• 10.01.2002 15:34

  • von Fabian Hust

Renault glaubt an die eigene Motorphilosophie

Patrick Faure und Jean-Jacques His über den revolutionären Motor, seine Probleme sowie über die Fahrerwahl 2002

(Motorsport-Total.com) - Lediglich ein einziges Foto existiert im Moment von Renaults geheimnisumwobenen Motor RS21. Jenes Foto, das den Blick unter die Motorabdeckung des letztjährigen B201 freigibt, bestätigt aber lediglich nur das, was alle schon seit letztem Jahr wissen: Renaults Motor verfügt über einen extrem großen Zylinderkopföffnungswinkel. Wie groß dieser ist, darüber schweigen sich die Franzosen aus. Die Rede ist von 110 Grad ? doch bestätigen will das niemand.

Titel-Bild zur News: Jarno Trulli

Renault-Pilot Jarno Trulli bei den Testfahrten in Barcelona

Der Entwicklungsschritt, den Renault in der vergangenen Saison machte, war gewagt. So war es auch kein Wunder, dass man 2001 noch unter dem Namen Benetton-Renault antrat und erst in dieser Saison die Autos umlackiert und unter dem Namen Renault antreten lässt: "Als wir das Auto im Februar 2001 vorstellten, da machten wir bereits deutlich, dass es ein Jahr des Übens werden wird", so Renault-Chef Patrick Faure in einem Interview auf der Renault-Webseite. "Wir setzten uns keine Ziele in Form von Platzvorgaben sondern wir wollten Ende der Saison soweit sein, dass wir die Saison 2002 mit einem Team unter die Räder nehmen können, das in der Lage ist, Rennen zu gewinnen."

Auftritte waren für Renault oft Negativwerbung

Auch wenn Formel-1-Experten Renault nach den ständigen Verbesserungen im Verlauf der vergangenen Saison ein paar Überraschungen zutrauen, bleibt es fraglich, ob man einen solch großen Schritt nach vorne machen kann, dass man schon 2002 Rennen aus eigener Kraft Rennen gewinnt. Faure muss eingestehen, dass man schon Anfang der vergangen Saison bald merkte, dass die Saison "schwieriger als erwartet werden sollte, da es Zeit brauchte, den innovativen Motor gesund zu bekommen."

Für Jean-Jacques His, den Chef der Formel-1-Motorenabteilung von Renault, war es teilweise eine Qual, die Rennen im Fernsehen anzuschauen: "Mir war klar, dass dies für das Image von Renault nicht immer gut sein würde", so der Franzose in der 'motorsport aktuell'. "Technisch war das Jahr so schwierig wie erwartet." Es sei eine "bittere Pille" gewesen, genau zu wissen, dass man ein volles Jahr Entwicklungszeit benötigen wird. "Was der Motor wirklich taugt, werden wir erst in der zweiten Saison erleben. An diesem Ziel hatte sich eigentlich nie etwas geändert."

70 bis 100 PS zu wenig

Mit wie viel PS Rückstand Renault in die Saison 2001 gestartet war, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Experten beziffern das Manko auf 70 bis 100 PS. Erst nach Hockenheim "begann der Motor wirklich seine Leistung zu entfalten und das Chassis erfuhr signifikante Verbesserungen", wie Faure den Leistungssprung erklärte, der mit dem dritten Platz von Giancarlo Fisichella in Spa an einem Ergebnis fest gemacht werden konnte. Für Faure steht fest, dass damit "die Saisonziele erreicht waren", nach dem man sich im letzten Saisondrittel meist um den zehnten Platz herum qualifizieren konnte.

Noch zur Saisonhälfte war man sich bei Renault jedoch "nicht sicher" gewesen, ob man mit dem revolutionären Motoren den richtigen Schritt gemacht hat. Doch jetzt sei man davon überzeugt, dass man die richtige Wahl getroffen hat. "Wir wollten einen niedrigen Schwerpunkt erreichen um dem Auto eine bessere dynamische Balance zu verleihen", so Faure. "Der sehr weite V-Winkel war ebenfalls die richtige Wahl, wie wir das in den nächsten Jahren noch beweisen wollen."

