Renault: Unkonventionell zum WM-Titel
In der Formel 1 ist es riskant, völlig andere Wege zu verfolgen als die Konkurrenz, im Fall von Renault hat sich diese Strategie ausbezahlt
(Motorsport-Total.com) - Um das dominante Ferrari-Team zu schlagen, musste sich die Konkurrenz in den vergangenen Jahren einiges einfallen lassen. Für die Gegner der Italiener war klar, dass man mit einem gewöhnlichen Entwicklungsschritt kein Auto bauen kann, das dem roten Renner aus Maranello das Wasser reichen kann.

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Der Renault R25 war ein sehr effizientes Auto
Dabei stellte man sich jedoch immer wieder selbst ein Bein und unterstützte damit Ferrari unfreiwillig. Der Traditionsrennstall baute in den vergangenen Jahren zweifelsohne sehr gute Autos, die schnell und zuverlässig waren, aber gleichzeitig war die Dominanz vor allem deshalb so eklatant, weil die Gegner sich verkalkulierten.#w1#
Die Konkurrenz versagte Jahr für Jahr

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Der FW26 mit seiner ungewöhnlichen Nase war eine Fehlentwicklung Zoom
Williams landete mit dem seltsamen Frontflügelkonzept einen Flop, McLaren-Mercedes verkalkulierte sich mit einem zu radikalen Auto und Renaults Rechnung mit dem 110-Grad-V10-Motor ging ebenfalls nicht auf. In diesem Jahr machten Renault und McLaren-Mercedes ihren Job wesentlich besser und konnten Ferrari verdient hinter sich lassen, das kein konkurrenzfähiges Paket auf die Beine stellen konnte.
Interessant ist, dass Renault auch in diesem Jahr "aus der Reihe tanzte". So setzte man einen Zehnzylinder mit einem Zylinderbankwinkel von 72 Grad ein, was eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist. Um den Schwerpunkt zu senken, fahren die anderen Teams mit 90-Grad-Motoren, was die Franzosen 2006 übrigens ebenfalls tun werden. Dass Renault ausgerechnet vom 110-Grad-Konzept auf ein 72-Grad-Modell wechselte, hat viele Experten verblüfft.
Man braucht nicht den stärksten Motor, um Weltmeister zu werden

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Am Renault R25 war der 72-Grad-V-Winkel ungewöhnlich Zoom
Unter Insidern galt der RS25 nicht als der stärkste Motor, aber er war extrem zuverlässig und verfügte vor allem über ein gutes Drehmoment. Wo man in Bezug auf die Leistung im Vergleich zur Konkurrenz stand, weiß selbst Chefingenieur Pat Symonds nicht: "Wir haben Ewigkeiten damit verbracht, die Konkurrenten zu analysieren", so der Brite gegenüber der 'motorsport aktuell'. "Aber so richtig schlau sind wir daraus nie geworden."
Letztes Jahr stellte der Motor für das Team einen großen Nachteil dar, in diesem Jahr war dies nicht mehr der Fall: "Im letzten Jahr war der Motor so schwach, dass wir mit extrem wenig Flügel fahren mussten. Das brauchten wir dieses Jahr nicht mehr. Aber McLaren schien generell mit etwas mehr Downforce fahren zu können als wir."
Zu Saisonbeginn war Renault im Vorteil
Der McLaren-Mercedes war in diesem Jahr unter dem Strich das schnellste Auto, doch gegen Saisonende konnte man mit den Silberpfeilen wieder gleichziehen. Das neue Reglement mit dem höheren Frontflügel und dem beschnittenen Diffusor kostete das Team zunächst 25 Prozent Abtrieb: "Zwei Drittel davon haben wir durch Neuentwicklungen wieder zurück gewonnen"; verrät der 52-Jährige.
Ein weiterer Vorteil war die Tatsache, dass Renault zu Saisonbeginn weichere Reifen fahren konnte als die Konkurrenz der "Silberpfeile", was sich natürlich positiv auf die Rundenzeiten auswirkte. Etwa ab Imola konnte man bei McLaren-Mercedes gleichziehen und dieser Vorteil war weg, der Vorsprung aber groß genug, um dem restlichen WM-Kampf entspannt entgegen zu blicken.
Letzter Entwicklungsschub kam in Brasilien

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Symonds schickte gegen Saisonende ein großes Update auf die Strecke Zoom
"In Brasilien haben wir einen richtig großen Schritt gemacht - mit einem neuen Unterboden, einer neuen Karosserie und anderen Luftleitblechen", so der Brite. "Damit haben wir viel Abtrieb gewonnen, ohne die aerodynamische Effizienz zu opfern. Brasilien war allerdings schon ein bisschen spät..." Doch Renault konnte beide WM-Titel für sich entscheiden und die gesammelten Erkenntnisse werden in das nächstjährige Modell mit einfließen.
Dass McLaren-Mercedes das schnellere Auto hatte, machte Symonds "verrückt": "Es ist unglaublich schwer, gegen jemanden zu bestehen, der schneller ist. In der Türkei fuhren wir um 1,8 Sekunden pro Runde langsamer. Da mussten wir unsere Rennstrategie ändern, um überhaupt noch eine Chance zu haben."
Ungewöhnliche Gewichtsverteilung
Neben dem Motor war auch etwas anderes am Auto von Renault außergewöhnlich: "Wir waren das einzige Team, das an der Vorderachse permanent eine ganz andere Reifenkonstruktion verwendete", verrät Symonds. "Das liegt an der Gewichtsverteilung in unserem Wagen, in dem der Schwerpunkt weiter hinten liegt als beim Rest. Nicht mehr so weit wie im Vorjahr zwar - aber dennoch deutlich spürbar."

