Mosley: "Wir wollen die Probleme gemeinsam lösen"
Der FIA-Präsident über die Probleme mit der Verabschiedung von Regeln in der Formel 1, das neue Concorde Agreement und Qualifying
(Motorsport-Total.com) - Das folgende Interview wurde am 20. Dezember in der französischen 'L'Equipe' veröffentlicht und nun für die Veröffentlichung durch die Presseabteilung des Automobilweltverbandes FIA zur Verfügung gestellt.

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FIA-Präsident Max Mosley beklagt die starren Strukturen in der Formel 1
Frage: "Die Richtung, die Sie für die Zukunft der Formel 1 definiert haben, war für einige Jahre klar und stetig, aber die Straße, auf der Sie zu Ihrem Ziel gelangen wollen, scheint furchtbar gewunden zu sein. Wie kommt es zu solch einer Komplexität im Management der Formel 1?"
Max Mosley: "Da stimme ich zu. Theoretisch sollte man in der Lage sein, binnen einer Woche Entscheidungen zu treffen. Fakt ist, dass die Formel 1 aus sehr wenigen Leuten besteht, es ist keine großartige nationale Demokratie, und es sollte eine größere Flexibilität geben."#w1#
"Es sind nur ein paar Leute, aber auch so sind es viel mehr, als damals, als wir vor 25 Jahren das Concorde Agreement festgelegt haben. Zu dieser Zeit war die Disziplin auf eine kleine Gruppe von Leuten beschränkt, die viel weniger Geld und viel weniger Anwälte hatte als heutzutage."
"Als ich 1970 begann (in der Formel 1 mit dem March-Team; Anm. d. Red.), da hatten wir hundert Mal weniger Geld. Unser Budget betrug 167.000 Euro inklusive der Fahrergage, was mit Berücksichtigung der Inflation heute 2,21 Millionen Euro entspricht."
"Wir sind Dritter in der Weltmeisterschaft geworden und haben sogar ein Rennen gewonnen. 2005 beträgt ein ordentliches Budget 220 Millionen Euro. Ich kenne Teams, die viel mehr ausgegeben haben und in diesem Jahr schlechter als Platz drei abgeschnitten haben..."
Frage: "Natürlich, aber die Komplexität ist ja nicht nur eine Frage des Geldes..."
Mosley: "Darauf wollte ich zu sprechen kommen. Die andere Schwierigkeit ist das Concorde Agreement, was einige Diskussions- und Entscheidungs-Ebenen mit sich bringt. Das war einfach, als es nur ein paar von uns gab, jetzt ist es extrem komplex geworden."
"Wenn man zum Beispiel das technische Reglement verändern möchte, so braucht man hierfür die Zustimmung von acht der zehn Teams durch ihre technischen Manager. Dann benötigt man die Zustimmung der Formel-1-Kommission, hier sind es mindestens 18 von 26 Stimmen, danach die Absegnung des FIA-Weltmotorsportrats. Das hat endlose Diskussionen zufolge und ebenso viele unvermeidbare Kompromisse."
"Ich verstehe, dass die Öffentlichkeit verwirrt zurückbleibt und das ist für die Formel 1 sehr bedauerlich. Ich gebe zu, dass die Meetings mit den Teamchefs viel weniger effizient sind als jene, die Charlie Whiting (der Technische Delegiere der FIA; Anm. d. Red.) mit den technischen Managern hat!"
"Als wir die technischen Regeln mit den Teamchefs besprechen mussten, war das manchmal etwas surrealistisch. Denn nun haben wir 800 oder fast 1.000 Leute, die viele Probleme überall managen und keine Zeit haben, ins Detail eines Sportlichen Reglements zu gehen. Aus diesem Grund schlagen sie oft Ideen vor, ohne die ganzen Konsequenzen im Detail analysiert zu haben!"
Frage: "Und so endet man dann mit der Anomalie des Qualifying-Systems für 2006..."
Mosley: "Zum Beispiel! Meiner Meinung nach ist es absolut notwendig, dass wir solche Dinge nicht die ganze Zeit verändern. Oder wenn wir es verändern, dann sollten wir erst die Experten fragen, die Konsequenzen der angedachten Veränderung zu analysieren."
Mosley kritisiert das neue Qualifying-System
Frage: "Das Qualifying-System für 2006 wird sehr kompliziert werden..."
Mosley: "Sehr kompliziert. Aber die Zeiten werden angezeigt und die Leute werden zumindest wissen, wer der schnellste Fahrer ist. Zudem wird es möglicherweise einen Boxenstopp mit Reifenwechsel geben und die Zuschauer lieben das. Aber um ehrlich zu sein, denke ich, dass sich die Öffentlichkeit fühlen wird wie ich, wenn ich mir ein American-Football-Spiel anschaue. Ich kann es mir ansehen, es ist eine Show, aber ich habe keine Ahnung davon, was da vor sich geht!"
