• 21.04.2009 16:26

Newey-Interview: Der Sieg am Küchentisch

Red-Bull-Designer Adrian Newey über den furiosen Vettel-Sieg in China und das letzte Renndrittel in der heimischen Küche: "Es wurde zur Ewigkeit"

(Motorsport-Total.com) - Adrian Newey hat nach 2008 auch in diesem Jahr wieder ein Siegerfahrzeug auf die Beine gestellt. Der Red-Bull-Designer erlebte den grandiosen Doppelsieg von Sebastian Vettel und Mark Webber nicht an der Rennstrecke in Schanghai, sondern zuhause am Küchentisch. Newey war nicht nach Cinha gereist, weil er mit seinem Technikerstab in Milton Keynes an weiteren Verbesserungen für den RB5 arbeitet. Im Teaminterview beschrieb der Stardesigner, wie der den Erfolg aus der Ferne erlebt hat.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey (Technischer Direktor)

Adrian Newey hat mit dem neuen Red Bull RB5 einen großen Wurf gelandet

Frage: "Adrian, wie fühlst du dich ein paar Tage nach dem großen Erfolg?"
Adrian Newey: "Als ich am Montagmorgen aufgewacht bin habe ich wegen des Doppelsiegs sofort ein Lächeln im Gesicht gehabt. Dieses Resultat gibt allen in der Firma einen enormen Schub. Wir wissen nun, dass wir ein Auto auf die Strecke bringen können, welches einen Doppelerfolg bringen kann, ohne dass wir dabei auf Pannen anderer Teams angewiesen sind. Das ist ein toller Lohn für alle im Team, auch für unseren Motorenlieferanten Renault und all die anderen Partner."#w1#

30 Minuten Ewigkeit in der Küche

Frage: "Wie hast du das Rennen erlebt?"
Newey: "Ich habe es zuhause in der Küche verfolgt. Eine Weile war meine Frau Marigold dabei, aber sie fand das einfach zu anstrengend, es gemeinsam mit mir schauen zu müssen. Dann ging sie in ein anderes Zimmer und meine Tochter setzte sich zu mir. Ein paar Minuten nach der Zieldurchfahrt kamen einige Nachbarn herüber und wir haben trotz der frühen Stunde auf den Erfolg angestoßen. Ich wäre gern in China dabei gewesen, aber ich freue mich zu allererst für alle, die diesen Erfolg wirklich verdient haben."

Sebastian Vettel

Sebatian Vettel schwamm im Regen von Schanghai zum allerersten Red-Bull-Sieg Zoom

Frage: "Zu Beginn des Wochenendes gab es technische Probleme. Hattest du Angst, dass der Wagen nicht bis ins Ziel kommt?"
Newey: "Wir waren zwar recht sicher, dass wir das Problem am Antriebsstrang behoben hatten, aber man kann sich im Bereich Zuverlässigkeit nie sicher sein. Die letzte halbe Stunde des Rennens kam mir vor wie eine Ewigkeit."

Frage: "Wie hat sich der RB5 seit dem Saisonstart entwickelt?"
Newey: "Wir hatten schon beim letzten Test vor dem Auftaktrennen in Melbourne ein neues Aerodynamikpaket, inklusive Diffusor und Frontflügel. Das brachte uns einen ganz guten Gewinn bei der Performance. Für China hatten wir nun noch einmal einige neue Teile, die uns wieder etwas vorangebracht haben."

"In den trockenen Qualifyings in Melbourne und Malaysia waren wir hinter den Brawns, aber in China schon deutlich näher dran, auch wenn man die jeweiligen Spritmengen betrachtet. Unser Setup war kaum anders als in Malaysia. Wir haben also wegen der Charakteristik der Strecke zugelegt. Der Abstand ist gering. Es ist genauso knapp wie zwischen Ferrari und McLaren-Mercedes in den vergangenen Jahren."

Doppeldiffusor frühestens in Monaco

Frage: "Ihr habt den China-Sieg ohne Doppeldiffusor geholt. Bedeutet das, dass jenes Teil weniger wichtig ist als alle denken?"
Newey: "Nein. Es gibt keinen Zweifel daran, dass ein Doppeldiffusor bezüglich der Performance viel bringt. Wie viel er bringt, hängt immer davon ab, wie du ihn für dein Auto passend konzipieren kannst. Manche Teams werden mehr davon profitieren können als andere. Aber es lohnt sich auf jeden Fall für alle Teams. Unsere Aufgabe ist es nun, einen Doppeldiffusor zu bauen, der zu unserem Auto passt."

