehbar

Was die Formel 1 in Malaysia erwartet: Wir blicken voraus auf das Hitzerennen in Sepang und nehmen die Rennstrecke sowie die Favoriten unter die Lupe

(Motorsport-Total.com) - "Wenn ein Auto in Sepang gut ist, kann man davon ausgehen, dass es auch auf anderen Strecken recht schnell ist." So weit die Theorie von Adrian Sutil. Und eben diese beschreibt sehr treffend, was an diesem Wochenende in Malaysia auf dem Spiel steht: nichts Geringeres als die erste "wahre" Standortbestimmung auf einer permanenten Rennstrecke. Allerdings unter verschärften Bedingungen.

Titel-Bild zur News: Sepang

Trügerische Idylle: Am Sepang Circuit sind rasche Wetterwechsel keine Seltenheit Zoom

Denn das äquatoriale Klima in der Region um die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur stellt Mensch und Material beim Grand Prix auf dem Sepang International Circuit alljährlich auf die ultimative Probe. Temperaturen bis 35 Grad Celsius, dazu eine enorm hohe Luftfeuchtigkeit und die Gewissheit, dass es irgendwann im Verlauf des Wochenendes heftig regnen wird - Malaysia gleicht einer Wundertüte.

Im Gegensatz zu anderen Rennplätzen ändern sich die Wetterverhältnisse hier so plötzlich, dass die Vorwarnzeit sehr gering ist. Und die Radarbilder, die den Formel-1-Teams an den Kommandoständen in der Boxengasse zur Verfügung stehen, lassen dort nur erahnen, mit welcher Intensität der Regen kommt, wenn er kommt. Manchmal muss dann der Rennbetrieb sogar komplett eingestellt werden.

2009: Jenson Button siegt im Abbruch-Rennen

Sie erinnern sich an 2009? Damals siegte Jenson Button im Brawn, nachdem der Grand Prix noch vor der Hälfte der Distanz abgebrochen worden war. Zu heftig prasselte der Regen auf den Asphalt, als dass an eine Fortsetzung des Rennens zu denken war. Und auch für diesen Sonntag sind just für den Rennstart um 17 Uhr Ortszeit (10 Uhr MESZ) Niederschläge angekündigt. Ein "leichtes Gewitter" soll es sein.

Pirelli-Motorsport-Direktor Paul Hembery nimmt es gelassen. Die Formel 1 hat schließlich bereits beim Auftakt in Melbourne einige Runden im Nassen zurückgelegt. "Da konnten die Teams ihre Erfahrung mit den neuen Intermediates und Regenreifen vertiefen", meint er. Gut möglich, dass die modifizierten Pneus in Sepang einer noch intensiveren Belastungsprobe unterzogen werden - einmal oder mehrfach.

Dämmerung in Sepang

Da braut sich was zusammen: Und so schnell kann sich das Bild wandeln... Zoom

Fast in jedem Jahr gab es in Malaysia, ähnlich wie in Spa-Francorchamps, an irgendeinem Zeitpunkt des Formel-1-Wochenendes mal Regen. Vier der vergangenen zehn Grands Prix wurden zumindest teilweise auf nasser Strecke abgehalten. Und doch ist das überraschende Wetter in diesem Jahr nicht das bestimmende Thema im Fahrerlager, wenn sich die Formel 1 auf das zweite Saisonrennen vorbereitet.

Das Wetter 2014: Nur eine Randerscheinung?

Mercedes-Teamchef Paddy Lowe bringt es auf den Punkt: "Normalerweise wird hier das Wetter als die größte Herausforderung angesehen, aber in dieser Saison ist alles anders. Das Hauptaugenmerk liegt bei jedem Team auf der Zuverlässigkeit." Zu neu ist die Formel-1-Technologie der Generation 2014, als dass sich die Rennställe mit ihren Neuwagen bereits auf der sicheren Seite wähnen.

Immerhin: 15 von 22 Fahrzeugen haben schon in Melbourne eine komplette Renndistanz absolviert (alle Ergebnisse aus Australien!). Auf einem semi-permanenten Stadtkurs, der zum Teil über öffentliche Straßen führt. Von der ersten "klassischen" Rennstrecke erhofft sich nicht nur Sauber-Pilot Sutil etwas mehr Aufschluss über das aktuelle Kräfteverhältnis in der Formel 1, sondern auch Formel-1-Safety-Car-Pilot Bernd Mayländer.

"Ich freue mich auf die nächste Standortbestimmung", schreibt der Deutsche in seiner Kolumne bei 'Motorsport-Total.com' (hier klicken!). Mayländer erklärt: "Malaysia hat normalerweise mehr Aussagekraft als der Auftakt in Australien. Jetzt geht es erst ans Eingemachte. Denn die Strecke in Malaysia ist eine echte Referenz für die Stärken und Schwächen eines Formel-1-Autos." Warum, das liegt auf der Hand.

