Obrigado por tudo, Ayrton!

15 Jahre nach dem Tod von Ayrton Senna: Offener Brief an die am 1. Mai 1994 verstorbene Rennfahrerlegende mit Erinnerungen eines Freundes

Lieber Ayrton,

Titel-Bild zur News: Grab von Ayrton Senna

Ein Denkmal: Dein viel besuchtes Grab auf dem Morumbi-Friedhof in São Paulo

unglaublich, wie die Zeit vergeht! 15 Jahre soll es nun schon her sein, dass die Sonne vom Himmel gefallen ist, wie Gerhard Berger heute noch sagt? Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern: Im Haus meiner Eltern habe ich - damals noch kein Journalist - den Grand Prix gesehen. Als am Abend die Nachricht deines Todes im TV lief, habe ich geweint. Auch meine Sonne war vom Himmel gefallen.

Meine Leidenschaft für die Formel 1 war schon immer da, aber du, Ayrton, du warst es, der sie endgültig entflammt hat. Leider war ich 1994 noch zu jung, um dich persönlich kennen zu lernen, aber nach deinem Tod habe ich viele Biografien über dich gelesen. Ich weiß, dass die nicht immer die wahre Geschichte erzählen, aber sie haben in mir Bewunderung entstehen lassen. Bewunderung für dein Talent, deinen Ehrgeiz, deine Zielstrebigkeit. Bewunderung aber auch für deine menschlichen Qualitäten. Ich glaube, wenn ich das Glück gehabt hätte, mit dir entspannt ein Glas Wein zu trinken, hätten wir uns gut verstanden. Unsere Weltanschauungen sind die gleichen.#w1#

Ein anderer Blickwinkel

15 Jahre danach kennt jeder, der sich halbwegs ernsthaft mit der Formel 1 auseinandersetzt, deine Geschichte. Umso dankbarer bin ich dafür, dass sich mein hochgeschätzter Kollege Dieter Rencken anlässlich des heutigen Tages mit deinem alten Mentor Lucio Pascual Gascón unterhalten hat. Du hast ihn immer nur "Tché" genannt - und du hast ihn bewundert, so wie du heute bewundert wirst.

Brief von Ayrton Senna an Tché

Damals warst du schon in Europa: Dein Brief an "Tché" vom 16. September 1979 Zoom

In einem Brief am 16. September 1979 schreibst du an "Tché": "Du bist die Person, die für alle Erfolge in meinem Leben verantwortlich ist." Natürlich konntest du damals noch nicht wissen, dass du dreimal die Fomel-1-Weltmeisterschaft gewinnen wirst. Wobei, ich muss mich korrigieren: Wahrscheinlich hast du es gewusst! Du hast nie an dir gezweifelt. Dein Selbstvertrauen, die dir von vielen als Arroganz ausgelegt wurde, dein unerschütterlicher Glaube an dich selbst und an Gott, das wurde oft nicht verstanden.

"Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dankbar ich dir bin. Du hast mich zu dem gemacht, was ich heute bin", schreibst du an "Tché". Ayrton, du hast uns große Stunden beschert: deine mit Worten nicht zu beschreibende Trancefahrt im Monte-Carlo-Qualifying 1988, meiner Meinung nach die perfekteste Art und Weise, auf die ein Mensch jemals ein Auto bewegt hat. Dein unvergesslicher Sieg gegen Nigel Mansell in Monte Carlo 1992. In jenen letzten Runden war mein Puls so hoch wie wahrscheinlich nie wieder in meinem Leben.

Da war die Demonstration deiner Extraklasse im Regen in Donington 1993 und der letzte Sieg in Adelaide, mit dem du McLaren damals zum erfolgreichsten Rennstall der Formel-1-Geschichte gemacht hast. Und dein großer Sieg in Interlagos 1991. Wenn ich die Bilder sehe, bekomme ich heute noch eine Gänsehaut. Das war deine Sternstunde. Aber die Menschen - und ich - haben dich nicht wegen deiner Siege geliebt, sondern weil du die Menschen geliebt hast. Größe ist heute ein inflationär verwendeter Begriff. Du warst ein wahrhaftig Großer, Ayrton.

Jeder Mensch hat Fehler

Perfekt warst du freilich nicht. Ja, du hast Alain Prost 1990 in Suzuka absichtlich abgeschossen. Du hast dich später hingestellt und gestanden, dass das die späte Rache für die "Jahrhundertkollision" im Jahr davor war. Aber man nahm dir deine Sünden nicht übel. Ja, du hast polarisiert, aber im Vergleich zu einem Michael Schumacher wurdest du von den Menschen mehr geliebt. Dein Ehrgefühl war authentisch. Du warst authentisch. Du warst Ayrton.

Lucio Pascual Gascón

Dein erster großer Mentor: Lucio Pascual Gascón, besser bekannt als "Tché" Zoom

Für deinen alten Mechaniker "Tché" warst du im Spaß nur die "42", deine Startnummer, aber du hast ihn bewundert. Ich finde es schade, dass "Tché" heute mit deiner Familie zerstritten ist, weil dein Vater Milton auf ihn eifersüchtig war. "Tché" musste darum kämpfen, zu deinem Begräbnis gehen zu dürfen. Ich kann das nicht nachvollziehen. Vielleicht hättest du dich darüber geärgert. Jedenfalls hat "Tché" heute noch glänzende Augen, wenn er von dir erzählt.

Er hat uns auch berichtet, wie du zum vielleicht besten Regenfahrer aller Zeiten wurdest: "Er hat sein ganzes Leben lang trainiert. Die anderen waren einfach nicht so zielstrebig. Ayrton wollte immer gewinnen - jedes Rennen, egal ob ein zweiter Platz auch für die Meisterschaft gereicht hätte oder nicht. Einmal hat er ein Regenrennen verloren. Also ging er nicht mehr zur Schule, sondern er verbrachte statt acht 15 oder 16 Stunden am Tag auf der Kartbahn." Du sollst gesagt haben: "Das passiert mir nie wieder!"

Ayrton, ich bedanke mich heute nicht für deine Erfolge als Rennfahrer oder für den positiven Einfluss, den du auf Millionen von Menschen hattest. Ich bedanke mich für die Inspiration, die du für mich warst. Bist. Heute ist es an der Zeit, kurz inne zu halten und sich zu erinnern. Ja, Erinnerungen mögen mit den Jahren schwammig oder verfälscht werden. Aber ich werde nie vergessen - und das geht nicht nur mir so...

Obrigado por tudo,

Christian Nimmervoll