Pirelli und die Datenwolke: Komplex im Stadtkomplex

Für Pirelli gestaltet sich das Abenteuer Singapur als besondere Herausforderung: Selten gab es größere Diskrepanzen zwischen Zeiten und einzelnen Daten

(Motorsport-Total.com) - Vor dem Großen Preis von Singapur dampfen die Köpfe nicht nur bei den Verantwortlichen der Teams, sondern auch bei Pirelli. Dies ist nicht etwa der hohen Luftfeuchtigkeit im asiatischen Stadtstaat geschuldet, vielmehr bereiten die Reifenmischungen mal wieder Kopfschmerzen. "Ich habe mit den Ingenieuren gesprochen und ein Debriefing abgehalten. Es war vermutlich das komplexeste Debriefing, das wir hatten", erklärt Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery nach dem Trainingsfreitag.

Titel-Bild zur News: Paul Hembery

Paul Hembery wartet in Singapur noch auf die große Erleuchtung Zoom

Was der Brite damit meint, ist, dass insbesondere der Medium-Reifen bei allen Teams unterschiedlich funktioniert. "Wir hatten Angaben von fünf Kurven bis 22 Runden zwischen den einzelnen Teams", schildert Hembery in Bezug auf die Lebensdauer der Pneus. Doch die scheint in Singapur wohl nur zweitrangig zu sein. Der Pirelli-Mann glaubt nämlich nicht, dass man im Rennen häufig den Reifen mit der weißen Außenflanke zu Gesicht bekommen wird: "Der Rennreifen wird der Supersoft sein, dieser wird versucht, so lange wie möglich am Leben erhalten zu werden."

Denn kein Team möchte sonderlich lange auf den langsamen Gummiwalzen durch die Straßenschluchten von Singapur zuckeln. Mit dem Supersoft geht es nämlich zwei Sekunden und mehr schneller. Da staunt auch McLaren-Pilot Jenson Button nicht schlecht: "Ich habe bei meinem Versuch auf weichen Reifen drei Sekunden gefunden", erzählt der Brite, der seinen MP4-28 für den wohl größten Zeitenspagatmeister hält. "Das müssen wir in den Griff bekommen, sonst tut uns das im Rennen weh."

Kurzeinsatz der Mediums?

Auch Hembery zeigt sich ob der großen Diskrepanz überrascht. "Es ist rund eine halbe Sekunde mehr, als wir simuliert hatten", gibt er zu. Dadurch wird die Strategie bei den meisten Fahrern schon vorgezeichnet sein, glaubt er. "Ich kann schon sehen, dass die Leute es so hinbiegen wollen, dass sie möglichst wenig Runden auf dem Medium drehen wollen - vielleicht acht oder zehn am Ende des Rennens."

"Der Medium ist in der unglücklichen Situation, dass man eventuell durchdrehende Räder bekommt, wenn man nicht genügend Abtrieb auf der Hinterachse hat. Manche haben gesagt, dass der weiche Reifen vielleicht besser gewesen wäre. Aber wir haben gesehen, dass der weiche Reifen in diesem Jahr ein sehr hohes Arbeitsfenster hat. Wir hätten also mit diesem Reifen nur mehr Graining und Überhitzen riskiert. "

Die kurze Einsatzzeit der Weißwandreifen funktioniert natürlich nur, wenn strategisch alles nach Plan verläuft. In Singapur war das bislang aber immer ein Trugschluss. "Aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit einer Safety-Car-Phase müssen die Strategien so flexibel wie möglich angelegt sein", weiß der Brite. Der Einsatz des Safety-Cars könnte also zusätzliche Würze in das Rennen bringen, das ohnehin meist spektakulär und spannend ist. Ohne Safety-Car deutet für Pirelli alles auf eine Zweistopp-Strategie hin.

Quali: Wer ist der König der Reifensparer?

Besonders spannend könnte es auch morgen im Qualifying zugehen. Zwar erscheint der Supersoft-Reifen die logische Wahl bei der großen Zeitendifferenz zwischen den einzelnen Mischungen, gleichzeitig wollen die Teams aber natürlich die schnellen Supersofts für das Rennen aufsparen. "Red Bull könnte schon fast auf den Mediums fahren", lacht Hembery, "alle anderen müssen das abwägen. Es sind immerhin zwei Sekunden Unterschied in der Performance."

Überhaupt erwartet der Motorsportchef besonders die Roten Bullen in der Favoritenrolle. Und auch mit Mercedes müsse zu rechnen sein, wie sich in Monaco gezeigt hat. "Wir haben erwartet, dass Mercedes hier schnell ist, nachdem was wir in Monaco gesehen haben. Wenn es um Bremsen und Traktion ging, waren sie gut."

Supersoft-Reifen von Pirelli

Es wäre praktisch, wenn am Sonntag noch Supersofts im Schrank wären Zoom

Gespannt ist er auf jeden Fall, wie sich das Wochenende entwickelt, denn noch nie in diesem Jahr habe der Brite so viele Unterschiede in den Daten und Performances der Reifen zwischen den einzelnen Teams erlebt. Und einen Ausblick auf 2014 soll Singapur ebenfalls bieten: "Hier geht es eher um den Reifenabbau und weniger um den Verschleiß. Der spielt hier keine Rolle", erklärt Hembery. Was das mit 2014 zu tun hat? "Es kommt darauf an, wie man den hitzebedingten Abbau in den Griff bekommt. Das ist eine gute Übung für nächste Saison."