McLaren: Am Ende schnell, am Anfang langsam

Blasenbildung bei den weichen Reifen bremste McLaren in der ersten Rennhälfte ein - Den Konstrukteurstitel schreibt das Team ab

(Motorsport-Total.com) - Das Rennen beim Großen Preis von Indien gleich bei McLaren einem Steigerungslauf. Je länger es dauerte, umso schneller wurden Lewis Hamilton und Jenson Button - nicht nur absolut, sondern auch im Vergleich zur Konkurrenz. "Am Ende war der Speed da, nur am Anfang nicht", bringt Teamchef Martin Whitmarsh die Situation auf den Punkt. Nach gutem Start konnten sich Hamilton und Button nur kurz gegen Fernando Alonso wehren, doch dann fielen beide Fahrer immer weiter zurück.

Titel-Bild zur News: Jenson Button, Lewis Hamilton

Die McLaren kamen mit den weichen Reifen nicht zurecht Zoom

Schuld daran waren die Reifen: "Die weichen Reifen haben bei uns Blasen geworfen, deswegen waren wir damit nicht schnell genug", sagt Whitmarsh. Selbst "Reifenflüsterer" Button konnte die Pneus nicht schonen, schon früh zeigten sich an seinem linken Vorderreifen Blasen, ein typisches Zeichen für eine Überhitzung der Lauffläche. "Bei den weichen Reifen waren vor allem die Vorderreifen ein Problem. Sobald wir sie stärker belastet haben, wurden sie zerstört. Wir hatten schon am ganzen Wochenende Probleme mit den weichen Reifen, konnten uns aber dennoch für die zweite Startreihe qualifizieren. Im Rennen waren wir damit aber nicht schnell genug", sagt Whitmarsh.

Nach dem Reifenwechsel zeigte sich ein anderes Bild: "Nachdem wir dann auf die harten Reifen gewechselt hatten, waren unsere Autos in der zweiten Rennhälfte konstant die schnellsten des gesamten Feldes", so der Teamchef. "Aber zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon zu viel Zeit verloren. Jenson war hinter Grosjean zurückgefallen und hat dadurch Zeit verloren", sagt Whitmarsh. "Wir waren auf den weichen Reifen einfach nicht schnell genug."

Erst auf harten Reifen schnell

Jenson Button

Selbst "Reifenfülsterer" Jenson Button zerstörte den linken Vorderreifen. Zoom

Die verlorene Zeit versuchten die McLaren-Piloten durch verstärkten Einsatz wiedergutzumachen. "Nachdem wir mit dem ersten Reifensatz diese Probleme hatten, mussten wir nach dem Wechsel sehr hart attackieren", bestätigt auch Whitmarsh. Das ging natürlich zulasten der Reifen. So äußerte Hamilton am Boxenfunk die Befürchtung, der Reifensatz würde nicht bis zum Rennende halten. Doch diese Sorge war unbegründet.

Bis zum Schluss konnten Hamilton und Button das Tempo bestimmen: "Lewis und Jenson sind bis kurz vor Rennende schnellste Rundenzeiten gefahren. Jenson ist seine schnellste Runde sogar in der letzten Runde gefahren", sagt Whitmarsh. Der Teamchef bedauert, dass seine Piloten zu lange auf der ungeliebten Mischung fahren mussten: "Es wäre schön gewesen, wenn es ein Zwei-Stopp-Rennen gewesen wäre, in dem wir längere Zeit auf den harten Reifen hätten fahren können. Aber es gab nur einen Stopp."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Indien


Die Möglichkeit einer Zwei-Stopp-Strategie hatte das Team vor dem Rennen in Betracht gezogen, wie Sportdirektor Sam Michael verriet: "Eine Zwei-Stopp-Strategie sah auf dem Papier auch nicht schlecht aus. Sie wäre nach unseren Berechnungen etwas langsamer gewesen, aber nicht viel." So fuhren Hamilton, der gegen Rennende den unter KERS-Problemen leidenden Mark Webber fast noch eingeholt hätte, und Button auf die Plätze vier und fünf. Das war für Whitmarsh "enttäuschend, denn wir waren dicht davor, aufs Podium zu fahren."

