• 24.03.2011 10:18

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Rätselraten bei Sauber, aber Platz acht nicht gut genug

Peter Sauber spricht über die rätselhaften Wintertests 2010, warum diese Saison anders verlaufen soll und was seine Fahrer dazu beitragen müssen

(Motorsport-Total.com) - Das Sauber-Team schaffte in der zweiten Saisonhälfte 2010 eine deutliche Steigerung, doch nach den starken Auftritten im Testwinter, in dem die Schweizer schon als mögliche Überraschung des Jahres gehandelt wurden, war Platz acht in der Konstrukteurs-WM doch enttäuschend. "Position acht ist definitiv eine Region, die uns nicht gefällt - das ist klar", antwortet Teamchef Peter Sauber auf die Frage nach den Zielen für 2011 und definiert das "vordere Mittelfeld" als eben solches.

Titel-Bild zur News: Peter Sauber

Peter Sauber erwartet, dass sich sein Team im Vergleich zu 2010 steigern kann

2010 sei nach dem Ausstieg von BMW und dem Zerplatzen des Deals mit dem mysteriösen Investor Qadbak, von dem man in Hinwil seither nie wieder etwas gehört hat, "kein Übergangsjahr, sondern ein Neustart" gewesen. Trotzdem waren die Ergebnisse im Jahr eins nach BMW schlechter als erwartet, denn: "Das Fahrzeug wurde noch mit dem normalen Budget und vollem Personal entwickelt und gebaut und hätte eigentlich schnell sein müssen. Für mich war es eine Riesenenttäuschung."

"Im letzten Jahr war der Unterschied zwischen Wintertests und den Rennen sehr krass", erinnert sich Sauber an den Winter 2010, als sein Team teilweise mit den Schnellsten mithalten konnte, dann aber sechs Rennen hintereinander keinen WM-Punkt holte. "Das kam nicht von den 15 Kilo, die wir leichter gefahren sind", vermutet der Schweizer. "Man liest manchmal, dass wir leicht gefahren sind. Dem war nicht so. Statt mit 50 Kilo Standardgewicht sind wir mit 35 Kilo gefahren."

Rätsel von 2010 noch nicht gelöst

"Ich habe das nicht entschieden, aber der Grund war sehr einfach: Die Autos sind vom Reglement her um 15 Kilo schwerer geworden, also hatten wir so eine vergleichbare Gewichtsbasis. Das erklärt zwar fünf Zehntel, aber schlussendlich hat beim ersten Rennen mehr gefehlt - zwei Sekunden vielleicht. Woher das kam, weiß ich bis heute nicht. Ich kann mir das nicht erklären", gesteht er. "Wenn Sie mich fragen, ob ich hier etwas Ähnliches erwarte, dann muss ich sagen: Hoffentlich nicht!"

"Ich weiß nicht, ob es schon einmal so schwierig war, eine Standortbestimmung zu machen", sagt Sauber im Hinblick auf das Kräfteverhältnis für 2011. Auch sein eigenes Team wagt er nicht einzuschätzen: "Ich kann nur sagen, dass wir dieses Barcelona-Paket gebracht haben, das eigentlich das Paket für Bahrain gewesen wäre. Das ist in dem Umfang, wie wir es erwartet haben, angekommen. Das war für uns ein positiver Schritt."

¿pbvin|512|3526||0|1pb¿"Bei Longruns konnte man ein bisschen hingucken, denn da muss ja jeder mit 140, 150 Kilo losfahren. Aber die unterschiedlichen Reifen machen so viel aus - nicht nur ob weich oder hart, sondern auch ob gebraucht weich oder gebraucht hart, ob schon vier Runden auf dem Reifen drauf sind oder acht. Das macht wesentlich mehr aus als in der Vergangenheit und das ist der Hauptgrund, warum es so schwierig ist, das Kräfteverhältnis einzuschätzen", erläutert der 67-Jährige.

"Es gab Qualifying-Runs, nicht nur von uns. In der Regel fährt man die nicht mit 50 Kilo, sonst macht das keinen Sinn. Aber ob man die zum Beispiel mit Soft oder Supersoft gefahren ist, macht einen Riesenunterschied. Beim einen wurden die Supersofts schneller, beim anderen blieben sie gleich. Darum habe ich wirklich kein Gefühl, wo man steht", sagt Sauber und analysiert: "Wir alle gehen davon aus, dass Red Bull vorne wegfahren wird, obwohl die das nie gezeigt haben."

