• 07.02.2012 18:15

  • von Dieter Rencken

Newey: "Es kann sein, dass wir einen Rückstand haben"

Zum Auftakt der Testfahrten dämpft Adrian Newey die Erwartungen - Die Regeländerung rund um den Auspuff haben Red Bull mehr getroffen als andere Teams

(Motorsport-Total.com) - Nachdem Red Bull in den vergangenen beiden Saisons das dominierende Auto gebaut hat, zählt das Team von Sebastian Vettel naturgemäß auch in diesem Jahr zu den Favoriten in der Formel 1. Doch zum Auftakt der Testfahrten dämpft Adrian Newey die Erwartungen an sein Team. Der Designer spricht außerdem über die wichtigsten Regeländerungen und über einen möglichen Wechsel zu Ferrari.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey (Technischer Direktor)

Adrian Newey hat nur widerwillig ein hässliches Auto entworfen

Frage: "Adrian, was war die größte Herausforderung bei den Regeländerungen?"
Adrian Newey: "Die größte Herausforderung bestand in den Einschränkungen im Bereich des Auspuffs, verbunden mit den Einschränkungen beim Mapping der Motoren, was dazu führt, dass wir die Technik des auspuffangeströmten Diffusors, die wir 2010 entwickelt und im vergangenen Jahr optimiert haben, nicht mehr verwenden dürfen."

"Das Design des letztjährigen Autos war auf diese Technik ausgerichtet. Wir haben im August die Position des Auspuffs noch einmal im Windkanal justiert. Andere haben unser Konzept zwar kopiert, aber deren Auto war nicht darauf ausgelegt. Wenn du diesen Vorteil verliert, büßt du natürlich mehr ein als andere. Die Arbeit im Winter hat sich darauf konzentriert, diesen Verlust auszugleichen, aber es ist eine verlorene Technologie, die man nicht neu erfinden kann."

Frage: "Wie entstand das Design der Nase?"
Newey: "Das ist ein Ergebnis der Regeln, die zwar die Höhe der Nase, nicht aber die des Chassis begrenzen. Die Teams, die bisher eine hohe Nase hatten, was für die meisten gilt, mussten um die Regeln zu erfüllen eine Nase kreieren, die nun wahrlich keinen Schönheitspreis gewinnt. Wer ohnehin eine flachere Nase hatte, konnte einen sanften Übergang gestalten."

Frage: "Wie sehr hat dich der veränderte Steifigkeitstest des Frontflügels überrascht?
Newey: "Das war schon ein Schock, nachdem diese Regeländerung so spät bekanntgemacht wurde. Ich nehme an, das war eine Antwort auf den flatternden Frontflügel von Ferrari am Ende der vergangenen Saison. Das hat zur Konsequenz, dass der Frontflügel schwerer wird, was für einen Fahrer wie Mark, der von Natur aus etwas schwerer ist, eine zusätzliche Herausforderung bei der Gewichtsverteilung bedeutet. Es ist eine Schande, wenn solch eine Regeländerung so spät im Jahr kommt, aber wir mussten darauf genau wie alle anderen reagieren."

Frage: "Habt ihr das Prinzip des nach vorne geneigten Fahrzeugs wegen des veränderten Auspuffs aufgegeben?
Newey: "Das hat den hohen Abtrieb hinten, durch den wir die größere Fahrzeughöhe an der Hinterachse erzielen konnten, massiv beeinträchtige. Bei der Arbeit am neuen Auto mussten wir daher den Neigungswinkel verringern."

Frage: "Wie entscheiden ist die Position des Auspuffs?"
Newey: "Um ehrlich zu sein, der Auspuff hat keinen großen Effekt mehr. In einer Situation wie dieser wird man unterschiedlichste Positionen sehen, aber damit gewinnt man nicht viel. Wie haben unser Auto mit dieser Position vorgestellt, andere Teams haben einen anderen Weg gewählt. Ich glaube nicht, dass die unterschiedlichen Positionen einen Unterschied machen."


Fotos: Testfahrten in Jerez


Frage: "Das aktuelle Auto ist gewissermaßen ein Urgroßenkel deines ersten Autos für Red Bull. Was hat sich seitdem verändert?"
Newey: "Die grundsätzliche Philosophie des Autos ist immer noch dieselbe. Wenn du den RB5 neben das aktuelle Auto stellst, würdest du immer noch viele Gemeinsamkeiten erkennen. Auch einige der Grundmaße sind immer noch identisch. Die Regeländerungen seitdem waren zwar nicht unerheblich, aber meiner Meinung nach war kein grundsätzlicher Wechsel in der Architektur des Autos erforderlich."

Frage: "Wird es in diesem Jahr einen engeren Kampf geben?"
Newey: "Das weiß ich nicht. Könnte gut möglich sein, dass wir einen Rückstand haben. Wir wissen nicht, was die anderen den Winter über gemacht haben, aber es wurden der Auspuff, der Steifigkeit des Frontflügels und andere wesentliche Reglen geändert. Wir können unmöglich sagen, wo wir derzeit stehen."

Mark Webber

Dieser Lufteinlass kühlt angeblich nur den Fahrer Zoom

Frage: "Wozu dient der Lufteinlass in der Nase?"
Newey: "Der dient nur zur Kühlung des Fahrers. Der Einlass war früher an der Spitze der Nase, aber da wir die Front so schön wie möglich gestalten wollten, haben wir ihn dort platziert, um die Ästhetik dieser Rampe etwas aufzulockern."