Konstrukteurstitel außer Reichweite

Sebastian Vettel, Mark Webber

Gegen die Red-Bull-Dominanz findet McLaren kein Rezept Zoom

Michael schöpfte jedoch aus der zweiten Rennhälfte Mut: "Auf den harten Reifen war unser Tempo gut, vor allem wenn man bedenkt, welche Probleme wir an diesem Wochenende hatten und wie viel wir ändern mussten." Neben den Reifenproblemen war auch die Getriebeübersetzung der McLaren nicht optimal. Am Ende der langen Gerade fuhren Button und Hamilton mehrmals im Drehzahlbegrenzer. Whitmarsh gab zu, dass sich das Team bei der Getriebeabstimmung verspekuliert hatte: "Man weiß vorher nie, wie sich der Wind entwickelt, das ist unberechenbar. Diese Entscheidung müssen wir am Samstagmorgen treffen. Gegen Felipe konnten wir uns wehren, aber bei Fernando sah es etwas zu einfach aus."

Nachdem die Red-Bull-Dominanz der letzten Rennen auch in Indien ihre Fortsetzung erfuhr, streckt McLaren im Kampf um die Konstrukteursmeisterschaft die Waffen: "Es wird jetzt sehr schwer, die Meisterschaft zu gewinnen, denn Red Bull kann die Konstrukteursmeisterschaft schon beim nächsten Rennen klarmachen", sagt Michael. Bei einem Rückstand von 101 Punkten sind die Chancen von McLaren nur noch theoretischer Natur, da in den letzten drei Rennen nur noch 129 Punkte vergeben werden.

Vielmehr konzentriert sich das Team auf den Kampf um Platz zwei: "Für uns geht es darum, den zweiten Platz zu erobern. Sollten Ferrari keine Wunderdinge gelingen, sollte das möglich sein", meint Michael. Der Rückstand von McLaren auf Ferrari beträgt zehn Punkte. Enttäuschung empfindet Whitmarsh angesichts der verpassten Meisterschaft jedoch nicht. "Mit Emotionen wir Frustration oder Enttäuschung beschäftige ich mich nicht." Vielmehr will sich der Teamchef mit Siegen aus der Saison verabschieden: "Es sind noch drei Rennen. Wir wollen in diesem Jahr weitere Rennen gewinnen."

Kürzte Vettel im Qualifying ab?

Nach dem vierten Sieg in Folge rätselt momentan das gesamte Fahrerlager, was Sebastian Vettel derzeit so stark macht. Whitmarsh glaubt einen Teil der Antwort zu kennen: "Wenn du ein schnelles Auto, einen konstanten Fahrer und ein Team hast, das gute Arbeit leistet und dadurch an der Spitze fährst, kannst du auf die Reifen achten. Das Auto hinter ihm war heute keine große Bedrohung", meint der McLaren-Teamchef.

"Wir haben es ihm zu leicht gemacht." Martin Whitmarsh

Allerdings gibt Whitmarsh auch zu: "Wir haben es ihm zu leicht gemacht. Wir müssen weiter nach vorne kommen und ihn beim Start stärker unter Druck setzen. Jensons Start war sehr gut, aber dann haben unsere Jungs gegeneinander und gegen Fernando gekämpft." Diesen Dreikampf dürfte Red Bull mit Vergnügen beobachtet haben. "Dass Lewis, Jenson und Fernando in der ersten Runde so miteinander kämpften, spielte Red Bull in die Karten. Dadurch konnten sie sich lösen und genügend Abstand für die DRS-Zone herausfahren", so Whitmarsh, der aber anerkennt: "Sie haben einen guten Job gemacht."

Ein Zwischenfall aus dem Qualifying, der gestern in den Medien kaum Beachtung fand, wurde heute im Fahrerlager von Noida diskutiert. Einige Beobachter, zu denen auch Whitmarsh gehört, sind der Ansicht, Vettel habe bei seiner schnellsten Runde mit allen vier Rädern die Strecke verlassen: "Ich habe mir die Aufnahmen angesehen, und meiner Meinung nach entsprach das nicht dem, was uns als erlaubt erklärt wurde", sagt Whitmarsh. "Aber es ist nicht meine Aufgabe, das zu beurteilen. Irgendjemand hat die FIA darauf hingewiesen, aber sie haben sich entscheiden, nichts zu unternehmen."