• 11.04.2012 08:26

  • von Christian Nimmervoll & SID

Meinungsverschiedenheiten über Bahrain-Grand-Prix

Bernie Ecclestone erhält in der Frage, ob in Bahrain gefahren werden soll, Unterstützung vom Lotus-Team und von zwei ehemaligen Formel-1-Weltmeistern

(Motorsport-Total.com/SID) - Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone äußerst nach neuerlichen Unruhen in Bahrain Verständnis für Sicherheitsbedenken. In eineinhalb Wochen (20. bis 22. April) soll in Manama das vierte Saisonrennen der Königsklasse stattfinden. "Wir können nicht sagen, ihr müsst dorthin, auch wenn es ein Verstoß gegen unsere Verträge wäre", sagt der 81-Jährige. "Wir haben keine Chance, die Leute zu zwingen. Die Teams müssen selbst entscheiden."

Titel-Bild zur News: Bahrain

Am 15. April muss die Entscheidung über den Bahrain-Grand-Prix fallen

Am Montagabend waren bei einem Bombenanschlag in dem Golfstaat sieben Polizisten verletzt worden. Trotz des erneuten Gewaltausbruchs glaubt Ecclestone weiter an die Austragung des WM-Laufs. Niemand habe sich bislang ihm gegenüber gegenteilig geäußert. Allerdings stellt der Brite auch klar, dass die Teams Geld verlieren würden, sollten sie sich dazu entscheiden, Bahrain zu boykottieren: "Kommerziell gesehen sind sie gezwungen, dorthin zu gehen, aber ob sie sich letztendlich dafür entscheiden, liegt an ihnen selbst. Noch hat mir niemand gesagt, dass er nicht nach Bahrain gehen will."

Lotus: Interner Pro-Bahrain-Bericht

Ganz im Gegenteil: Seitens des Lotus-Teams liegt nach einer geheimen Vor-Ort-Inspektion durch zwei Mitarbeiter sogar ein Bericht vor, der besagt, dass der Grand Prix stattfinden kann. Das ist umso erstaunlicher, als Verantwortliche des Teams hinter vorgehaltener Hand bisher zu den schärfsten Skeptikern zählten. In dem Bericht heißt es unter anderem: "Wir verließen Bahrain im Gefühl, dass alles unter Kontrolle ist. Wenn nicht mehr Polizei auf den Straßen gewesen wäre, hätte man den Unterschied zum bisher letzten Jahr, in dem wir dort waren, gar nicht gemerkt."

"Ja, es besteht ein Bedarf, die Sicherheit für die Rennstrecke und die Teams zu gewährleisten, aber das wird gemacht und sie scheinen hinsichtlich der getroffenen Arrangements sehr zuversichtlich zu sein", so die namentlich nicht genannten Lotus-Mitarbeiter weiter. "Sollte es Proteste geben, dann werden es friedliche Proteste sein. Vielleicht werden einige Flaggen geschwenkt oder einige Reifen angezündet, aber das ist alles, was sie erwarten."

Pikant: Der Bahrain International Circuit (BIC) hatte Auszüge aus dem Lotus-Bericht veröffentlicht, ohne das vorher mit Lotus abzuklären. Jetzt stellt das Team klar: "Diese Zitate waren Teil eines internen und vertraulichen Arbeitsdokuments, das auf vertraulicher Basis auch an alle zwölf Teammanager geschickt wurde. Lotus ist einer von zwölf Teilnehmern der Weltmeisterschaft und wir würden uns nie anmaßen, Ersatz für die FIA zu sein. Die FIA ist die einzige Instanz, die entscheiden kann, ob der Grand Prix stattfinden soll oder nicht."

Die Organisatoren des Grand Prix von Bahrain widersprechen indes energisch den Sicherheitsbedenken. Streckenchef Zayed Al Zayani spricht in einer Erklärung von "Panikmache", die von einigen Leuten betrieben werde, die die Situation nur aus der Ferne aus ihren Sesseln beobachten würden: "Zusammen mit den Panik schürenden Methoden einer kleinen extremistischen Gruppe in digitalen Sozialnetzwerken wurde ein missverständliches Bild der Situation vor Ort kreiert", sagte Al Zayani.

Formel 1 würde finanziellen Schaden erleiden

Rein finanziell gesehen ist klar, wem eine Absage am meisten schaden würde: den Inhabern der kommerziellen Rechte und den Teams, im Verhältnis 50:50. "Wenn du nicht hingehst, musst du zahlen, also musst du als Team sehr vorsichtig sein", weiß Ex-Jaguar-Teamchef Niki Lauda. "Sie können nicht einfach sagen, dass sie nicht gehen. Dann wären diese Teams nicht mehr Teil des Sports. Dafür gibt es ja ein Concorde-Agreement. Wenn die Teams tun und lassen könnten, was sie wollen, hätten wir nicht Rennen auf der ganzen Welt."

Jackie Stewart bringt noch einen weiteren Punkt ins Spiel: "Die Teams haben auch den Sponsoren gegenüber Verpflichtungen", betont der ehemalige Weltmeister. "Ob es nun Mobil ist oder Total oder Shell - diese Firmen werden von hunderten Millionen Menschen gesehen. Wenn du ein Sponsor bist, würdest du es dann korrekt finden, dass du nicht die Präsenz erhältst, für die du bezahlst? Es liegt in der Verantwortung der Rennveranstalter, die Sicherheit zu gewährleisten." Nachsatz: "Ich würde jedenfalls hingehen."

Außerdem fügt er an: "Bahrain ist in Sachen Demokratie wahrscheinlich weiter als jedes andere Land im Mittleren Osten. Schaut euch Syrien und Kuwait und Abu Dhabi an. Bahrain hat aber ein Problem mit der Religion, wie auch wir früher in Nordirland. Keines dieser Länder hat eine perfekte Demokratie, aber keine Demokratie ist über Nacht entstanden. Es ist doch ironisch, dass vor Bahrain ein Grand Prix in China stattfindet, wo es auch schon Olympische Spiele gegeben hat. Und wenn wir nicht nach Bahrain gehen, welche Berechtigung hat dann Russland 2014? Und wir müssen auch nach Südkorea. Wir müssen da sehr aufpassen."

Die britische Tageszeitung 'The Times' hatte am Montag ohne Nennung von Quellen berichtet, dass die Rennställe hunderte Renningenieure, Mechaniker und Catering-Mitarbeiter mit zwei Rückflug-Tickets vom Grand Prix am kommenden Wochenende in China ausgestattet hätten: eines zum Rennen am Persischen Golf, ein anderes nach Europa und von dort weiter in die Heimat. Das Rennen in Manama war in der vergangenen Saison am 13. März wegen der politischen Unruhen zunächst abgesagt worden, im Juni dann von der FIA für den 30. Oktober neu angesetzt und schließlich nach heftigen Protesten der Teams gegen eine Saisonverlängerung ein zweites Mal abgesagt worden.