Pferdewagen, Streunerhunde und Formel 1 in Istanbul
Lokalaugenschein in Istanbul sechs Monate vor dem ersten türkischen Grand Prix - Marc Surer drehte zwei Runden in einem AMG-Mercedes
(Motorsport-Total.com/sid) - Mit einem freundlichen Schwanzwedeln empfängt der schwarz-braune dreibeinige Hund den Kleinbus, zwischen Schaufelbaggern und Baumaschinen lungert mindestens ein halbes Dutzend seiner Artgenossen und beäugt neugierig und ein bisschen ängstlich die ankommenden Besucher. "Viel Arbeit für Corinna Schumacher", sagt Marc Surer. Die Ehefrau des siebenmaligen Formel-1-Weltmeisters hat an den Rennstrecken der Welt schon viele Streunerhunde eingesammelt, selbst behalten oder an Freunde vermittelt.

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Luftaufnahme von der neuen türkischen Rennstrecke in der Nähe von Istanbul
Im August hat sie dazu wieder reichlich Gelegenheit, dann nämlich gastieren Michael Schumacher und Co. zum ersten Mal in der Türkei. 55 Kilometer vom touristischen Stadtzentrum des 16-Millionen-Molochs Istanbul entfernt entsteht in der Gegend von Tuzla/Tepeören das 'Istanbul Otodrom'.#w1#
Veranstalter zuversichtlich: "Ende Mai ist alles fertig"
Genau ein halbes Jahr vorher sieht es in der anatolischen Provinz nicht so recht danach aus, als sei man im Sommer bereit für den millionenschweren Tross und die gigantischen Motorhomes. Zwei leicht angerostete Schilder mit der Aufschrift "Istanbul Formula 1" führen über enge, staubige Feldwege quer durch dörfliches Ambiente mit Pferdefuhrwerken und Gänseherden ans Ziel. "Kein Problem", sagt Bülent Özerdim von der ausrichtenden 'MSO', dem türkischen Gegenstück zur 'Nürburgring GmbH': "Ende Mai ist alles fertig."
Das bedeutet noch reichlich Arbeit für die Türken. Das Hauptgebäude mit Paddock und Pressezentrum ist immerhin zumindest äußerlich fertig, ebenso die Boxengasse mit den bereits montierten blauen Rolltoren. Gegenüber an der Start- und Zielgeraden bietet die Haupttribüne 25.000 Besuchern Platz, insgesamt rechnen die Veranstalter mit bis zu 150.000 Zuschauern am Rennwochenende. Die Eintrittspreise liegen gut 20 Prozent unter dem europäischen Schnitt, 18.000 Tickets sind bislang innerhalb der Türkei verkauft worden. "Das Interesse wird schon noch kommen", sagt Özerdim. "Die Türken planen nicht so lange im voraus, sie denken zeitnah."
80 Millionen Dollar kostet das Projekt, komplett finanziert von der Handelskammer in Istanbul. Antalya und Izmir waren die Mitbewerber der Weltmetropole am Bosporus, doch letztlich bekam Istanbul den Zuschlag - 20 Millionen Menschen im unmittelbaren Einzugsgebiet waren ein nicht zu schlagendes Argument. Hotels gibt es an der Rennstrecke keine, sie sind in dem ländlichen Gebiet auch nur schwer vorstellbar.
Die Anfahrt aus dem Zentrum, so verspricht Özerdim, soll allen Beteiligten so leicht wie möglich gemacht werden. Mit dem Fähr-Schnellboot über den Bosporus soll man beispielsweise in weniger als einer halben Stunde am Zielhafen sein, wo Shuttlebusse für das letzte Stück bereitstehen werden. Nur zehn Kilometer von der Strecke entfernt liegt Istanbuls zweiter Flughafen 'Sabiha Gökcen'.
5,378 Kilometer und ein recht hoher Schwierigkeitsgrad
Die Sonne sinkt bereits, als Marc Surer im schwarzen AMG-Mercedes ein paar Runden auf der von dem Aachener Hermann Tilke gebauten Strecke dreht. 5,378 Kilometer gegen den Uhrzeigersinn, ein extrem hügeliges Gelände mit einem maximalen Höhenunterschied von immerhin 43 Metern und 14 zum Teil tückische Kurven werden den Fahrern einiges abverlangen.
"Von der Schwierigkeit her ist der Kurs im oberen Drittel der aktuellen Formel-1-Strecken anzusiedeln", erklärt Surer, während er versucht, vier unangenehme Linkskurven hintereinander im selben Radius zu durchfahren. Ein leicht querstehendes Baufahrzeug verhindert das ehrgeizige Unterfangen, Surer muss auf die Bremse.
Der freundliche dreibeinige Hund sitzt bei der Abfahrt noch immer am Bus, seine Kollegen haben das Interesse an den Besuchern verloren. Einer der Bauarbeiter tätschelt Dreibein den Kopf und teilt ein Brot mit ihm. "Meiner", erklärt er und nutzt die Gelegenheit, um schnell mal seine Fachkenntnisse in Sachen Formel 1 unter Beweis zu stellen: "'Schumi' ganz groß, mega-super", sagt er und reckt den Daumen in die Höhe. Zumindest um sein freundliches Dreibein wird sich Corinna Schumacher nicht kümmern müssen...

