• 23.06.2006 11:29

  • von Inga Stracke

Ralf Schumacher: "Man muss Geduld haben"

Ralf Schumacher über Fortschritte und Stillstand bei Toyota, die Perspektiven für 2007, schlechte Starts, das Rennwochenende in Montréal und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ralf, wir haben schon fast Saisonhalbzeit. Wie lautet deine erste Bilanz?"
Ralf Schumacher: "Im Großen und Ganzen ist die Saison bisher insofern zufrieden stellend verlaufen, als wir von der Pace her gut dabei waren. Wir haben das viertschnellste Auto im Feld, was angesichts der größer gewordenen Leistungsdichte in diesem Jahr sicher nicht schlecht ist. Wegen des einen oder anderen Ausfalls und wegen etwas Pech schafften wir nicht immer das Resultat, zu dem wir fähig gewesen wären, aber auch das wird sich sicherlich verbessern."

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher

Ralf Schumacher weiß, dass sich der Erfolg nicht über Nacht einstellen wird

Frage: "Schauen wir mal auf die Konkurrenz. Wer überrascht dich positiv und vom wem hättest du mehr erwartet?"
Schumacher: "Es ist eigentlich alles wie erwartet eingetreten. Renault liegt wie erwartet vorne. McLaren ist nicht ganz so stark wie im vergangenen Jahr, aber ansonsten gibt es keine Überraschungen."#w1#

Rücksichtnahme auf die Bremsen kann entscheiden

Frage: "Montréal ist ein sehr anspruchsvoller Kurs, sehr hart für die Bremsen. Wie arbeitet man als Fahrer eigentlich mit den Bremsen?"
Schumacher: "Indem man sie benutzt! Das ist ja hier gar nicht anders möglich. Je nachdem, für welche Strategie man sich entscheidet, muss man halt im Rennen auch mal ein bisschen Rücksicht auf die Bremsen nehmen, also etwas weniger oder früher bremsen, um sie nicht ganz so stark zu beanspruchen. Sonst hat man am Ende des Rennens vielleicht keine Bremsen mehr. Ich hatte hier auch schon Rennen - beziehungsweise Teamkollegen von mir -, die wir aufgeben mussten, weil der Bremsverschleiß zu hoch war."

"Meistens ist es bei den Karbonbremsen so, dass sie bis zum Schluss einwandfrei funktionieren und dann einfach explodieren." Ralf Schumacher

Frage: "Wie macht sich der Bremsverschleiß bemerkbar? Wie spürt man das als Fahrer?"
Schumacher: "Im Auto merkt man das relativ wenig, es sei denn man hat hohe Temperaturen. Das Pedal wird halt einfach lang und weich und die Bremswirkung lässt etwas nach. Meistens ist es bei den Karbonbremsen allerdings so, dass sie bis zum Schluss einwandfrei funktionieren und dann einfach explodieren, so dass ein Rad gar nicht mehr bremst. Ich glaube aber, dass mittlerweile kein Team mehr Bremsprobleme haben sollte."

Frage: "Was erwartest du aus Toyota-Sicht von diesem Wochenende?"
Schumacher: "Ich glaube, dass wir im Qualifying zwischen sechs und acht stehen werden - vielleicht auch ein bisschen besser, wenn es optimal läuft. Dann hoffen wir auf ein starkes Punkterennen. Alles andere muss man auf sich zukommen lassen, aber die vorderen Punkteränge sind realistisch."

Frage: "Welche Entwicklungen werden euch bei den nächsten Rennen schneller machen?"
Schumacher: "Das ist wie immer ein kontinuierlicher Prozess, der hoffentlich in die richtige Richtung geht. Optimistisch, wie wir sind, gehen wir davon aus. Das wird sicherlich noch ein paar Rennen dauern, aber dann sollten größere Schritte zu erkennen sein."

Frage: "Hast du euren neuen Frontflügel schon getestet?"
Schumacher: "Nein."

Toyota arbeitet derzeit an den schlechten Starts

Frage: "Warum sind die Starts neuerdings ein Problem für euch?"
Schumacher: "Das ist eine Sache, an der wir im Moment noch arbeiten. Die Begründung kann ich an dieser Stelle nicht geben. Wir kennen die Ursache, aber das ist eine Sache, die nicht ganz so einfach ist."

