• 10.09.2002 09:18

Michelin gibt sich für Monza zuversichtlich

Reifenhersteller Michelin hofft nach den Testfahrten in Monza, einen konkurrenzfähigen Reifen zu haben

(Motorsport-Total.com) - Nach Pommes nun Pasta: Aus kulinarischer Sicht stellt der bevorstehende Grand Prix von Italien in Monza für die meisten Formel-1-Piloten ein Heimrennen dar. Fahrerisch gilt der Traditionskurs im königlichen Park dagegen als nicht so anspruchsvoll wie der zurückliegende Lauf im belgischen Spa-Francorchamps. Seinen Reiz bezieht der 15. Saisonlauf dafür aus seiner großen Historie, den extrem hohen Geschwindigkeiten und der einmaligen Atmosphäre.

Titel-Bild zur News: Reifen

Bei den Testfahrten in Monza waren die Michelin-Reifen konkurrenzfähig

Reifenhersteller Michelin ? an der Seite von BMW-Williams-Pilot Juan-Pablo Montoya Vorjahressieger in Monza ? nutzte die vergangene Woche zu ausgiebigen Testfahrten mit seinen Partnerteams BMW-Williams, McLaren-Mercedes, Renault, Jaguar, Toyota und Minardi-Asiatech. Die absolute Bestzeit sowie ausgiebige Erprobungen aller für den Einsatz vorgesehenen Reifentypen geben den Franzosen Anlass zum Optimismus.

Die norditalienische Traditionsstrecke von Monza gilt in vielerlei Hinsicht als Rekordhalter: Nirgendwo wurden mehr Grand Prix ausgetragen als auf der ultraschnellen Bahn im Schatten der Alpen. Jedes Jahr seit Beginn der Formel-1-Weltmeisterschaft 1950 ? bis auf 1980, als Imola als Grand-Prix-Kurs debütierte ? gastierte die Formel 1 im Piemont. Dazu fand hier 1971 das Rennen mit der höchsten Durchschnittsgeschwindigkeit und dem knappsten Zieleinlauf der Grand-Prix-Geschichte statt: Peter Gethin siegte mit einem Schnitt von 242,616 km/h ganze 0,01 Sekunden vor dem Zweiten Ronnie Peterson und nur 0,61 Sekunden vor dem Fünftplatzierten.

Schnell ist der Kurs nahe Mailand trotz einiger Umbauten der Schikanen, die die langen Vollgasstücke unterbrechen, auch heute noch: Mit einem Qualifying-Schnitt von über 250 km/h und Top-Speeds bis zu 360 km/h gilt die 5,793 Kilometer lange Strecke nach der Neugestaltung des Hockenheimrings als letzte echte Hochgeschwindigkeits-Prüfung im Grand-Prix-Kalender.

Seine ganz eigene Faszination bezieht das Rennen zudem aus dem Jubel der zahllosen begeisterten Fans ? den die Piloten selbst im Cockpit wahrnehmen ? sowie der Anwesenheit vieler Prominenter, die den Lauf vor den Toren der Modemetropole Mailand immer gern besuchen.

Der Kurs selbst stellt an die Technik der Boliden höhere Ansprüche als an die Fahrer. So meint BMW-Williams-Pilot Ralf Schumacher: "Immer nur Gas geben auf der Geraden und brutal Bremsen vor den Schikanen ? das ist mir zu wenig abwechslungsreich". Dagegen betont Sam Michaels, Chefingenieur des BMW-Williams-Teams, die besonderen Tücken des Setups: ?Um möglichst gute Top-Speeds zu erzielen, fahren wir mit eher flachen Flügeln. In den langen Bremsphasen vor den Schikanen muss das Auto dann trotz des geringen Anpressdrucks stabil bleiben."

