• 11.06.2001 12:27

Reaktionen nach dem "Deutschen Vierfach-Sieg"

BMW und Ralf Schumacher ganz oben, Michael Schumacher und Mercedes dahinter - in Deutschland wurde gejubelt

(Motorsport-Total.com/dpa) - Der "Kleine" hat beim jüngsten historischen Höhepunkt der Schumacher-Festspiele respektlos für einen Rollenwechsel gesorgt. Zwei Wochen vor dem Heimspiel auf dem Nürburgring fiel der meiste Glanz beim ersten Doppelerfolg eines Bruderpaars in der 52-jährigen Formel-1-Geschichte auf den strahlenden Sieger Ralf Schumacher. Der "Große" musste sich als Zweiter beim Großen Preis von Kanada mit der für ihn eher ungewohnten Rolle als Co-Star begnügen. Dennoch hatte Michael Schumacher mit seiner Niederlage im packenden Bruder-Duell keine Probleme: "Wenn ich schon verliere, dann am liebsten gegen Ralf", sagte er gelassen und fügte hinzu: "Mama und Papa werden sehr stolz auf uns sein. Das ist ein wunderschöner Familientag."

Titel-Bild zur News: Das Siegertrio von Kanada

Ein historischer Moment - Doppelsieg für ein Brüderpaar

"In Kanada gewinnt wieder einmal die Formel Schumi. Diesmal triumphiert Ralf", urteilte die italienische Zeitung 'Corriere della Sera'. Und 'La Repubblica' schrieb den schnellen Brüdern ins Stammbuch: "Die Schumacher-Dynastie regiert. Der kleine Schumi wird so langsam ein ganz Großer." Doch noch bedeutet der Umsturz von Montreal in der Hierarchie der Familien-Formel keine Wachablösung: Zunächst bleibt der große Bruder und dreimalige Weltmeister der unumschränkte Herrscher der "Königsklasse".

Allerdings hat Kronprinz "Schumi II" mit seinem zweiten Grand-Prix-Sieg innerhalb von acht Wochen erstmals ernsthaft am Thron von König "Schumi I" gerüttelt und bekräftigt, dass er ein ernsthafter und würdiger Nachfolger wäre. "Das ist natürlich ein großer Tag für uns", jubelte der BMW-Williams-Pilot: "Ich bin total glücklich. Es war ein großartiges Rennen." Der drittplatzierte Finne Mika Häkkinen feixte: "Zum Glück gibt es keine drei Schumachers."

Auch wenn der Doppelsieg mit vorangegangener Doppel-Pole im Qualifikationstraining - dabei allerdings in der "normalen" Rangfolge Michael vor Ralf - keine Dominanz auf ewig signalisiert, ist er doch die beste Ouvertüre für den nächsten Akt des Schumi-Festivals: Beim Heimrennen der beiden Rheinländer am 24. Juni auf dem Nürburgring, rund 70 km von ihrem Geburtsort Kerpen entfernt, wird jetzt erst recht die Hölle los sein. "Es wäre natürlich toll, wenn wir dieses Resultat in Deutschland so wiederholen könnten, auch wenn das Michael nicht so gern hören wird", rechnet Ralf mit einer Riesenparty in der Eifel. "Aber ich denke, egal, wer von uns beiden dort vorn liegen sollte, für die Zuschauer wäre es riesig." Schon die Bilder aus Montreal sorgten für einen neuen Saisonrekord bei RTL: 14,63 Millionen Zuschauer bescherten dem Privatsender einen Marktanteil von 46 Prozent. Tendenz steigend: Im Vorjahr hatten beim Großen Preis von Kanada knapp zehn Millionen Menschen vor dem TV-Gerät gesessen.

Für feucht-fröhliche Festivitäten blieb nach dem Familienfest in Montreal keine Zeit. Nach der ausgiebigen Champagner-Dusche auf dem Siegespodium noch ein, zwei Bierchen bei Formel-1-Festwirt Karlheinz Zimmermann - das war's fürs erste. Bereits gegen sechs Uhr abends ließen sich beide nach dem üblichen Interview-Marathon und dem obligatorischen Briefing im Helikopter zum Flughafen fliegen. Schon am Mittwoch stehen die nächsten Testfahrten in Silverstone an.

Die Party soll auf jeden Fall nachgeholt werden. Schließlich genoss Ralf Schumacher erst zum zweiten Mal das köstliche Gewinn-Gefühl. "Klar waren beide Siege schön, aber diesmal war die Sache viel runder", spielte er auf die Besonderheit an, den Bruder nach einem teilweise packenden Duell "erstmals im Rennen besiegt" zu haben und zudem "gegen Ferrari zu gewinnen, das ist eine tolle Sache".

Statistik-Muffel Michael strich den geschichtlichen Aspekt heraus: "Wir sind das erste Brüderpaar in der Formel 1, das Platz eins und zwei belegt. Wenn ich überhaupt etwas auf Statistiken gebe, dann in diesem Fall. Ich hoffe, dass wir die noch ausbauen können." Der Titelverteidiger konnte sich zudem darüber freuen, dass sein einziger ernsthafter WM-Rivale David Coulthard nach einem Motorplatzer am McLaren-Mercedes in der 56. von 69 Runden auf dem Circuit Gilles Villeneuve ausrollte. Dadurch baute der Spitzenreiter seinen Vorsprung in der WM-Wertung auf 18 Punkte gegenüber dem Schotten aus.

"Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass ich die WM noch gewinnen kann", kündigte Coulthard trotz seines technischen K.o. einen harten Kampf an. "Coulthard wird verrückt. Titelambitionen erlitten blöden Albtraum", urteilte die britische Zeitung 'Daily Star'. Trotzdem rechnet Schumacher weiter mit dem Verfolger: "Im letzten Jahr hatte ich nach Kanada auch viele Punkte Vorsprung. Ich kann mich erinnern, dass damals schon so getan wurde, als ob ich Weltmeister wäre."

Das BMW-Williams-Lager wehrte sich heftig dagegen, nun wie nach dem ersten Sieg beim Großen Preis von San Marino zu den WM-Kandidaten gezählt zu werden. "Das ist dieses Jahr kein Thema. Nach Imola hat man uns auch schon hochgejubelt", schränkte "Schumi II" ein: "Aber wir haben noch Probleme mit der Aerodynamik und je nach Wetter mit den Reifen." BMW-Sportdirektor Gerhard Berger: "Ralf hat die Chance Rubens Barrichello abzufangen und Dritter in der Fahrer-WM zu werden. Das ist realistisch."