Pirelli: "Würde alles passen, wären wir besorgt"

Wieso Pirelli-Sportchef Hembery über ausbleibende Reifenprobleme in Barcelona überrascht wäre und was Nick Heidfeld über die Reifenpanik denkt

(Motorsport-Total.com) - Der Bahrain-Test hätte den Teams hohe Temperaturen beschert, in Barcelona muss man hingegen mit Höchstwerten im Bereich von 15 Grad Celsius Lufttemperatur und einer Streckentemperatur von leicht über 20 Grad auskommen. Zudem beeinträchtigte leichter Regen den ersten Testtag. Das ist bitter, zumal die Teams bisher große Probleme mit dem Reifenverschleiß hatten und Pirelli stets argumentiert, dass der Reifen für höhere Temperaturen gebaut wurde. Wie der Gummi bei rund 30 Grad Celsius reagiert, bleibt den Teams also weiterhin ein Rätsel.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Den Reifen kommt 2011 deutlich mehr Bedeutung zu als noch im Vorjahr

"Die Temperaturen sind nicht viel besser als beim letzten Mal", bestätigt Pirelli-Sportchef Paul Hembery. "Am Morgen war es meist ein bisschen kälter, so bei vier bis fünf Grad gegen neun Uhr. Heute Morgen waren wir schon in luftigen Höhen von acht Grad - am Nachmittag sind die Temperaturen dann aber auf zwölf bis 13 Grad gefallen, es gab überhaupt keinen Sonnenschein."

Reifenpanik nicht gerechtfertigt?

Das ist weit weg vom optimalen Wirkungsfenster des Reifens. "Wir hätten gerne 25 Grad Streckentemperatur gehabt", bestätigt der Brite. "Das wäre während der Saison im unteren Bereich. Wir haben alle Rennen der vergangenen zwei Jahre analysiert und abgesehen von zwei Mal in zwei Jahren gab es nie unter 20 Grad."

Dass derzeit kein Reifengummi auf der Strecke haften bleibt und der Kurs über den Tag hinweg nie schnellere Rundenzeiten zulässt, beunruhigt Hembery nicht. Ganz im Gegenteil: "Wäre es anders, würden wir uns Sorgen machen - und zwar, wenn der Reifen bei höheren Temperaturen nicht funktionieren würde. Wenn wir hierher gekommen wären und alles gut funktioniert hätte, dann hätte das bedeutet, dass wir möglicherweise bei 40 bis 45 Grad Streckentemperatur Probleme bekommen. Diese Temperaturen wird es während der Saison mit Sicherheit geben."

Heidfeld rechnet in Melbourne nicht mit Erkenntnissen

Kein Wunder, dass der Pirelli-Sportchef seine Reifen verteidigt. Doch wie sieht Renault-Pilot Nick Heidfeld die Lage? "Es ist für alle eine Unbekannte", antwortet der Mönchengladbacher auf die Frage, ob es ihm Sorgen bereite, dass er den Reifen nie bei hohen Temperaturen probiert hat. "Wir müssen mit der Situation leben. Es stimmt aber, dass sich die Strecke nicht stark verbessert. Es gibt viele Steine auf der Strecke, Pirelli glaubt, dass sich das bei höheren Temperaturen verbessert. Wir werden es aber erst später in der Saison herausfinden."


Fotos: Testfahrten in Barcelona


Möglicherweise ist die Situation noch nicht einmal beim Auftaktrennen in Melbourne geklärt, vermutet Heidfeld: "Manchmal ist es auch dort kalt." Unter der aktuellen Reifensituation leiden aber nicht nur die Fahrer, sondern vermutlich auch bald die Zuschauer. Da die Pneus nicht länger als eine Runde lang schnelle Zeiten zulassen und das Kontingent der Pneus stark limitiert ist, werden die Piloten große Teile des Freien Trainings in der Box verbringen.

Sorgen um die Zuschauer

"Wir haben gesehen, dass die Reifen nicht so lange halten wie die Bridgestone-Reifen. Das ist nicht optimal für die Zuschauer", befürchtet Heidfeld. "Am Freitag haben wir in der ersten Session einen Satz Reifen, da wird nicht viel gefahren. Ich mache mir um die Zuschauer Sorgen." Jetzt denkt man bei Pirelli darüber nach, die Freitage auch zur Entwicklung neuer Gummimischungen zu nutzen.

Dem kann der Renault-Pilot einiges abgewinnen: "Ich mag diese Idee." Ob sein Team dies unterstützen wird, weiß er aber noch nicht: "Es kommt darauf an, wie wir bei den ersten Rennen aussehen. Wenn wir stark sind und mit den Reifen besser zurecht kommen als andere, dann sind wir dagegen - das ist klar. Man will natürlich immer bessere Reifen und ein schnelleres Auto haben, wenn einem die Reifen aber gut liegen, dann will man daran nichts ändern."

Wie sich Qualifying und Rennen verändern könnten

Auch das Qualifying wird dieses Jahr anders ablaufen als noch im Vorjahr, glaubt Heidfeld. Jetzt muss aller Voraussicht nach jeder Versuch sitzen, da die Reifen keine zweite schnelle Runde zulassen. Der Routinier rechnet damit, dass die Toppiloten nun schon zu Beginn des Qualifyings aus der Reserve gelockt werden: "Der Unterschied zwischen den Reifenmischungen ist deutlich größer als zu Bridgestone-Zeiten", weiß Heidfeld.

"Dadurch müssen vielleicht sogar die Fahrer der Topteams gleich die weichen Reifen benützen, in der Vergangenheit kamen sie teilweise mit den harten Reifen durch. Jetzt ist aber der Unterschied so groß, dass sie früher auf die weichen Reifen setzen müssen."

Während die Teams derzeit in Hinblick auf die Trainingssitzungen mit vielen Unbekannten leben müssen, gilt dies auch für die Rennen selbst. "Die Reifensituation könnte sich je nach den Temperaturen anders gestalten", glaubt Heidfeld. "Den Teams ist nach den Tests und den Rennsimulationen klar, dass wir mehr Boxenstopps haben werden. Das ist neu für die Zuschauer und auch ein neues Strategieelement. Man kann versuchen, viele Dinge zu berechnen und zu simulieren, doch wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass sich die Sachlage verändern kann."