• 27.02.2006 19:19

Neues Reglement - neue Herausforderung Boxenstopps?

Zur Saison 2006 kehren regelmäßige Reifenwechsel in die Formel 1 zurück. Was ändert sich dadurch für die Teams? Überraschende Antwort: Nicht viel

(Motorsport-Total.com) - Die Formel-1-Rennen werden 2006 ihr Gesicht ändern: Seit der Automobilweltverband FIA verkündete, dass wie zuletzt 2004 Reifenwechsel während der Rennen wieder erlaubt sind, zerbrechen sich die Strategen der Rennställe ihre klugen Köpfe, wie sie diese Änderung optimal ausnutzen können.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Intensives Boxenstopptraining war in den vergangenen Testwochen extrem wichtig

Klar ist: Die im Vorjahr teils taktisch zurückhaltend gefahrenen Rennen werden wieder eine Aneinanderreihung von Vollgas-Sprints werden. Doch um auf diese Weise auch Plätze zu gewinnen, müssen die Boxenstopps erstens in eine perfekte Rennstrategie eingebunden sein und zweitens nicht minder perfekt ausgeführt werden.#w1#

Großaufgebaut für den Ernstfalltest

Beim Renault-Team befasst sich eine Gruppe eigens darauf spezialisierter Techniker mit dieser Aufgabe. Um das, was sie sich ausgedacht haben, auch in die Praxis umzusetzen, trainierte das Rennteam am vergangenen Freitag in Barcelona die wichtigsten Abläufe eines Grand-Prix-Wochenendes.

Dazu hatte Renault elf Trucks nach Katalonien beordert, in denen die gesamte Boxenausstattung für 2006 verstaut war. So konnte das Team nicht nur Boxenstopps trainieren, sondern perfektionierte auch alle Handgriffe rund um Aufbau und Verwendung der Garageneinrichtung.

Fingerspitzengefühl erforderlich

Tankanlagen

Durch die Tankanlagen fließen pro Sekunde 12,5 Liter Benzin Zoom

Bei dieser Übung wird die Standzeit des Autos von der Benzinmenge diktiert, die in den Tank fließen soll. Die Tankanlagen fördern vom Reglement festgelegte 12,5 Liter pro Sekunde. Das Vorgehen des Renault-Teams ändert sich gegenüber 2004 nicht: An jedem Rad postieren sich drei Mechaniker. Der erste bedient den pneumatischen Schlagschrauber, um die Radmutter zu lösen, der zweite zieht das alte Rad ab, der dritte setzte das neue auf und der erste buchstäbliche "Schrauber" arretiert es mit einer neuen Radmutter.

Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt: Sitzt die Radmutter zu locker, muss der Pilot erneut hereinkommen und sie nachziehen lassen. Sitzt sie zu fest, kann das beim nächsten Stopp wertvolle Zeit kosten. Grund genug also, diese essenziellen Handgriffe immer und immer wieder zu trainieren, bis sie in Fleisch und Blut übergehen.

22 Leute müssen auf den Punkt perfekt arbeiten

Die weiteren Hauptrollen beim Reifenwechsel-Ballett spielen die Bediener der Wagenheber an Front und Heck des Autos sowie das Betankungsteam. Zwei Männer halten den Tankschlauch, der immense 40 Kilogramm wiegt. Weitere Mechaniker stehen mit Feuerlöschern bereit, sind auf den Wechsel einer Fahrzeugnase vorbereitet, auf das Nachjustieren des Frontflügels, das Reinigen des Helmvisiers oder darauf, aufgesammelten Unrat aus den Seitenkästen vor den Kühlern zu entfernen.

Insgesamt warten nicht weniger als 22 Personen an der Box auf jeden hereinkommenden Renault R26. Und auch der ist perfekt vorbereitet: Die Radträger sind exakt darauf zugeschnitten, dass sich die Felgen leicht und akkurat aufsetzen lassen. Die Radmuttern lassen sich nur in korrekter Position festziehen ohne zu verkanten.

Herausforderung neues Qualifying

Das neue Qualifying-Format verlangt ganz neue und natürlich ebenfalls perfekte Organisation. In der einstündigen Session treten die Top-Autos drei Mal an: In Teil 1 fahren alle Teams 15 Minuten lang. Die 16 Besten fahren weitere 15 Minuten gegeneinander. Erneut scheiden die sechs langsamsten Piloten aus.

Einstellen eines Rückspiegels

Bei der Vorbereitung auf die neue Saison kommt es auf jedes Detail an Zoom

Zum Abschluss dürfen die zehn Schnellsten 20 Minuten lang auf Bestzeitenjagd gehen. Da die Strecken in der Regel gegen Ende des Qualifyings die schnellsten Rundenzeiten erlauben, muss das Team auf einen blitzschnellen Reifenwechsel gegen Ende der "Super-Pole" vorbereitet sein - für beide Autos. Das Zeitmanagement während dieser entscheidenden Session wurde in Barcelona ebenfalls intensiv eingeübt.

Bis zum Saisonstart werden die Mannen um Chefmechaniker Gavin Hudson mehr als 200 Boxenstopps simuliert haben. Am ersten Rennwochenende in Bahrain wird die Mannschaft Samstagabend und Sonntagmorgen jeweils mindestens 25 Stopps üben. Dabei trainieren sie für jede denkbare Situation: Unfall in der ersten Kurve, plötzlicher Regenschauer mit Stopps für beide Autos - diese und alle anderen möglichen Szenarien können das Team nicht mehr überraschen.

Jede denkbare Variante wird durchgespielt

"Vom einfachen Luftverlust bis zum Wechsel von Karosserieteilen - wir trainieren für jede Situation", erklärt Steve Nielsen, der Sportliche Leiter des Renault-Teams. Am Saisonende werden die Mechaniker über 1.000 Boxenstopps absolviert haben. Damit jeder einzelne davon mindestens so gut wird wie der davor, wird den Teammitgliedern bei einer Videoanalyse gezeigt, wo sie sich noch ökonomischer bewegen oder platzieren könnten.

Und auch die Fahrer brauchen die Trainingseinheiten. Wenn Fernando oder Fisico ihre Haltemarken auch nur um 20 Zentimeter verpassen, kostet das wertvolle Sekunden. Und so waren auch die beiden Piloten vergangene Woche gefordert, um sicherzustellen, dass jeder im Team voll auf Ballhöhe ist, wenn es am 11. März darauf ankommt - bei der ersten Qualifying-Session der Saison in Bahrain.