Nürburgring: Auf in eine neue Ära!

Interview mit Walter Kafitz: Wie am Nürburgring wirtschaftlich der Turnaround geschafft werden soll und was die Motorsportfreunde künftig erwartet

(Motorsport-Total.com) - Am kommenden Wochenende findet am Nürburgring das einzige deutsche Formel-1-Rennen dieses Jahres statt - und zwar erstmals seit dem Grand-Prix-Comeback in der Eifel im Jahr 1995 ohne Michael Schumacher. Dennoch blickt Walter Kafitz, Geschäftsführer der Nürburgring GmbH, den vier Veranstaltungstagen und auch der Zukunft generell optimistisch entgegen.

Titel-Bild zur News: Walter Kafitz

Walter Kafitz erwartet am Renntag um die 130.000 Fans am Nürburgring

Grund zur Freude bereiten ihm zwei Tage vor Beginn der Veranstaltung am Donnerstag vor allem die im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent gestiegenen Vorverkaufszahlen. Genaue Prognosen gibt es freilich noch nicht, weil die Mitarbeiter der Nürburgring GmbH mit den Vorbereitungen und letzten Ticketbestellungen alle Hände voll zu tun haben, doch laut ungefährer Schätzung ist für den Renntag alleine mit etwa 130.000 Zuschauern zu rechnen.#w1#

Kompensationseffekt bei den Zuschauern

Für den Anstieg gebe es "mehrere Faktoren", so Kafitz im Interview mit 'Motorsport-Total.com': "Das sind im Wesentlichen unsere verstärkten Vertriebs- und Marketingaktivitäten. Zum anderen gibt es natürlich auch den Effekt, dass es nur noch ein Rennen in Deutschland gibt." Aber er gibt auch zu: "Wir haben auch Zuschauer verloren, die nur wegen Michael Schumacher gekommen sind. Das ist ein Kompensationseffekt, der aber unterm Strich positiv ausgeht für uns."

"Wir haben Zuschauer verloren, die nur wegen Michael Schumacher gekommen sind." Walter Kafitz

Den Motorsportfans in der Region ist natürlich auch bewusst, dass sie erst wieder 2009 Gelegenheit haben werden, die Formel 1 am Nürburgring zu sehen: "Wir bieten ein dichtes Programm zu relativ günstigen Preisen. Da sagen sich die Leute: Mensch, das ist gar nicht so weit weg, innerhalb von anderthalb Stunden bin ich am Nürburgring - da gönne ich mir doch mal was, denn im nächsten Jahr müsste ich nach Hockenheim", erklärt Kafitz.

Hockenheim deswegen, weil beide deutschen Formel-1-Strecken in den vergangenen Jahren unter zunehmenden finanziellen Druck geraten waren. Also setzte man sich mit Bernie Ecclestone, dem nur noch ein Grand Prix in Deutschland sowieso lieber ist, um seine Osterweiterung voranzutreiben, an einen Tisch, um eine für alle Seiten sinnvolle Variante auszuhandeln. Resultat: Am Nürburg- und Hockenheimring wird im Zweijahresrhythmus alternierend gefahren, 2008 ist Hockenheim dran.

Keine offiziellen Angaben zu den Kosten des Rennens

Für diese Rotation mussten natürlich neue Verträge ausgehandelt werden, jener des Nürburgrings läuft bis 2011. Im Rahmen des Abkommens muss jährlich eine Veranstaltungsgebühr an Ecclestone überwiesen werden - angeblich knapp 20 Millionen Euro, die pro Grand Prix noch einmal um zehn Prozent erhöht werden. Kafitz will diese Angaben aber nicht bestätigen: "Es gibt eine Verschwiegenheitsklausel in meinem Vertrag mit Herrn Ecclestone. Da halte ich mich dran."

"Es gibt eine Verschwiegenheitsklausel in meinem Vertrag mit Herrn Ecclestone." Walter Kafitz

Die Veranstaltungsgebühr dürfte mitverantwortlich dafür gewesen sein, dass die Nürburgring GmbH in den Jahren 2004 und 2005 laut Rechnungshofbericht einen Verlust von jeweils fast zehn Millionen Euro geschrieben hat. Dies trieb naturgemäß die Grand-Prix-Gegner auf die Barrikaden, so dass die Subventionen durch das Land Rheinland-Pfalz längst auch zum Politikum geworden sind, die Formel 1 als Sündenbock dargestellt wird.

Dabei sei diese Argumentation nur bedingt zulässig: "Das ist der Gesamtverlust der Nürburgring GmbH. Im Rechnungshofbericht stehen keine Detailzahlen zur Formel 1. Ein großer Teil ist zweifelsohne auf die Formel 1 zurückzuführen, aber man darf auch nicht vergessen, dass wir ein Großprojekt haben, das schon Investitionen in Millionenhöhe hervorgerufen hat. Das steckt natürlich auch da drin", klärt Kafitz auf.

Veranstalter verdienen mit der Formel 1 kein Geld

Über die Frage, ob man denn mit der Formel 1 am Nürburgring künftig sogar wieder Gewinne erwirtschaften könne, kann der Deutsche nur - mit ein wenig Galgenhumor - grinsen: "Die Illusion hat weltweit glaube ich keiner mehr. Ich kenne keine Rennstrecke, die mit der Formel 1 Geld verdient", sagt er achselzuckend. Aber: "Wir haben einen mittelfristigen Plan, der geht bis 2011. Für diesen Zeitraum kann ich es überschauen, dass wir uns die Formel 1 in Deutschland erlauben können."