Denn mehr noch als die immensen Höchstgeschwindigkeiten stehen in Monza die unglaublichen Verzögerungswerte der Formel-1-Autos im Blickpunkt. Bei Bremsleistungen wie zum Beispiel 3,5 Sekunden von 350 auf 80 km/h treten Fliehkräfte von bis zum Vierfachen der Erdbeschleunigung auf. Dem gefürchteten "Fading", also dem Nachlassen der extrem belasteten Bremsen, begegnen die Teams mit dickeren Bremsscheiben und zum Teil modifizierter Kühlung der Bremsanlagen.

Auch für Michelin-Motorsportdirektor Pierre Dupasquier besitzt der klassische Hochgeschwindigkeitskurs durchaus seine Tücken: "In Monza besteht bei falscher Reifenwahl das Risiko, dass die Pneus aufgrund der extrem hohen Lasten bei Top-Speed überhitzen ? die Geraden sprechen also eher für eine steife Konstruktion. Auch in den Bremszonen ist hohe Seitenstabilität von Vorteil. Dennoch müssen die Reifen für das in Monza unverzichtbare aggressive Überfahren der Randsteine gute Federungseigenschaften besitzen."

Eine große Belastungsprobe stellt die Streckenführung von Monza vor allem für den linken Vorderreifen dar. Er trägt in den wichtigen Rechtskurven wie den beiden schnellen 'Lesmos' oder der lang gezogenen 'Parabolica', die auf die extrem breite Zielgerade mündet, einen Großteil der auftretenden Radlasten.

Der französische Reifenhersteller bereitete sich in der vergangenen Woche bei viertägigen Tests am Schauplatz des Grand Prix ausführlich auf den 15. Saisonlauf vor. Die durchwachsene Witterung bot dabei eine willkommene Gelegenheit, die neueste Generation Regenreifen zu testen. Mit positivem Ergebnis: "Michelin hat einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht", resümierte Sam Michaels, nachdem Ralf Schumacher, Testfahrer Marc Gené sowie die Renault-Piloten Jarno Trulli und Jenson Button die Profilpneus getestet hatten.

Für eine positive Überraschung sorgten die Jaguar-Piloten: Pedro de la Rosa markierte die absolute Bestzeit der Testwoche, Eddie Irvine stieß am letzten Tag auf Rang vier vor. Monza-Spezialist David Coulthard drehte im McLaren-Mercedes die zweitschnellste Runde der Tests und bestätigte die starke Form der Michelin-Partnerteams.

Juan-Pablo Montoya: Nach gutem Test optimistisch fürs Rennen: "Vor einem Jahr habe ich in Monza meinen bislang einzigen Formel-1-Sieg gefeiert. Realistisch betrachtet werden wir uns allerdings sehr schwer tun, dieses Resultat zu wiederholen. Immerhin bietet sich in Monza wahrscheinlich die beste Chance auf ein gutes Ergebnis, weil unser Motor sehr stark ist. Wir hatten einen recht guten Test in Monza, und das stimmt uns zuversichtlich für das Rennen."

Ralf Schumacher: "Eigentlich müsste uns dieser Hochgeschwindigkeitskurs liegen ? auch wenn ich kaum noch wage, eine Prognose abzugeben. Bei den Tests haben wir das Auto so weiterentwickelt, dass wir in Monza wettbewerbsfähig sein sollten. Der Reifenverschleiß hier ist mittel bis gering."

Sam Michaels, Williams-Chefingenieur: "In Monza wird mit sehr geringem Abtrieb gefahren. Um das Überfahren der Randsteine zu ermöglichen, tendieren wir zu einer eher weichen Abstimmung des Fahrzeugs. Bei unseren Monza-Tests hatten wir zeitweise sehr schlechtes Wetter, das gab uns aber immerhin die Gelegenheit, die jüngsten Regenreifen von Michelin auszuprobieren. Sie machten einen durchaus wettbewerbsfähigen Eindruck. Wir haben auch die beiden für Monza vorgesehenen Sorten Trockenreifen unter verschiedenen Bedingungen untersucht. Damit sollten wir gut aussehen."