Mehr als 80 Kilometer waren nicht drin

Leistungsmäßig war man Ende der Saison am Ziel, nur die Zuverlässigkeit stimmte noch nicht. Das lag unter anderem daran, dass zahlreiche Zulieferbetriebe noch nicht auf der notwendigen Qualitäts- und Quantitätsebene arbeiten konnten wie noch vor ein paar Jahren als sie Renault zu Williams- und Benetton-Zeiten schon einmal belieferten. Jetzt müssen die Kapazitäten erst wieder aufgebaut werden. So waren einige Motoren, die Renault gerade gegen Saisonende in der Qualifikation einsetzte, nicht für eine Laufzeit von über 80 Kilometern (!) ausgelegt. Dies erklärt, warum die Fahrer in den Freien Trainings davor oft untätig in der Box standen.

Der neue RS22 für die Saison 2002 wird nach Aussage von His in einigen Bereichen "etwas konservativ", was sich angesichts des ungewöhnlichen Motorkonzepts natürlich etwas seltsam anhört. Doch die zahlreichen Probleme, die man im Winter und zu Saisonbeginn vergangenes Jahr hatte, führten dazu, dass man nicht viele Erkenntnisse über den Motor sammeln konnte. Als das Grundkonzept des RS22 im März und April 2001 festgelegt wurde, waren so einige Gebiete nicht ausreichend genug ausgetestet worden und es mussten deshalb konservativere Lösungen eingeplant werden.

Der RS23 wird noch radikaler ausfallen

Sowieso will man erst mit dem RS23, der in der Saison 2003 sein Renndebüt geben wird, die Ziele erreicht haben: "Dort werden jene Lösungen drinstecken, die wir anstreben", so His. "Der RS23 wird ein radikaler Schritt sein. Wir werden weniger Kompromisse eingehen müssen." Mit anderen Worten: Der Motor wird noch viel leichter werden und sein Schwerpunkt wird noch weiter abgesenkt sein. Und im Motor wird wohl keine Nockenwelle mehr zu finden sein. Ein solches System könnte laut His eingebaut werden, aber "eine Entscheidung ist noch nicht gefallen."

Für Renault scheint es schon beim RS21 genügend Gründe gegeben zu haben, nur unter einem "Duschvorhang", komplett abgeschirmt von den neugierigen Blicken, am Motor zu arbeiten. Doch während der RS22 eigentlich fast eine Kopie des RS21 wird, soll der RS23 noch einmal ein Technologie-Schritt nach vorne sein, wie His erklärt. Noch ist die Formel 1 im Motorenbereich nicht ausgereizt, es wird revolutionäre Entwicklungen geben, welche dies sind, darüber schweigt sich Renault natürlich aus. Klar ist nur, BMW und Co. müssen nachziehen, wollen sie gegen Renault nicht das Nachsehen haben.

"Trulli ist aggressiver als Fisichella"

Bei aller Technik sind natürlich auch die Fahrer nicht zu vergessen. In der vergangenen Saison war es Giancarlo Fisichella, der die Kohlen aus dem Feuer geholt hatte, da der Italiener mehr Geld verlangte als Renault zahlen wollte, holte das Team Jarno Trulli von Jordan und hofft auf noch bessere Ergebnisse: "Er ist ein wenig aggressiver als Fisichella", meint Faure. "Trulli hat eine unglückliche Saison hinter sich und schreit nach Rache. Er ist hungrig auf Erfolg." An Button hält das Team trotz mäßiger Erfolge fest. Erstens, da man den Vertrag erfüllen möchte und zweitens, da Button "regelmäßig Ralf Schumacher schlagen konnte. Wir warten nun ab, was mit ihm in der Saison 2002 passieren wird."