"Aus dem Problem in Monaco wollten wir lernen - und das haben wir in Silverstone nicht optimal getroffen." Ralf Schumacher

Frage: "Es war ja zweimal das gegenteilige Symptom: In Monaco war die Drehzahl im Keller, in Silverstone hattest du Wheelspin..."
Schumacher: "In Silverstone hatten wir Wheelspin, das stimmt. Aus dem Problem in Monaco wollten wir lernen - und das haben wir in Silverstone nicht optimal getroffen."

Frage: "Statistisch gesehen geht bei euch in diesem Jahr mehr kaputt als früher. Habt ihr vielleicht zu viel riskiert?"
Schumacher: "Das sind Dinge, die schon länger am Auto sind - wo es unerklärlich ist, dass sie kaputtgehen. Man kann das nicht auf eine Fehlleistung als solche oder auf ein Risiko zurückführen. Sicherlich ist das störend, aber wir haben es bereits in Angriff genommen."

Frage: "Ärgerst du dich sehr darüber, dass es nicht so schnell vorangeht wie erhofft?"
Schumacher: "Nein. Das bringt die Formel 1 eben so mit sich, dass man Geduld haben muss. Man muss realistisch bleiben. Wir hatten sicherlich einen sehr schwierigen Saisonbeginn, speziell im ersten Rennen. Es gab viel zu tun und es gibt viel zu tun - und das kann man nicht immer so schnell machen, wie man es sich wünschen würde. Die anderen Teams stehen ja auch nicht still."

Frage: "Parallel laufen ja auch schon die Entwicklungen für 2007. Bist du da zufrieden mit den Fortschritten?"
Schumacher: "Das ist noch in einem sehr frühen Stadium, was das neue Auto betrifft. Wir beschäftigen uns noch nicht damit, sondern wir konzentrieren uns auf das aktuelle Auto, wo es ja auch noch einiges an Arbeit zu erledigen gibt."

Schumacher bereut seinen Wechsel zu Toyota nicht

Frage: "Als du bei Toyota unterschrieben hast, warst du dir recht sicher, dass es vorwärts gehen würde. Muss man sich nun auch mal fragen, ob die Voraussetzungen wirklich vorhanden sind?"
Schumacher: "Es ist ein kontinuierlicher Prozess, dass man sich selbst und das Grundsätzliche immer wieder überprüft, aber das hat nichts damit zu tun, dass ich nicht dran glaube, dass es funktioniert. Es ist eine Sache, die mehr Zeit in Anspruch nimmt, aber man muss auch sagen, dass ich nicht erwartet habe, dass es schneller gehen würde. Ich glaube, dass das vergangene Jahr überraschend gut war für uns, aber dadurch wurde die Erwartungshaltung fast unrealistisch hochgesteckt."

Frage: "Warst du schon mal an einem Punkt, an dem du deine Entscheidung bereut hast?"
Schumacher: "Nein. Solche Punkte habe ich grundsätzlich nie in meinem Leben."

Ralf Schumacher

Solche Momente wie in China 2005 gibt es für Ralf Schumacher bei Toyota selten Zoom

Frage: "Wie kommst du denn als mehrfacher Grand-Prix-Sieger in dieser Phase deiner Karriere mit einer solchen Dürreperiode zurecht?"
Schumacher: "Ich muss ehrlich zugeben, dass es natürlich schönere Dinge geben würde. Am liebsten würde ich seit zehn Jahren jedes Rennen gewinnen, ganz klar. Manchmal gibt es schon Momente, in denen man nicht glücklich ist, aber andererseits ist es auch motivierend, wenn man wie in Silverstone ein schwieriges Wochenende hatte und dann plötzlich im Qualifying auf Platz sieben fahren kann. Von der Strategie her waren wir auch sehr schwer unterwegs. Darüber kann man sich genauso freuen wie über einen Sieg oder über eine Pole Position. Es kommt immer darauf an, wo man steht. Man muss eine gewisse Geduld und ein Stück Realismus mitbringen. Natürlich möchte ich Rennen gewinnen, aber zum jetzigen Zeitpunkt habe ich gegen einen starken Gegner wie Renault einfach keine Chance."

Frage: "War es denn realistisch, zum Zeitpunkt deines Wechsels den WM-Titel mit Toyota als Ziel auszugeben?"
Schumacher: "Das war schon realistisch. Es ist ja eine sehr langfristige Zusammenarbeit. Dass ich nicht im ersten oder zweiten Jahr Weltmeister werden würde, war mir schon klar. Das habe ich ja auch bei Williams gelernt, dass so etwas manchmal länger dauern kann als man glaubt - und es immer noch nicht zum Erfolg führt. Solche Dinge können natürlich passieren, aber das ändert nichts daran, dass man eine Zielsetzung hat. Die Voraussetzungen sind hier sicherlich gegeben."

