• 09.10.2009 14:46

  • von Michael Noir Trawniczek

Nachruf: Jean Sage 1940 - 2009

Noch im Sommer kam er schwer gezeichnet vom Kampf gegen den Krebs zur Ennstal Classic, jetzt ist der frühere Renault-Teamchef von uns gegangen

(Motorsport-Total.com) - Im Sommer 2008 war Jean Sage bei bester Gesundheit, bei seinem Besuch der Ennstal Classic sprach er über die alten Zeiten. Als Renault-Teamchef hat er 1977 die Turbo-Ära eingeläutet - das gelbe Rennauto wurde anfangs als "Teekanne" verspottet, weil es immer wieder mit Motorschaden am Streckenrand ausrollte.

Titel-Bild zur News: Jean Sage

Jean Sage hat als Renault-Rennleiter das Turbozeitalter mitgeprägt

Jean Sage hat nicht aufgegeben, hat das Projekt mit seinem Glauben an seine Crew vorangetrieben, er hat die Spötter spotten lassen und das Programm durchgezogen. Bis er schließlich nach zwei knallharten Jahren endlich die ersten Siege einfahren konnte. Den ersten Erfolg fuhr sein Freund Jean-Pierre Jabouille ein. Dass nach und nach alle großen Teams auf Turbomotoren umstellten, war für den freundlichen Franzosen sicher eine Genugtuung.#w1#

In einem 2008 geführten Interview verriet Sage: "Auf dem Papier war es eindeutig - es gab einfach mehr PS als bei einem normalen Saugmotor. Wir haben viele Tests absolviert - zuerst mit einem Zweilitermotor, danach mit dem 1,5 Liter Aggregat. Ein Mitarbeiter von Elf hat uns sehr geholfen - er hat die ersten Motoren aus seiner eigenen Tasche bezahlt."

"Die Generaldirektion von Renault wusste am Anfang gar nichts von diesem Projekt - wir haben das am Anfang als Geheimprojekt geführt. Erst als es die ersten guten Ergebnisse auf dem Prüfstand gab, haben wir um eine Bewilligung angefragt, damit wir weiter arbeiten dürfen." Überzeugt war Sage von Beginn an: "Wir wussten, dass wir im Laufe der Entwicklungsarbeit die nötige Standfestigkeit erreichen werden."

Man habe sicher eine Vorreiterrole eingenommen, sagte Sage. Doch in aller Bescheidenheit fügte er hinzu: "Dieses Konzept war nicht wirklich neu, das hat es bereits vor dem Krieg gegeben, es wurde jedoch nie wirklich entwickelt. Wir haben das dann eben aufgegriffen und weiterentwickelt."

Jean Sage

Jean Sage bei der Ennstal Classic 2009: Ein letzter Besuch bei Freunden Zoom

Nach dem Ausstieg von Renault 1985 betätigte sich Sage als Rennhistoriker und als Technischer Kommissar bei Oldtimer-Events. Begonnen hat alles mit einem Zufall: Der 1940 geborene Jean Sage kam 1959 bei der Mont Blanc-Rallye völlig unverhofft zu einem Einsatz als Co-Pilot, als der ursprünglich vorgesehene Beifahrer laut Sage "voller Todesangst" von dannen lief...

Von 1959 bis 1961 arbeitete Sage als Journalist, 1961 jedoch begann er eine aktive Fahrerkarriere. Er saß hinter dem Steuer, führte über ein Vierteljahr lang die französische Rundstreckenmeisterschaft vor Gerard Larrousse an. 1956 und 1966 war er auch dessen Co-Pilot. Bei einem schweren Unfall bei der Korsika-Rallye zog sich Sage einen Halswirbelbruch zu. "Daher auch meine gebückte Haltung", wie Sage zu erklären pflegte.

2008 war Jean Sage noch bei vollen Kräften, spontan sprang er in Gröbming als Beifahrer bei Jochen Mass ein. So lernte er die Ennstal Classic kennen und lieben. Damals sagte er im Interview zur heutigen Formel 1: "Ich wäre für eine freie Motorenformel. Und auch was das Chassis anbelangt - die Formel 1-Autos sehen alle nahezu gleich aus, sie unterscheiden sich im Grunde nur noch durch die Lackierung. Es wäre viel interessanter, wenn es verschiedene Konzepte geben würde - mit vier, sechs oder acht Zylindern - das wäre doch viel besser!"

In diesem Jahr kam ein anderer, ein schwer angeschlagener Jean Sage nach Gröbming. Der Krebs hatte sich in seinem Körper eingenistet und stellte den Franzosen auf eine letzte, schmerzhafte Prüfung. Doch Sage war stets ein Kämpfer. Und so nahm er die für ihn ganz besonders beschwerliche, rund 1.200 Kilometer lange Anreise in einem Transportwagen auf sich, um sein Lieblingsauto, einen Talbot-Werkboliden aus dem Jahr 1939, nach Gröbming zu bringen. Er tat es zudem auch, "weil ich einfach gerne mit dem Helmut (Zwickl; Anm. d. Red.) zusammen bin", wie Sage verriet.

In der Nacht zum 8. Oktober hat Jean Sage den Kampf gegen den Lungenkrebs verloren. Während er in dem besagten Interview noch versucht hat, Optimismus auszustrahlen, hat er bei seinem Besuch in Gröbming doch gewusst, dass er nie mehr zurückkehren wird. Die Ärzte gaben ihm nur noch vier Monate. "Wir werden uns nicht mehr sehen", verabschiedete er sich von Helmut Zwickl, als er seinen Preis "Best of Show" in Empfang nahm. Den Talbot musste sein Mechaniker pilotieren, dafür war Sage bereits zu schwach.