Karten in Barcelona offengelegt

Sauber hat mit dem C30 hingegen sehr wohl die Karten aufgedeckt, als Sergio Perez in der letzten Testwoche in Barcelona in 1:21.7 Minuten Tagesbestzeit fuhr und nur um eine halbe Sekunde hinter der Wochenbestmarke von Michael Schumacher zurückblieb. "Das war eine Qualifikationszeit. Mit Soft ist er 1:22.0 gefahren und mit Supersoft 1:21.7", versucht der Teamchef gar nicht erst, aus der Zeit mehr zu machen, als sie in Wahrheit ist.

Zustande gekommen ist die Perez-Zeit im Zuge des Qualifying-Teils einer vollständigen Rennwochenend-Simulation. Das stimmt Sauber optimistisch: "Das Positive war, dass Sergio zum ersten Mal mit dem Druck umgehen musste, in der einen Runde schnell zu sein und keinen Fehler machen zu dürfen. Das hat sowohl mit Soft wie auch mit Supersoft funktioniert", lobt er und betont, dass Perez dann auch mit den angefahrenen Pirellis ins gedachte Rennen startete.


Fotos: Sauber, Großer Preis von Australien


Grundsätzlich sei es zwar noch "viel zu früh", den erst 21-jährigen Mexikaner zu beurteilen, aber zu einem Urteil lässt er sich schon hinreißen: "Er macht fast keine Fehler", sagt Sauber und zählt auf, dass Perez im ganzen Winter nur einmal, nämlich in Jerez de la Frontera, neben der Strecke gestrandet ist. Daher unterstreicht er: "Ein Rookie ist immer ein gewisses Risiko, aber wir haben damit gute Erfahrungen gemacht."

"Unsere Zielsetzung ist, möglichst regelmäßig in die Punkte zu fahren, um unsere WM-Position zu verbessern", gibt er vor und verlässt sich diesbezüglich natürlich vor allem auf Kamui Kobayashi, der in seiner zweiten vollen Formel-1-Saison schon die Rolle des Teamleaders übernehmen muss: "Er bekommt zusätzliche Verantwortung, obwohl wir darüber nie gesprochen haben. Aber die bekommt er automatisch. Ich glaube, dass er dieser Aufgabe gewachsen ist", so Sauber.

Erster Japaner ohne Werksunterstützung

Generell hält er viel vom 24-jährigen Japaner: "Ich glaube, Kamui ist der erste Japaner, der einen Formel-1-Vertrag ohne direkte oder indirekte Unterstützung durch einen Hersteller bekommen hat. Ich habe ihn engagiert, weil ich geglaubt habe, dass er gut ist", behauptet der Schweizer. "Die Erwartungen, die ich in ihn gesetzt habe, hat er mehr als erfüllt. Daher glaube ich, dass er jetzt bereit ist, den nächsten Schritt zu machen."

Peter Sauber und Monisha Kaltenborn

In Geschäftsführerin Monisha Kaltenborn hat Peter Sauber volles Vertrauen Zoom

In Hinwil habe sich seit 2010 "einiges geändert, auch von der Struktur her. Das kommt sicher durch die neue Führung in Hinwil, Frau Kaltenborn, und durch James Key, den Technischen Direktor. Willy Rampf hat das Team doch über viele Jahre sehr geprägt", gibt Sauber zu Protokoll. Die Veränderungen seien aber notwendig gewesen, denn "die Zeit der Ungewissheit war sehr schwierig", bezieht er sich auf den Ausstieg von BMW.

Statt BMW liefert nun wieder Ferrari die Motoren - und nicht nur die, sondern auch das Getriebe und das Hybridsystem KERS. Trotzdem war Sauber angeblich das Team, das im Winter die meisten roten Flaggen verursacht hat. "So habe ich das nicht empfunden", wundert sich der Teamchef über diese Rechnung. "Zum Teil haben wir rote Flaggen verursacht, weil wir den Tank leer gefahren sind. Wir hatten Probleme mit KERS, aber das war schon das Wesentliche."

Neben zwei Fahrfehlern, aufgeteilt auf die beiden Fahrer, sorgte vor allem KERS für Kopfzerbrechen. Sauber ist aber guter Dinge, dass diese Baustelle inzwischen bereinigt ist: "Es war nicht einfach herauszufinden, wo das liegen könnte, denn die Probleme waren bei uns wesentlich größer als bei den anderen beiden Teams, die das gleiche Produkt fahren. Ich hoffe, dass man es ausreichend analysieren konnte", teilt er mit.