Mit C6: Warum Imola ein wichtiger Test für Pirellis radikalen Reifenplan ist

Pirelli wird in Imola erstmals den C6-Reifen zum Einsatz bringen: Gelingt der Test, könnte der Hersteller bei kommenden Rennen eine andere Taktik fahren

(Motorsport-Total.com) - Pirellis größte Herausforderung seit der Übernahme der Rolle als exklusiver Reifenlieferant der Formel 1 im Jahr 2011 bestand darin, den Spagat zwischen zwei widersprüchlichen Anforderungen zu meistern: Einerseits sollen die Reifen gezielt an Leistung verlieren, sobald sie ein bestimmtes Limit überschreiten, andererseits wünschen sich die Fahrer Pneus, auf denen sie während eines gesamten Stints pushen können.

Titel-Bild zur News: Reifen von Pirelli

Die Reifen stehen in Imola besonders im Fokus Zoom

Diese beiden Anforderungen schließen sich zwar nicht vollständig aus, doch den Punkt dazwischen zu finden, ist äußerst schwierig.

Niemand - am allerwenigsten die Fahrer - will Rennen erleben, die in langen Prozessionsphasen enden, in denen keiner angreift, weil er fürchten muss, die Reifen schneller abzunutzen als die Konkurrenz.

Wenn Überholen schwierig ist - sei es durch die Streckencharakteristik oder weil die Performance der Autos zu nah beieinander liegt - wird das Verteidigen der eigenen Position zur strategischen Priorität, und die Teams versuchen, die Anzahl der Boxenstopps zu minimieren.

In diesem Jahr ist Pirelli den Fahrern entgegengekommen, indem die Reifenmischungen robuster gemacht wurden - mit der Folge, dass es, zusammen mit der engeren Leistungsdichte der Autos, mehr Ein-Stopp-Rennen und weniger strategische Vielfalt gibt.


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Bei mehreren Rennen war der Unterschied in Lebensdauer und Rundenzeit zwischen harten und mittleren Mischungen so gering, dass Strategien wie ein verlängerter Stint zum Aufbau eines Reifen-Vorteils kaum noch relevant waren.

Derzeit ist vorgeschrieben, dass zu jedem Rennwochenende drei Trockenmischungen - hart, medium und weich - gebracht werden. Bis zu dieser Saison wurden diese der Reihe nach aus einem Pool von fünf Mischungen (C1 bis C5) ausgewählt, je nach Streckenanforderung.

Japan zwang zum Umdenken

Die Prozessionsnatur des Großen Preises von Japan alarmierte alle Beteiligten und brachte Pirelli auf den Plan, eine Lösung vorzuschlagen: das sogenannte "Überspringen" von Mischungen, also größere Leistungsabstände zwischen den gewählten Reifen.

Dies könnte Teams zu Zweistoppstrategien zwingen oder an Sprint-Wochenenden neue Herausforderungen bringen - mit schwierigen Entscheidungen und möglichen Kompromissen.


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Allerdings hängt alles an der Performance des C6-Reifens - neu in diesem Jahr, bislang getestet, aber noch nicht im Renneinsatz. In Imola wird er erstmals zur Auswahl stehen. Die dort gesammelten Daten - sofern das Wochenende überwiegend trocken bleibt - werden darüber entscheiden, ob Pirelli seinen Plan mit den übersprungenen Mischungen weiterverfolgt.

Wie Pirellis Motorsportchef Mario Isola am Miami-Wochenende erklärte, dürfen die aktuellen Mischungen während der Saison nicht verändert werden - daher muss der Hersteller an anderen Stellschrauben drehen.

"Wir müssen herausfinden, ob es einen anderen Ansatz bei der Reifenwahl gibt, um die Teams zu mehr Zweistoppstrategien zu bewegen", sagt er.

Hoffentlich kein zweiter Hypersoft

Für Imola bringt Pirelli die bislang weichsten Mischungen der Saison - der C6 war ursprünglich als extrem softer Reifen für Stadtkurse gedacht. Pirelli möchte unbedingt vermeiden, was mit dem 2018 eingeführten Hypersoft geschah: Er wurde nur in Monaco eingesetzt und enttäuschte, weil das gesamte Feld bewusst langsam fuhr, um einen zusätzlichen Stopp zu vermeiden.

Pirelli sieht es als notwendig an, den C6 im Rennbetrieb zu testen - denn bisher gibt es nur wenig aussagekräftige Testdaten.

Mario Isola

Mario Isola erhofft sich mehr Abwechslung in den Rennen Zoom

"Wenn es hoffentlich trocken bleibt, wollen wir Daten zum C6 sammeln", sagte Isola, "und dann simulieren, ob das Überspringen einer Stufe funktioniert - zum Beispiel ist der Rundenzeitunterschied zwischen C3 und C4 recht klein. Vielleicht können wir dann C2, C4 und C5 in Betracht ziehen."

"Das würde bedeuten: Wenn man mit C2 und C4 auf Ein-Stopp geht, ist der C2 natürlich langsamer, und man hätte nicht den gleichen Vorteil wie bei einer Auswahl von C3, C4 und C5", so Isola. "In anderen Fällen könnten wir auch C3, C5 und C6 verwenden. Oder C2, C4 und C5. Imola ist entscheidend, weil wir dort zusätzliche Daten zum C6 brauchen."

Enge Abstimmung mit Teams und FIA

Für Monaco wurden in diesem Jahr zwei Stopps verpflichtend vorgeschrieben - das wird jedoch nicht zur allgemeinen Regel, da es wahrscheinlich dazu führen würde, dass alle Teams dieselbe Strategie fahren und gleichzeitig stoppen. Ziel aller Beteiligten ist es vielmehr, mehr strategische Vielfalt zu schaffen - mit einer Mischung aus Ein- und Zweistoppstrategien, vielleicht sogar drei.

Dieses Ziel lässt sich eher durch Anreize als durch Zwang erreichen.

Das Risiko beim größeren Abstand zwischen den Mischungen ist, dass eine Mischung zur reinen Qualifying-Mischung verkommt und im Rennen nicht eingesetzt wird. Pirelli arbeitet daher mit dem Rechteinhaber zusammen, um potenzielle Szenarien durchzuspielen und dieses Risiko zu minimieren.


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"Wir könnten auch C1, C3 und C5 bringen", sagte Isola. "Ich weiß nicht, wie das Ergebnis aussieht, aber wir könnten das machen. Wir entscheiden das nie allein. Wir machen der FIA und der Formel 1 einen Vorschlag, teilen ihn mit den Teams und kommen dann - mit Zustimmung der FIA - zu einer Einigung."

Einige der Simulationen von F1 und Pirelli untersuchten, ob es möglich wäre, die Teams an Sprint-Wochenenden zu schwierigen Abwägungen zu zwingen - etwa etwas Performance im Sprint zu opfern, um eine bessere Reifenwahl fürs Hauptrennen zu haben. Ob sich solche Szenarien in der Praxis umsetzen lassen, angesichts der ausgefeilten Simulationstools der Teams, ist jedoch eine andere Frage.

"Es ist eine Endlosschleife", sagt Isola. "Wir versuchen, den Teams eine Herausforderung zu stellen - und sie finden eine Lösung ..."

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