Dreimal mehr als 250 km/h in den Kurven

Schon ein Blick auf das Streckenlayout (zum ausführlichen Streckenporträt!) verrät: Hermann Tilke hat es den Fahrern mit seinem Entwurf wahrlich nicht einfach gemacht. Auf einer Länge von 5,543 Kilometern warten fünf Links- und zehn Rechtskurven auf die Piloten. Dreimal befinden sich die Fahrzeuge in den Kurven jenseits von 250 km/h, viermal fällt die Geschwindigkeit aber auch unter 100 km/h. Im Schnitt fährt man 205 km/h.

Die zwei langen, jeweils rund einen Kilometer langen Geraden bilden das Herzstück der Strecke, die im Uhrzeigersinn befahren wird. Und diese Geraden sind auch ein Grund dafür, weshalb eine Runde zu knapp 65 Prozent unter Volllast absolviert wird. Der längste Vollgas-Anteil beträgt in Sepang 11,2 Sekunden. Doch nicht nur die neuen Formel-1-Antriebsstränge werden auf diesem Kurs gefordert.

Auch die Pirelli-Reifen - in Sepang kommen die Mischungen Medium und Hard zum Einsatz - werden auf eine harte Probe gestellt. Aufgrund des rauen Streckenbelags ist der Verschleiß hoch. Speziell der linke Vorderreifen hat in den vielen Rechtskurven zu leiden. Die schnellen Kurven, die teilweise über doppelte Scheitelpunkte verfügen, strapazieren diese Pneus enorm und erhitzen sie auf bis zu 120 Grad Celsius.

Was folgt auf Vettels Auftakt-"Nuller"?

Um all dies einmal in ein Verhältnis zu setzen: Die Reibungsenergie in Sepang ist die vierthöchste im gesamten Formel-1-Kalender. Nur Barcelona, Silverstone und Suzuka sind aus der Sicht der Pirelli-Pneus ein noch schwierigeres Pflaster. Hinzu kommen das bereits angesprochene Wetter, die noch immer neue Antriebsstrang-Technologie - und die "Altlasten" aus Melbourne. Denn nicht jeder hatte einen Traumstart.

Ausgerechnet Weltmeister Sebastian Vettel (Red Bull) war einer der Piloten, die beim Auftakt in Australien der Technik zum Opfer fielen und einen "Nuller" schrieben. "Da sollte man aber nicht zu viel hineininterpretieren", sagt der ehemalige Formel-1-Fahrer Jacques Villeneuve in der 'Sport Bild'. Er sei weit davon entfernt, Vettel oder dessen Team abzuschreiben. Nein, mit dem Deutschen sei zu rechnen.

In Melbourne habe Vettels RB10 "weder im Qualifying noch im Rennen funktioniert". Sofern der Red Bull dieses Mal rund laufe, werde Vettel zumindest im teaminternen Duell gegen Daniel Ricciardo, seinen neuen Stallgefährten, "klar" die Nase vorn haben, meint Villeneuve, fügt allerdings hinzu: "Ein Frontrunner ist der Red Bull in dieser Form nicht." Dieses Label haben sich in Melbourne andere verdient.

Mercedes wieder in der Favoritenrolle

Und die fahren einen Mercedes W05, von dem Villeneuve nachhaltig begeistert ist. "Es ist das einzige Auto, das im Moment richtig gut ausbalanciert aussieht. Der Mercedes hat Grip. Und wenn die Fahrer aufs Gas gehen, bricht das Heck nicht gleich aus. Dieses Auto erinnert mich an den McLaren von 1998", sagt Villeneuve. "Zuverlässig ist es obendrein." Und damit auch in Sepang in der Favoritenrolle.

"Außer", das gibt Villeneuve noch zu bedenken, "Lewis Hamilton und Nico Rosberg machen sich gegenseitig das Leben schwer." Was Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda beim 'Blick' zumindest nicht ausschließt, wenn er sagt: "Freie Fahrt. Bei mir gibt's keine Stallorder mehr." In Sepang 2013 war Rosberg noch aufgefordert worden, seinen Teamkollegen Hamilton nicht zu überholen.

Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Gewitterstimmung im Trockenen: Rosberg und Hamilton im Duell in Sepang 2013 Zoom

Diese Szene und natürlich "Multi-21" um Vettel und dessen damaligen Teamkollegen Mark Webber waren die bestimmenden Handlungsstränge des vergangenen Grand Prix' auf dem Sepang Circuit. Dieses Mal steht - zunächst - klar die Technik auf der Pole-Position. Erst einmal, so heißt es von den Teams, gilt es, die Fahrzeuge möglichst optimal auf den Härtetest in Malaysia vorzubereiten.