Frage: "Wann werdet ihr den Doppeldiffusor am RB5 einsetzen?"
Newey: "Auf Grundlage unseres besonderen Designs ist es nicht ganz einfach, ein solches Teil anzupassen. Gleichzeitig müssen wir auch in anderen Bereichen neue Teile entwickeln, damit wir nicht hinter andere Teams zurückfallen. Das Problem am RB5 ist, dass wir an der Hinterachse auf Zugstreben setzen. Das ist eine tolle Lösung, aber nicht gerade, wenn du einen Doppeldiffusor anbauen möchtest. Das wird eine schwierige Aufgabe. Wir werden den Doppeldiffusor nicht vor Monaco haben."


Fotos: Red Bull, Großer Preis von China


Frage: "Was ist bei dir von den drei vergangenen Rennen am deutlichsten hängen geblieben?"
Newey: "Dass sich die Hackordnung im Vergleich zu den Vorjahren dermaßen deutlich verschoben hat. Die großen Teams wie Ferrari, McLaren-Mercedes und auch das BMW Sauber F1 Team sind im Hintertreffen. Aber das wird sicher nicht so bleiben. Aber jetzt ist das erst einmal erfrischend und sehr gut für die Formel 1. Das Interesse wird größer, wenn man verschiedene Autos und Fahrer mal vorne sieht."

Frage: "Wenn es beim kommenden Grand Prix in Bahrain wieder trocken sein wird, sehen wir dann wieder die üblichen Verdächtigen vorne?"
Newey: "Ich weiß es nicht, denn es kommen wieder die speziellen Charakteristiken der Strecke ins Spiel. Wir selbst kennen bis jetzt noch nicht alle Stärken und Schwächen unseres Autos im Vergleich zur Konkurrenz auf unterschiedlichen Strecken."

Wann holen die großen Teams auf?

Frage: "Du hast gesagt, dass die großen Teams sicher zurückschlagen werden. Können sie dank besserer Ressourcen an euch vorbeiziehen?"
Newey: "Ich hoffe nicht! Bei solch grundlegenden Veränderungen der Regeln gibt es immer Chancen für Teams mit kleineren Ressourcen. Man muss nur intelligent an die Sache herangehen, sich die Regeln anschauen und sie dann bestmöglich umsetzen, um ein cleveres Design und somit ein schnelles Auto zu haben."

"Wenn die Regeln über einige Jahre stabil sind, dann haben die Teams mit größeren Ressourcen einfach die Möglichkeit, viele Lösungen auszuprobieren und dann einen Vorteil daraus zu ziehen. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass man als kleines Team nicht vorne bleiben kann, zumal die Entwicklungsmöglichkeiten in Zukunft ja noch weiter eingeschränkt werden."

Frage: "Wie empfindest du den Sieg im Vergleich zu deinen vielen vorherigen Erfolgen?"
Newey: "Erst einmal ist das ja nicht unser erster Sieg, sondern Red Bull Technology hat auch im vergangenen Jahr mit dem von Toro Rosso eingesetzten Fahrzeug in Monza gewinnen können. Aus emotionaler Sicht ist der jüngste Sieg für alle in Milton Keynes sehr wichtig. Ich war schon in Monza im vergangenen Jahr aus dem Häuschen, aber jetzt in China einen Doppelsieg zu landen war schon besonders toll, auch weil es im Qualifying schon so gut lief."

¿pbvin|512|1470||0pb¿"Es ist auch von daher besonders, weil eine krasse Regeländerung hinter uns liegt und wir als Team bewiesen haben, dass wir es verstehen, unter solch veränderten Bedingungen ein gutes Auto zu bauen und sofort schnell zu sein. Das gibt uns allen sehr viel Genugtuung. Wir haben neun Monate lang im stillen Kämmerlein gearbeitet, ohne zu wissen, was die anderen Teams gerade machen. Wir hatten keine Ahnung, wie sich unser Produkt im Vergleich zu anderen präsentieren wird. Es fehlten uns komplett alle Referenzen und Orientierungspunkte."

Frage: "Wegen der FIA-Entscheidung bezüglich der Doppeldiffusoren müsste ihr jetzt den RB5 umrüsten. Musst du dafür das komplette Konzept des Autos über den Haufen werfen?"
Newey: "Das wird auf jeden Fall ein hartes Stück Arbeit. Die Schwierigkeit ist, ein solchen Diffusor in ein vorhandenes Auto zu integrieren. Ich finde das aber nicht schlimm, sondern sehe es als neue Herausforderung. Leider werde ich dafür wohl einige Nachtschichten einlegen müssen. Aber so ist eben die Formel 1. Du kannst es dir nicht leisten, einfach rumzusitzen und in Selbstmitleid aufzugehen. Du musst einfach weitermachen."