"Ich kenne keine Rennstrecke, die mit der Formel 1 Geld verdient." Walter Kafitz

So sei die Formel 1 nicht als Luxus zu sehen, den in Wahrheit keiner braucht, sondern vielmehr als Wirtschaftsfaktor: Studien zufolge sind rund 3.000 Unternehmen in der Eifelregion mit der Formel 1 befasst, mit insgesamt 15.000 Arbeitsplätzen. "Das sind in erster Linie Kleinbetriebe, die davon profitieren - Bäcker, Metzger, Wirte und dergleichen", klärt Kafitz auf. Der Grand Prix mache Sinn, "weil der Steuerzahler mehr Einnahmen durch die Formel 1 hat, als er für die Formel 1 ausgibt."

Steuerzahler profitiert von der Formel 1

"Allein seit der Rückkehr der Formel 1 im Jahr 1995 hatte das Land Rheinland-Pfalz über 50 Millionen Euro Mehrwertsteuereinnahmen zusätzlich. In der Region werden jährlich durch die Formel 1 60 Millionen Euro umgesetzt. Davon werden ja auch Steuern bezahlt, nicht nur die Mehrwertsteuer, sondern das Geld, das da eingenommen wird, wird an anderer Stelle wieder ausgegeben. Die Bilanz für die Region ist positiv", fügt er an.

"Die Bilanz für die Region ist positiv." Walter Kafitz

Das angesprochene Großprojekt, das sich mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 150 Millionen Euro natürlich auch auf die Bilanzen schlägt, ist übrigens die Erlebnisregion Nürburgring, die bis zum nächsten Formel-1-Termin im Jahr 2009 fertig gestellt werden soll. Kafitz: "Das strategische Ziel ist, aus dem Nürburgring ein ganzjähriges Freizeit- und Businesszentrum zu machen. Wir wollen ganzjährig Betrieb haben und 50 Millionen Euro Umsatz zusätzlich generieren."

Konkret handelt es sich bei der Erlebnisregion um einen überdachten Boulevard zwischen Start und Ziel und der angrenzenden Bundesstraße. Dieser wird Showrooms für Automobilhersteller und Zulieferer, verschiedene Shops, eine Arena mit einer Kapazität von 4.000 Zuschauern, eine Eventhalle für Tagungen und Kongresse und ein Performance-Center von Bilstein für Produkte und Dienstleistungen rund um das Auto beinhalten.

Neue Unterkünfte zusätzlich zum Dorint-Hotel

Außerdem geplant sind ein neues Vier-Sterne-Hotel sowie ein Motorsportdorf mit Zwei- bis Drei-Sterne-Bungalows für Kurzurlaube am Nürburgring. Auslastungskomplikationen mit dem bestehenden Dorint-Hotel, das ja im Bereich der Zielkurve direkt Blick auf die Rennstrecke ermöglicht, erwartet Kafitz übrigens nicht, denn für diverse Events in der neuen Erlebnisregion wird eine Kapazität von 500 Zimmern erforderlich sein.

"Ich würde mich über einen deutschen Sieger freuen." Walter Kafitz

Unabhängig davon wünscht sich der Nürburgring-GmbH-Chef am Sonntag "einen deutschen Sieger", wobei er nicht zwischen Fahrern und Herstellern unterscheidet: "Da gibt es viele Konstellationen, ob Mercedes oder BMW, ob Ralf Schumacher oder Nick Heidfeld. Ich würde mich auch freuen, wenn Nico Rosberg in die Punkteränge käme, was er ja schon mehrmals getan hat. Und vielleicht gibt es ja einen fünften deutschen Fahrer", spielt er auf Markus Winkelhocks Spyker-Chance an.

Michael Schumacher als Gast am Renntag

Freuen darf man sich neben dem aktuellen deutschen Quartett übrigens auch auf Michael Schumacher, der persönlich zur Einweihung des Michael-Schumacher-S kommen wird. Autogrammstunden mit dem Rekordweltmeister sind zwar nicht geplant, "weil ihn die Fans wahrscheinlich zerfleischen würden", doch Kafitz kündigt in Zusammenhang mit dem Formel-1-Rentner "eine Überraschung" an, ohne Näheres preisgeben zu wollen.

"Da wird es eine Überraschung geben!" Walter Kafitz

Übrigens: Dass am Nürburgring kein Grand Prix von Deutschland, sondern der Grand Prix von Europa ausgetragen wird, geht auf einen Streit zwischen AvD und ADAC zurück: Die beiden Verbände haben vor Jahren die Abmachung getroffen, dass der AvD in Hockenheim die Formel 1 veranstalten darf, der ADAC am Nürburgring das 1.000-Kilometer-Rennen. Alle Bemühungen, daran zu rütteln und auch am Nürburgring unter deutscher Flagge zu fahren, sind gescheitert.

In Wahrheit wird das die Freude der Fans nur wenig trüben, schließlich können sie sich darauf freuen, die heiße Phase in einer der spannendsten Weltmeisterschaften seit Jahren live mitzuerleben. Daher lautet auch Kafitz' abschließender Appell an die 'Motorsport-Total.com'-Leser: "Kommt zum Nürburgring! Es wird ein Volksfest über vier Tage, wo nicht nur die Formel 1 geboten wird, sondern vier weitere Rennen - und um die Rennen herum jede Menge Spaß und Unterhaltung."

Folgen Sie uns!

Formel-1-Newsletter

Abonnieren Sie jetzt den kostenlosen täglichen und/oder wöchentlichen Formel-1-Newsletter von Motorsport-Total.com!