Midland F1 soll aus dem Nichts aufgebaut werden

Midland-Boss Alex Shnaider und Gianpaulo Dallara erklären, wie sie sich den Formel-1-Einstieg im Jahr 2006 vorstellen

(Motorsport-Total.com) - Ford bietet Jaguar zum Verkauf an, Eddie Jordan hat deutlich gemacht, dass er gerne seinen Rennstall abgeben würde, Minardi-Boss Paul Stoddart plagt sich ebenfalls mit den üblichen finanziellen Problemen herum. Doch obwohl diese drei Teams wohl günstig zu haben wären, will Midland-F1-Boss Alex Shnaider sein eigenes Projekt aus dem Nichts heraus aufbauen.

Titel-Bild zur News: Formel-1-Windkanal

Im September 2005 soll der erste Midland-F1-Bolide getestet werden

100 bis 150 Millionen Dollar pro Jahr ist der 36-Jährige bereit zu investieren, und schon im kommenden Februar will er sein Team der Öffentlichkeit vorstellen. Geplant ist ein Entwicklungs- und Testjahr 2005, im September soll das erste Auto fertig werden und in Melbourne 2006 will man sich bereits mit Ferrari, Renault und Co. messen. Angesichts der Tatsache, dass das Team von Null aus aufgebaut wird, ist das ein recht ehrgeiziger Zeitplan.#w1#

Shnaider: "Die Formel 1 befindet sich im Aufruhr"

Indes fragen sich viele, warum Shnaider, der offen zugibt, dass er die Formel 1 als globale Werbeplattform für seine Midland-Gruppe nutzen will, gerade jetzt den Sprung in die Königsklasse wagt, wo doch so viele sportpolitische Grundvoraussetzungen ungeklärt sind. Gegenüber 'ITV' gab er die Antwort: "Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt. Die Formel 1 befindet sich im Aufruhr und wir sind daran gewohnt, in Märkten zu operieren, die immer im Aufruhr sind", erklärte er.

In den letzten Jahren hat der Industrielle offenbar mehrere Sportarten für seine Interessen in Betracht gezogen, letztendlich empfand er aber die Formel 1 als am besten geeignet. Erstens sei es im Moment relativ kostengünstig, ein neues Team aufzubauen, zweitens wird die Weltmeisterschaft immer globaler und drittens sieht er sich ganz einfach als großer Fan. Dass er nicht das nötige Fachwissen hat, ist ihm aber klar: "Ich kann nicht sagen, dass ich mich besonders gut auskenne, aber ich lerne mit jedem Tag etwas dazu." Die sportliche Leitung soll später ein Szenekenner übernehmen.

Mit dem angekündigten budgetären Aufwand würde Midland F1 in etwa im Bereich des Sauber-Teams liegen, jedoch will man die finanziellen Mittel so effizient wie möglich nutzen: "Wir sind nicht Ford und werden unser Geld anders ausgeben." Ein bestehendes Team zu übernehmen, sei nie ein Thema gewesen, so Shnaider: "Das wäre mit hohen Kosten und vielen Altlasten verbunden. So können wir mit einem weißen Blatt Papier beginnen. Das ist der einfachere Weg", erklärte er.

Formel-1-Pläne wurden im August wirklich konkret

Überlegungen, mit der Midland-Gruppe in die Formel 1 zu gehen, gibt es schon länger, konkret geworden sind diese jedoch erst Mitte August, als Shnaider die erfahrene italienische Rennwagenschmiede Dallara kontaktierte und um Mithilfe bei seinem Projekt bat. Vor zwei Wochen flog er dann nach Shanghai, wo gerade der Grand Prix von China stattfand, um mit Formel-1-Chef Bernie Ecclestone zu sprechen.

Der legte Shnaider sicher nahe, doch das angeschlagene Jaguar-Team zu kaufen, aber daran fand der Midland-Boss keinen Gefallen. Lediglich eine Übernahme der Motorenschmiede Cosworth kann er sich vorstellen: "Wir ziehen diese Möglichkeit in Betracht. Ich verfolge mit großem Interesse, wie es mit Cosworth weitergeht", erklärte er. Projektpartner Gianpaulo Dallara nannte indes den Grund, weshalb Shnaider Jaguar nicht will: "Er will selbst etwas auf die Beine stellen. Das ist die größere Herausforderung."

Dallara, zuletzt 1998 von Honda mit der Entwicklung eines Formel-1-Fahrwerks betraut, das letztendlich nie an einem Grand Prix teilnahm, nimmt die Pläne von Shnaider nicht auf die lockere Schulter: "Ich bin mir sicher, dass er es mit seinem Projekt hundertprozentig ernst meint. Bis jetzt hat er jedes Detail unseres Abkommens respektiert und eingehalten. Seine Vorgehensweise ist sehr seriös und geradlinig. Es ist eine interessante Herausforderung."

Midland-Budget kleiner als jenes von Ferrari oder Renault

"Wir müssen unsere Ressourcen sehr intelligent einsetzen, denn wir haben nicht so viel Budget wie Ferrari oder Renault", stellte der Italiener klar. "Was wir haben, sind junge Leute, die mit großem Enthusiasmus der Formel 1 entgegenfiebern, und ihnen werden wir einige erfahrene Ingenieure zur Seite stellen. Einige haben wir schon kontaktiert, die bald bei uns anfangen werden. Unser Plan ist es, Mitarbeiter zu gewinnen, die aktuelle Erfahrung aus der Formel 1 mitbringen können."

Indes präsentierte Shnaider seine vorläufigen Ziele: "Zuerst einmal wollen wir ein gutes Team und ein gutes Auto auf die Beine stellen", gab er zu Protokoll. "Wo wir stehen werden, weiß ich nicht. Natürlich wollen wir gewinnen, aber ich bin realistisch und weiß daher, dass das nicht über Nacht oder in den ersten paar Jahren passieren wird. Wenn wir uns im Mittelfeld einordnen könnten, wäre ich für den Anfang sehr glücklich."

Hauptsächlich stehen aber geschäftliche Interessen im Mittelpunkt. Shnaider will "nicht direkt" durch das Formel-1-Projekt Gegenwert generieren, "aber wir wollen indirekt profitieren, indem wir für die Gruppe und ihre Partner neue Geschäftsmöglichkeiten schaffen." In diesem Zusammenhang führte er die künftige Zusammenarbeit mit industriellen Partnern in Osteuropa - etwa der Automobilindustrie - als oberste Priorität an.