Nach Testabbruch: Villeneuve verliert die Geduld

Weil er in Barcelona nach nur einem Tag wieder aus dem Auto steigen musste, ist Jacques Villeneuve sauer auf sein Sauber-Team

(Motorsport-Total.com) - Die Situation um Jacques Villeneuve und das Sauber-Petronas-Team spitzt sich mehr und mehr zu: Nachdem der Kanadier heute bei den Testfahrten in Barcelona sein Cockpit für Felipe Massa räumen musste, obwohl eigentlich er für einen weiteren Tag eingeteilt gewesen wäre, ist er sauer auf seinen Arbeitgeber.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve

Jacques Villeneuve gestern bei den Testfahrten auf dem 'Circuit de Catalunya'

Villeneuve spulte gestern auf dem 'Circuit de Catalunya' 72 Runden ab, landete aber mit 3,705 Sekunden Rückstand auf dem 13. und letzten Platz. Selbst auf den Vorletzten, Toyota-Testfahrer Olivier Panis, verlor er fast eine Sekunde. Prompt entschloss man sich bei Sauber, den 33-Jährigen kurzerhand früher als geplant nach Hause zu schicken und stattdessen Felipe Massa statt einem zwei Tage fahren zu lassen.#w1#

Villeneuve spricht über Massa als "der andere Fahrer"...

"Da testen wir endlich einmal - und dann habe ich gleich einen Bremsdefekt, was auf einer Strecke wie dieser nicht gerade angenehm ist", maulte Villeneuve gestern Abend gegenüber 'Autosport-Atlas'. "Eigentlich wollten wir heute an der Aerodynamik arbeiten, aber das ging nicht, weil die Balance einfach nicht stimmte. Das Auto ist viel zu langsam. Der andere Fahrer kommt morgen, um es zu checken, aber im Moment ist das Auto wie gesagt zu langsam."

Mit "der andere Fahrer" meinte er seinen Teamkollegen, der seit heute Morgen in Barcelona unterwegs ist und auf Anhieb um 1,1 Sekunden schneller fahren konnte - dabei ist der Testtag noch nicht einmal vorbei. Der Druck auf Villeneuve, von dem er sich mit einer zumindest akzeptablen Performance in Bahrain etwas Luft verschaffen konnte, scheint damit vor dem Europaauftakt am 24. April in Imola wieder zu wachsen.

Sauber-Sprecher: "Zeiten waren langsam und unregelmäßig"

Gegenüber 'F1Total.com' erklärte Sauber-Sprecher Hans-Peter Brack die kurzfristige Änderung des Testplans folgendermaßen: "Wir sind in Barcelona, um neue Aerodynamikteile zu testen. Die Zeiten gestern waren einerseits langsam und andererseits vor allem sehr unregelmäßig. Das hat die Ingenieure unsicher gemacht, woran es liegt. Aus dem Grund haben sie Felipe gebeten, das Auto heute zu fahren, damit sie eine zweite Referenz haben", teilte er mit.

Im Klartext: Die Testtruppe um Giampaolo Dall'Ara konnte mit Villeneuve am Steuer keine wirklichen Anhaltspunkte in Bezug auf die neuen Teile gewinnen, weil der Kanadier keine gleichmäßigen Rundenzeiten zustande brachte. Dies könnte zwar auch mit den angesprochenen Bremsproblemen zu tun haben, doch das Misstrauen gegenüber dem Ex-Weltmeister scheint inzwischen so groß zu sein, dass man Massa als ernsthaftere Referenz betrachtet.

Teamchef Peter Sauber erklärte unabhängig davon in Bahrain, dass er nichts davon halte, sich auf Spekulationen über einen frühzeitigen Fahrertausch einzulassen: "Oberste Priorität hat, das Auto schneller zu machen. Erst dann werden wir uns mit der Leistung der Fahrer beschäftigen", stellte er klar. Da der C24 im Moment ohnehin noch nicht konkurrenzfähig ist, verliert man durch einen langsamen Fahrer derzeit ja noch keine Punkte, doch sollte Massa regelmäßig in die Top 8 fahren und Villeneuve nicht, könnte dieser Standpunkt neu überlegt werden.

Peter Sauber "enttäuscht" über Villeneuves Leistungen

"Natürlich sind wir enttäuscht über Jacques' Performances", wird Sauber von 'Autosport-Atlas' weiter zitiert, "aber er selbst macht sich deswegen am meisten Gedanken. In Bahrain haben wir einen Aufwärtstrend gesehen. Solange wir nicht in der Lage sind, ihm mehr Testfahrten zu ermöglichen und damit auch die Chance, sich auf das Auto einzustellen, wäre es fehl am Platz, die Schuld so einfach auf ihn abzuschieben."

Schon im Vorfeld des Barcelona-Tests hat es bei den Schweizern ja Wirbel gegeben, weil Villeneuve mit dem auf Aerodynamik- und Reifentests beschränkten Programm für diese Woche rumhackte: "Beim nächsten Test stehen hauptsächlich Reifen und die Aerodynamik auf dem Programm, aber hoffentlich bleibt auch Zeit, um an den elektronischen Systemen und an der mechanischen Balance des Autos zu arbeiten. Ich finde, das ist auch sehr wichtig, und ich hoffe, dass wir dafür Zeit haben werden", sagte der Sauber-Pilot vergangenen Samstag gegenüber 'F1Total.com'.

Liegt Villeneuves Krise im Setup begründet?

'F1Total.com'-Experte Marc Surer findet indes, dass man dem Ex-Weltmeister noch eine Chance geben sollte: "Das Sauber-Team muss ihm die Chance geben, das Auto nach seinem Gutdünken abzustimmen", erklärte er. "Villeneuve war schon immer einer, der mit seinem eigenen Setup gefahren ist. Damit hat er früher schon WilliamsF1 zur Verzweiflung gebracht. Sauber sollte zumindest mal auf diese Wünsche eingehen und dann schauen, was dabei rauskommt. Das steht ihm einfach zu. Danach darf man ihn beurteilen."

Doch bei aller Sympathie glaubt der heutige TV-Kommentator nicht daran, dass sich der Sauber-Pilot noch einmal erfangen wird: "Ich sehe Villeneuve die Saison nicht zu Ende fahren", sagte Surer. "In Montreal sollte er unbedingt am Start sein, alleine schon wegen den nostalgischen Gefühlen. Er würde als Typ auf jeden Fall fehlen. Man kann nur hoffen, dass er sich steigern wird, damit es keinen Grund gibt, ihn loszuwerden. Aber leider fehlt mir da der Glaube."