Frage: "Wie verlief der Testauftakt?"
Newey: "Das Auto hat kein Feuer gefangen und wir konnten einige Runden fahren. Das ist alles, was wir bislang sagen können."

Frage: "Was für ein Problem gab es heute Morgen?"
Newey: "Das war ein wirklich dämliches Problem. Wir hatten uns entschlossen, die Halterung des Heckflügels noch einmal zu überprüfen, nachdem wir die Fotos vom Auto gemacht hatten. Und heute kam sie verspätet zurück. Wegen Nebels in Jerez wurde das Flugzeug nach Sevilla umgeleitet, und dann mussten wir warten, bis die Teile von dort aus hier ankamen."

Frage: "War es schwer, ein solch hässliches Auto zu entwerfen und ist McLaren einen falschen Weg gegangen?"
Newey: "Es ist schlimm, wenn man eine Lösung entwerfen muss, die nicht wirklich attraktiv ist. Aber Schnelligkeit ist nun einmal wichtiger als die Schönheit. McLaren hatte im Vergleich zu uns und den meisten anderen schon in den vergangenen Jahren ein niedrigeres Chassis."

Frage: "Dein McLaren aus dem Jahr 2005 hatte auch eine niedrige Nase. Hättest du nicht den gleichen Weg einschlagen können?
Newey: "Hätte ich tun können, aber die Regeländerungen während des Winters 2008/09 waren so gewaltig, dass diese Dinge heute nicht mehr funktionieren würden. Diese Regeländerung war die größte seit 1983, als die flachen Unterböden eingeführt wurden."

Frage: "Welche Entwicklungen habt ihr geplant?"
Newey: "Es wird einige Veränderungen geben. Wie genau diese aussehen werden, daran arbeiten wir noch und werden sie zeigen, wenn sie fertig sind."

Mark Webber

Mark Webber startete mit Verzögerung in den ersten Testtag Zoom

Frage: "Ändert sich der Benzinverbrauch und hat das einen Einfluss auf die Gewichtsverteilung?"
Newey: "Wegen der Änderungen an der Motorsteuerung sinkt der Benzinverbrauch ein wenig, viel ist das aber nicht. Da der Treibstoff ist recht zentral untergebracht ist, und auf das Startgewicht hat das kaum einen Einfluss."

Frage: "Wie denkst du über die neuen Reglen beim Auspuff?"
Newey: "Es ist eine Schande, dass die Regeländerung immer restriktiver werden. Die Gefahr ist, dass sie irgendwann so restriktiv werden, dass wir am Ende mit GP1-Autos fahren. Aber so weit sind wir noch nicht."

Frage: "Welche Erwartungen hast du nach all den Erfolgen?"
Newey: "Ich will gute Arbeit abliefern, das ist der einzige Druck, den ich mir mache. Ich habe in der Formel 1 schon einiges erreicht und hoffe, dass ich mich nicht Jahr für Jahr aufs Neue beweisen muss."

Frage: "Würde es dich reizen, eines Tages zu Ferrari zu wechseln?"
Newey: "Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, noch einmal woanders hinzugehen. Ich bin zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu diesem Team gestoßen und fühle mich voll integriert. Wenn ich bedenke, wo wir mit den Trümmern von Jaguar angefangen haben und wo wir heute stehen, macht mich das wirklich stolz. Das bringt eine riesige Zufriedenheit mit sich und das Gefühl, unbedingt weitermachen zu wollen. Jetzt zu einem anderen Team zu wechseln, wäre fast so, als würde ich meine Kinder im Stich lassen."

Frage: "Bieten die Regeländerungen die Möglichkeit zur Entwicklung völlig neuer Lösungen?
Newey: "Das ist schwer zu sagen. Als die Doppel-Diffusoren verboten wurden, waren wir in der Lage diesen Effekt durch den Auspuff auszugleichen. Dieses Mal ist es viel schwieriger, den Effekt des auspuffangeströmten Diffusors auszugleichen, was uns bisher auch nicht gelungen ist. Natürlich wurde das Auto in allen Bereichen optimiert. Ob wir bessere Arbeit als die anderen abgeliefert haben, wissen wir noch nicht. Es gibt nicht die eine große Idee, die den Auspuff ersetzen kann. Wir müssen das Auto wieder neu verstehen lernen, um zu erkennen, wie wir diesen Verlust bestmöglich kompensieren können."

Frage: "Wie beurteilst du die anderen Autos?"
Newey: "Außer auf den Fotos von McLaren und Ferrari, hatte ich noch keine Gelegenheit, mir ein anderes Auto anzusehen. Aber die Entwicklung scheint in die erwartete Richtung zu gehen. Ferrari hat mit der Vorderradaufhängung, die über Zugstangen betätigt wird, einen anderen Ansatz gewählt. Ob das ein Vorteil sein wird oder nicht, werden wir sehen. Eine solche Aufhängung hatten wir auch hinten jahrelang nicht gesehen. Aber da sich die Regeln weiterentwickeln, werden vielleicht auch Lösungen aus der Vergangenheit wieder betrachtenswert."