Frage: "Ist es nicht ermüdend, immer das Gleiche mitzumachen?"
Mosley: "Das ist sehr besorgniserregend. Es stimmt, dass das Einzelzeitfahren für die Fans auf den Tribünen nicht aufregend war und dass die Organisatoren Einbrüche bei den Ticketverkäufen hatten. Aber im Fernsehen war das wirklich gut! Man wusste genau, was vor sich geht, sogar beim schlechtesten Regisseur der Welt!"
Mosley sind die Hände gebunden
Frage: "Warum können Sie als Präsident der FIA und als Rennfan nicht neben anderen Dingen eine Qualifying-Methode auferzwingen, die in Ihren Augen besser erscheint?"
Mosley: "Das ist wirklich ein Problem für mich. Das ideale System für den Verband wäre es, alle zu beraten und dann eine Entscheidung zu treffen, für die man komplett verantwortlich ist. Leider ist das nicht das System, das wir im Moment haben, und meiner Meinung nach schadet das der Formel 1. Die Wahrheit ist, dass wir von der Art der Entscheidungsfindung, die wir in der Formel 1 haben, paralysiert sind."
Frage: "Warum reden Sie dann davon, das Concorde Agreement für die Zeit nach 2007 zu verlängern?"
Mosley: "Es wird eine Reform geben, da bin ich mir sicher. Im Moment befinden wir uns in Diskussionen mit den Teams, vor allem darüber, wie wir den Entscheidungsprozess in Zukunft vereinfachen können. Sie haben eine Mehrheit von 70 Prozent vorgeschlagen."
"Was mich angeht, so wäre ich für die einfache Mehrheit - 51 Prozent sind genug! Fakt ist, was diese fünf Teams unterzeichnet haben, ist eine prinzipielle Vereinbarung, eine Verpflichtung, an der Weltmeisterschaft im Jahr 2008 teilzunehmen."
"Aber alle stimmen zu, dass es an einem bestimmten Punkt notwendig sein wird, ein neues Concorde Agreement zu definieren. Und aus diesem Grund möchte ich all diese Prozeduren ändern, die für uns so lästig geworden sind. Einfach gesprochen müssen wir erst die Meisterschaft 2008 stabilisieren."
Frage: "Welche Garantien gibt diese Vereinbarung prinzipiell den unterzeichnenden Teams?"
Mosley: "Den Teams, die zugestimmt haben, 2008 Rennen zu bestreiten, wird zugesichert, dass sie bis 2012 die gleichen Rechte haben wie heute."
Frage: "Welche Rechte sind das zum Beispiel?"
Mosley: "Zum Beispiel das Recht, an Entscheidungsfindungen teilzunehmen."
Frage: "Und wenn sie das Concorde Agreement vereinfachen wollen, werden sie dann die Zustimmung aller bekommen?"
Mosley: "Ja, aber ich denke, dass die Sterne in bestimmten Momenten zu unserem Gunsten stehen. Hinter uns stehen Ferrari, Williams, Midland und die beiden Red Bull-Teams. Und es besteht der gemeinsame Wunsch, die Probleme zu lösen."
"Der junge Teammanager bei Red Bull (Christian Horner; Anm. d. Red.) ist sehr gut. Jean Todt ist komplett rational, unter den Chefs ist er der Einzige, der im Interesse der Formel 1 Reformen akzeptiert, auch wenn diese nicht zwangsläufig im Interesse seines Teams sind. Und dann haben wir Frank Williams: seit er nicht länger seine Fragen für 'Onkel' BMW beantworten muss, kann man die Dinge wieder sehr rational mit ihm besprechen."
"Wir haben also diese Leute plus drei oder vier, die wir sehr gut kennen und die auch an der Formel 1 interessiert sind. Wir sind aus diesem Grund in der Lage, zu den anderen zu sagen: 'Schaut, so wird unsere Meisterschaft funktionieren, wenn du Teil davon sein willst, bist du willkommen. Wenn nicht, dann hast du das Recht, deine eigene Serie zu gründen'. Kein Problem. Für uns ist das eine Chance. Zum ersten Mal seit 1980 genießen wir totale Freiheit, natürlich zusammen mit den Teams, die hinter uns stehen, Regeln zu definieren, die wir wollen."
Lesen Sie am Samstag den zweiten Teil des Interviews mit FIA-Präsident Max Mosley.