Motivation leidet nicht unter derzeitigen Resultaten

Frage: "Euer Saisonziel war ein Sieg, wonach es nicht mehr aussieht. Wie überträgt sich das auf das Team? Werden die nervös, weil es eher rückwärts als vorwärts gegangen ist?"
Schumacher: "Man kann sagen, dass man von außen nach den letztjährigen Ergebnissen her mehr erwartet hätte, aber intern war uns klar, dass es am Anfang nicht ganz so leicht werden würde. Das hat man auch gesehen. Es ist glaube ich niemand so enttäuscht, dass er ein Stück seiner Motivation verlieren würde. Natürlich hätten wir uns darüber gefreut, wenn 2006 genauso stark begonnen hätte, wie 2006 aufgehört hat. Das war nicht der Fall. Es zeichnet ein starkes Team aber auch aus, dass man trotzdem unbeirrt weiterarbeitet - und das tun wir derzeit. In der Formel 1 kann sich das Blatt mit gewissen Änderungen am Auto ganz schnell ändern. Renault ist sehr stark und wird nie ein leichter Gegner sein, aber alles, was in die richtige Richtung geht und sich nach vorne orientiert, so dass wir am Ende des Jahres auf das Podest fahren können, ist in Ordnung für uns. Das erwarten wir auch, ganz klar."

Frage: "Wirst du 2007 bei Toyota weiterfahren?"
Schumacher: "Ja. So ist es angedacht."

"Ich denke, dass alles so bleiben wird, wie es ist." Ralf Schumacher

Frage: "Wer wird dein Teamkollege sein?"
Schumacher: "Keine Ahnung. Das muss man Toyota fragen, nicht mich. Ich denke, dass alles so bleiben wird, wie es ist, aber ich weiß es nicht."

Frage: "Man hört, dass du zu Red Bull Racing wechseln könntest..."
Schumacher: "Grundsätzlich wird im Moment einiges verwechselt. Ich habe keine Ahnung, wer irgendwo fahren wird. Ich habe ja einen Vertrag und sehe keinen Grund dafür, daran irgendetwas zu ändern."

Frage: "Wie nimmst du denn das Transferkarussell eigentlich wahr?"
Schumacher: "Gar nicht. Ich bekomme es nur deswegen mit, weil ich von euch Journalisten mal auf BMW, mal auf Mercedes angesprochen werde. Kürzlich hat mich sogar jemand auf Renault angesprochen - und jetzt auch noch Red Bull. Ansonsten würde ich das nicht wahrnehmen, um ehrlich zu sein."

Transfergerüchte lassen Schumacher kalt

"Wenn man schnell genug ist, entwickeln sich diese Dinge eh von alleine." Ralf Schumacher

Frage: "Macht es einen Unterschied, wenn man einen Vertrag für das nächste Jahr in der Tasche hat und sich nicht ins Gespräch bringen muss?"
Schumacher: "Es kommt immer auf den Stand der jeweiligen Person an. Ich habe mir darüber nie großartige Gedanken gemacht, denn das Ganze geht nur so lange weiter, wie man schnell genug ist. Wenn man schnell genug ist, entwickeln sich diese Dinge eh von alleine. Die Gerüchte werden immer von den Leuten in Umlauf gebracht, die nicht gut genug sind. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, wo das alles nichts mehr bringt. Das ist einfach der Lauf der Dinge."

Frage: "Wo wird denn Kimi Räikkönen deiner Meinung nach 2007 fahren?"
Schumacher: "Um ehrlich zu sein: Mir ist das völlig egal. Daher mache ich mir keine Gedanken darüber."

Frage: "Glaubst du, dass dein Bruder nach dem Urlaub mit seiner Frau jetzt eine Zukunftsentscheidung getroffen hat?"
Schumacher: "Wieso fragst du mich das? Ich war nicht dabei. Keine Ahnung."

Frage: "Du arbeitest seit etwa einem halben Jahr nicht mehr mit Willi Weber zusammen. Hast du jetzt mehr Arbeit oder hat sich dadurch nichts verändert?"
Schumacher: "Für mich hat sich nichts geändert, nein."

Frage: "Ich weiß, dass du kein großer Fußballfan bist, aber die WM interessiert dich schon, oder?"
Schumacher: "Ja. Ich habe schon einige Spiele gesehen, denn hier hatten wir an den vergangenen Tagen ja genug Zeit dafür. Das macht schon Spaß, speziell wenn die deutsche Mannschaft so spielt wie bisher."