"Renngott war gegen uns": Mercedes im Verfolgerfeld am falschen Ende

Toto Wolff ärgert sich darüber, dass Mercedes genau am falschen Ende des engen Verfolgerfeldes gelandet ist - Wo hat man die Zeit in Silverstone verloren?

(Motorsport-Total.com) - "Heute war der Renngott wahrscheinlich gegen uns", seufzt Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Qualifying zum Großen Preis von Großbritannien 2023 in Silverstone. George Russell und Lewis Hamilton belegten dort am Samstag die Positionen sieben und acht.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton wird am Sonntag nur von Rang acht ins Rennen gehen Zoom

"Wir reden hier von Tausendsteln", erklärt Wolff, denn Russell fehlten im extrem engen Verfolgerfeld beispielsweise lediglich 0,007 Sekunden auf Charles Leclerc, 0,019 Sekunden auf Carlos Sainz und 0,063 Sekunden auf Oscar Piastri vor ihm.

"Ich denke, dass wir bis zu Kurve 13 mit dem Red Bull ziemlich gleichauf sind. Zwischen Max und unseren beiden Fahrern ist es genau das gleiche Niveau, alle [anderen] sind langsamer. Und dann verlieren wir [die Zeit] am Ausgang von Becketts und in Kurve 15", erklärt Wolff.

"Es fehlt an High-Speed-Performance", so der Teamchef. In der Tat zeigen die Daten, dass Russell auf seiner schnellsten Runde in Q3 bis zu Kurve 12 sogar knapp vor Polesitter Max Verstappen lag. Am Ende fehlten ihm aber satte 0,435 Sekunden.

Auch Hamilton konnte bis zu diesem Abschnitt der Strecke zumindest mit Verstappen mithalten und lag nur rund eine Zehntelsekunde zurück, am Ende der Runde war es fast eine halbe Sekunde. Es ist also klar, wo Mercedes die Zeit am Samstag verloren hat.

Mercedes hofft auf Rennpace und Strategie

Die Hoffnung besteht nun darin, dass es im Rennen am Sonntag besser läuft. "Unsere Longrun-Pace sah [am Freitag] gut aus, also hoffen wir, dass wir weiter nach vorne kommen können. Wir haben auch keine Änderungen am Auto vorgenommen, die der Rennpace schaden könnten", betont Andrew Shovlin.

"Wir würden es vorziehen, weiter vorne zu starten, denn das würde unsere Chancen auf einen Platz auf dem Podium sicherlich verbessern. Aber es gibt immer noch Möglichkeiten bei der Strategie, die es uns erlauben, einen Unterschied herzustellen", erinnert er.

Die wohl größte Überraschung lieferte am Samstag McLaren mit den Plätzen zwei und drei ab. "Es scheint, als hätten sie einen großen Schritt in Sachen Verständnis und Performance gemacht", lobt Wolff, der die Verschiebungen im Verfolgerfeld aber auch etwas "seltsam" findet.


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So habe es lange in der Saison danach ausgesehen, dass Aston Martin erster Red-Bull-Verfolger sei. "Und dann ist in Österreich plötzlich McLaren mit dabei", erinnert Wolff. In Silverstone konnte das Traditionsteam den starken Spielberg-Auftritt nun bestätigen.

"Ich denke, es ist sehr ermutigend, dass Aston Martin vom vergangenen zu diesem Jahr gewaltige Fortschritte bei den Rundenzeiten gemacht hat, und das Gleiche gilt für McLaren innerhalb der Saison", erklärt Wolff. Davor müsse man "den Hut ziehen".

Wolff: Neues Formel-1-Reglement funktioniert

Zudem sei es auch ein "gutes Beispiel" für Mercedes selbst, wie man das Ruder herumreißen könne. Und auch das Beispiel Williams zeige, dass es dank des neuen Reglements für kleinere Teams möglich sei, größere Sprünge zu machen und aufzuholen.

"Das haben wir gewollt", stellt Wolff klar und erklärt: "Ich glaube, von P2 zu P9 sind es [im Silverstone-Qualifying] zwei Zehntel. Das zeigt, dass die Regeln funktionieren." Tatsächlich sind es "nur" die Positionen zwei und sieben, zwischen denen am Samstag zweieinhalb Zehntel lagen.

Doch Wolff hat recht damit, dass es im Verfolgerfeld unglaublich eng war. Und selbst der Rückstand auf Max Verstappen, so der Mercedes-Teamchef, sei mit rund vier Zehntelsekunden auf einer langen Runde wie Silverstone gar nicht so eklatant.


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Trotzdem betont der Österreicher auch, dass Mercedes selbst "einfach nicht gut genug" gewesen sei. Der neue Frontflügel habe wie erwartet funktioniert, aber das alleine reichte nicht aus. Im Trainings am Freitag hatte man sogar mit beiden Autos die Top 10 verpasst.

"Wir mussten [am Freitag] unsere Referenzpunkte finden. Deshalb sah es in der Zeitenliste nicht so toll aus. Aber alles war solide", betont Wolff, der sich allerdings rückblickend darüber ärgert, die weichen Reifen im ersten Trainings nicht getestet zu haben.

Wann schwenkt Mercedes auf den W15 um?

"Hinterher ist man immer klüger. Wir wollten nicht mit den Softs fahren, weil wir eine Basis mit den härteren Reifensätzen etablieren und nicht nur eine Runde fahren wollten. Und da wir das nicht getan haben, hat es uns überrascht, wie schnell die Softs in FT2 überhitzt haben", so Wolff.

Der Teamchef verrät zudem, dass es in den kommenden Rennen weitere Updates für den W14 geben soll. "Zehntel können den Unterschied ausmachen", erklärt er im Hinblick auf das enge Silverstone-Ergebnis. Doch wie lange entwickelt man das aktuelle Auto überhaupt noch weiter?

"Das ist etwas, das wir im Moment abwägen", verrät Wolff. Denn viele Teams schwenken bei der Entwicklung langsam schon auf 2024 um. Doch Wolff erklärt, dass der Kampf aktuell so eng sei, dass man weiterhin pushen müsse. "Also sollten wir den Fuß nicht vom Gas nehmen", betont er.

Fest steht für das 2024er-Auto übrigens bereits, dass Mercedes die Position des Fahrers nach hinten verschieben wird. Das hatte Lewis Hamilton ja bereits vor einiger Zeit gefordert. "Das ist etwas, das wir als möglichen Diskussionspunkt vom Tisch nehmen wollen", erklärt Wolff.

"Bei den Daten sehen wir keine großen Abweichungen von dem, was das Auto tun sollte. Aber dieses Auto bleibt eine Wundertüte, also werden die Fahrer nach hinten rücken", kündigt er an. Das alleine wird Mercedes aber nicht plötzlich zurück an die Spitze bringen.