• 19.06.2001 12:03

"Ökobauer" Ralf Schumacher im Rampenlicht

Vor dem Großen Preis von Europa redet alles von Deutschlands neuem Siegerfahrer Ralf Schumacher

(Motorsport-Total.com/dpa) - Er ist gefragt wie nie, er ist umworben wie nie - und nun kann Ralf Schumacher seinem erfolgreichen Bruder Michael erstmals auch auf heimischem Terrain die Show stehlen. Mit zwei Grand-Prix-Siegen hat sich der BMW-Williams-Pilot beim bevorstehenden "Heimspiel" am Nürburgring mit in die Favoritenrolle und den Mittelpunkt des Interesses von Fans und Teamchefs gefahren. Und doch gibt es für den Aufsteiger des Jahres ganz klare Grenzen, vor allem beim "Bruderkampf" auf der Strecke. "Michael und ich haben einen relativ großen Überlebenstrieb. Von daher werden wir da auch vorsichtig sein", sagte Ralf Schumacher in einem dpa-Gespräch vor dem Großen Preis von Europa auf dem Eifelkurs.

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher

Nach vielen Jahren ist auch Ralf Schumacher unter die Sieger gegangen

Erfolg, Familienglück und womöglich bald ein noch besser dotierter Vertrag: Der "Kleine" folgt dem "Großen" in dieser Saison mit einer sagenhaften Rasanz in allen Bereichen nach. Aber Ralf Schumacher wird nie eine jüngere Kopie des dreimaligen Champions werden. Der 25- Jährige bleibt ein Original und lässt sich nicht in Rollen drängen. "Ich habe nicht vor, die Leitfigur für irgendetwas zu spielen. Ich fühle mich nicht als Vorbild für irgendjemanden", betonte der Kerpener.

Dass er beim Grand Prix am Nürburgring am Sonntag (14.00 Uhr/live in RTL und Premiere World) nur unweit seines Elternhauses und vor deutschem Publikum noch mehr im Mittelpunkt des Interesses stehen wird als sonst, nimmt der derzeitige Vierte der Fahrer-WM eher gelassen hin. "Es ist natürlich schön, vor deutschen Fans zu fahren. Wobei das ja bisher immer sehr rot-lastig war", weiß er um die bisherigen Präferenzen des Publikums für den Ferrari-Star. Andererseits sei die "Erwartungshaltung der Fans nach dem letzten Rennwochenende in Montreal natürlich sehr hoch". Die Atmosphäre vor Heimpublikum schätzt er zwar. Aber "letztendlich machen wir unseren Job und konzentrieren uns auch nur auf den Job".

Ralf Schumacher hat das Kunststück geschafft, trotz des vor ihm in die Formel 1 gestarteten Bruders, trotz dessen Erfolgen und trotz des berühmten Namens aus dem Schatten des Ferrari-Stars zu treten, sich ganz unabhängig weiterzuentwickeln und sich bei aller sportlichen Konkurrenz blendend mit Michael zu verstehen. "Ich hatte und habe nie das Ziel, besser zu sein als mein Bruder. Ich wollte und will mir meine Wünsche erfüllen", sagte er der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung'. Er habe sich nie an Michael orientiert, "dazu bin ich viel zu dickköpfig".

Die Spekulationen, nach den derzeitigen Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung mit BMW-Williams könne er seinem Bruder bald auch in punkto Gage nahe kommen, konterte "Schumi II" ebenfalls lässig: "Erstmal ist das kein Haupt-Ziel von mir. Und zweitens: Kommt Zeit, kommt Rat." Die Gelegenheit zum Pokern ist da: Jede Menge Teams reißen sich um den jüngeren Kerpener, darunter sollen Jaguar, Einsteiger Toyota und angeblich McLaren-Mercedes sein.

Da die ganz großen Erfolge nicht ganz so schnell kamen wie bei seinem Bruder, hatte Ralf Schumacher ausreichend Zeit, sich an die Branche und den Medienrummel zu gewöhnen. Der letzte Sieg in Montreal brachte ihm und dem Team noch einen zusätzlichen Schub Selbstvertrauen, so dass der Rheinländer Kritiker wie den Kanadier Jacques Villeneuve, der Ralf Schumacher mangelnde Erfolgsausbeute vorgeworfen hatte, bestimmt zurechtweisen kann: "Wäre Jacques Villeneuve für mich ein wichtiger Bestandteil der Formel 1, dann würde ich darauf reagieren."

Abseits vom Rennzirkus genießt der Formel-1-Star, der im November zum ersten Mal Vater wird, das Landleben in seiner Wahlheimat im Salzburger Land und seinen neuen "Nebenjob" als Öko-Landwirt. Zusätzlich zu dem Stier, den ihm Freunde geschenkt hatten, kaufte sich der Rheinländer drei Kühe. Der Kommentar dazu war typisch Ralf: "Die haben schon gekalbt. Eigentlich bin ich schon dreifacher Vater."