Alonso und Räikkönen als Sepang-Premieren-Duo

"Es gibt auf diesem Kurs sowohl schnelle Kurven als auch lange Geraden. Es wird also wichtig sein, dass man den richtigen Kompromiss aus Abtrieb und Luftwiderstand, also aus Anpressdruck in den Kurven und Topspeed auf den Geraden, hinbekommt", erklärt Red-Bull-Chefdesigner Rob Marshall. Er und sein Team haben diese Übung zuletzt gut beherrscht: drei Siege aus den letzten vier Rennen, jeweils mit Vettel.

Doch auch Fernando Alonso hat, genau wie Michael Schumacher, bereits drei Siege in Sepang eingefahren (hier klicken für die FIA-Fast-Facts zu Malaysia!). Eine interessante Statistik am Rande: Alonso jubelte in Malaysia bereits in den Farben von Renault, McLaren und Ferrari - zuletzt 2012. Im gleichen Jahr kam er von Startplatz acht. Weiter hinten stand in Sepang noch kein späterer Rennsieger, aber achtmal siegte dort schon der Pole-Sitter (Sepang in der Formel-1-Datenbank!).


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Malaysia

Und noch weitere Zahlen belegen, warum der Große Preis von Malaysia "immer ein besonderes Rennen" für Ferrari-Pilot Alonso ist. Dort hat er 2003 seine erste Pole-Position erzielt und sicherte sich tags darauf auch seinen ersten Podestplatz. Der Sieger damals: Alonsos jetziger Teamkollege Kimi Räikkönen. Der Finne erzielte in Sepang 2003 seinen ersten von bislang 20 Formel-1-Triumphen.

Mercedes ist vorn, Ferrari in Lauerstellung

Ob 2014 ein weiterer folgen kann? Die Bilanz von Ferrari liest sich unter allen Teams jedenfalls am besten: Schon sechsmal hat Rot in Malaysia gewonnen, doppelt so oft wie die schärfsten Verfolger. Doch genau in eben jener Rolle findet sich Ferrari in diesem Jahr wieder: Wer einen Antriebsstrang von Mercedes im Heck hat, dürfte am Sonntag gute Chancen haben, vor Ferrari ins Ziel zu fahren.

Gute Nachrichten also für die Silberpfeile, aber auch für die Mercedes-Kundenteams Force India, McLaren und Williams. Sie alle haben beim Saisonauftakt in Melbourne gepunktet, auf dem Podest standen (nach der Disqualifikation von Red-Bull-Fahrer Daniel Ricciardo) ausschließlich Fahrer mit Mercedes-Antriebsstrang. Doch Ferrari war ebenfalls mit zwei Fahrzeugen in den Top 10 vertreten.

Red Bull, die Weltmeister der vergangenen Jahre, finden sich hingegen ohne Punkte (fast) am Ende der WM-Tabelle (hier klicken!) wieder. Auch Sutil und Sauber haben bislang noch nichts Zählbares eingefahren. Zwei der vier deutschen Formel-1-Piloten, Sutil und Vettel, werden also am Wochenende alles daran setzen, ein Top-10-Ergebnis zu realisieren. Die Konkurrenz widmet sich derweil schon anderen Zielen.

Hamilton spricht ganz offen vom Sieg

Während Auftaktsieger Rosberg von seinem ersten Mercedes-Podestplatz aus der Saison 2010 schwärmt, sagt Hamilton (in Melbourne ausgefallen) über seine bisherige Malaysia-Ausbeute: "Bei meinem ersten Formel-1-Rennen auf dieser Strecke wurde ich 2007 Zweiter, und auch bei den vergangenen beiden Grands Prix stand ich auf dem Podium. Nur ein Sieg fehlt mir hier noch in meiner Sammlung."

Gelänge Mercedes in Malaysia schon der zweite Saisonsieg, es wäre vermutlich mehr als nur ein Fingerzeig, meint Mayländer. "Sepang ist die erste permanente Rennstrecke, auf der man sehen wird, wie der erste Teil der Saison verlaufen könnte. Auch wenn man das weiterhin mit Vorsicht genießen muss, denn die Teams befinden sich mit den neuen Regeln immer noch in der extremen Lernphase."


Fotostrecke: FIA-Fast-Facts: Malaysia

Am Sonntag, nach insgesamt 56 Rennrunden oder 310,408 Kilometern unter der sengenden Hitze am Sepang International Circuit, werden wir es genau wissen. Das glaubt auch Mercedes-Teamchef Lowe. Er sagt: "Wir gehen davon aus, dass diese Strecke ein präziseres Bild von der relativen Pace zwischen den Teams ermöglichen wird. Es dürfte in jedem Fall ein interessantes Wochenende werden..."