• 17.04.2015 21:36

  • von Dieter Rencken (Haymarket)

Max Mosleys Aufschrei wird die Teams amüsieren

Max Mosley möchte alle bestehenden Verträge zerreißen, um die Formel 1 zu retten, doch es ist seltsam, so etwas vom ehemaligen Präsidenten der FIA zu hören

(Motorsport-Total.com) - Eine der irritierendsten (wenn nicht gar amüsanten) Entwicklungen der vergangenen Woche waren Kommentare von Max Mosley, dem ehemaligen FIA-Präsidenten und langjährigen Freund von FOM-Chef (Formula One Management; Anm. d. Red.) Bernie Ecclestone. Die Formel 1 steht, so Bernies Freund für mehr als 30 Jahre, auf der Kippe zum Kollaps, außer die diversen beidseitigen Verträge, die die Teams an die FOM - und damit den Sport - binden, würden aufgelöst und die Milliarden-Einnahmen gleichmäßiger an die Teams verteilt.

Titel-Bild zur News: Max Mosley

Max Mosley fordert einen Neubeginn, dabei ist er ein Grund des Problems Zoom

Selten (wenn überhaupt) stimmt dieser Autor mit Mosley überein, aber was er sagt, stimmt absolut - zumindest in der Hinsicht, dass die Verträge Ferrari und Red Bull mehr Geld für bloßes Antreten zusichern, als ein Team wie Sauber bekommen würde, sollte es beide Weltmeisterschaften vier Jahre in Folge gewinnen. "Die Hälfte der Teams können einfach gar nicht mitmischen, weil sie nicht genügend Geld haben", sagt er. "Für mich ist das falsch."

Laut Mosley, der die FIA von 1993 bis 2009 angeführt hat, sei diese finanzielle Unausgeglichenheit ähnlich, wie als ob das halbe Feld mit größeren Motoren antreten dürfte, da Geld in der Formel 1 Rundenzeit bedeutet - auch wenn einige beides mehr als andere verschleudern. Das resultiere in ungerechter sportlicher Performance.

"Die einzige Lösung wäre, wenn jeder zustimmen würde (die Verträge zu zerreißen; Anm. d. Red.)", sagt er. "Man kann alle Teams zusammensitzen lassen und sagen: 'Schaut, wir haben alle gemeinsam ein Problem, weil einige von euch genug Geld haben, aber die meisten nicht. Und wenn wir so weitermachen, dann wird die Formel 1 zusammenbrechen. Ich lade euch daher alle ein, einer Veränderung zuzustimmen.'"

In der Tat edle Aussagen, besonders von einem Mann, dessen Meinung weiter Gewicht hat - besonders in der (dominanten) englischen Presse. Das sorgt auch bei den Benachteiligten sicherlich für Beifall. Warum dann das Amüsement?

Ewige Blankovollmacht der FOM

Einfach, weil die Struktur der kommerziellen Rechte der FOM eine Blankovollmacht über die kommerziellen Vereinbarungen für ein ganzes Jahrhundert gibt. Dieser Vertrag, der ursprünglich über zehn Jahr lief, bevor er um weitere 103 Jahre (ja, Sie haben richtig gelesen) verlängert wurde, wurde Ende der 90er-Jahre von Mosleys Regierung ratifiziert, bevor er 2000 in erweiterter Form angenommen wurde.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die FIA ein Diktat der EU-Kommission akzeptiert, bei dem die Behörde jegliche kommerzielle Kontrolle über die Formel 1 abtreten und SLEC (damalig besitzende Entität der FOM) überlassen würde, wenn man die Rechte für eine längere Periode verleihen wollen würde. Daher kann man mit Sicherheit behaupten, dass jeglicher Nachteil der FIA direkt auf diese Vereinbarung zurückgeht. Wenn man wie das IOC oder die FIFA die Kontrolle über sein kommerzielles Eigentum behalten hätte, dann wäre die aktuelle Situation nie eingetreten, und die FIA wäre Herr ihrer eigenen Meisterschaft.


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Laut Quellen stellte die im Januar 2005 erreichte Vereinbarung Ferrari eine erhebliche Ballonzahlung zur Verfügung, plus einen Zuschlag von fünf Prozent der jährlichen bereinigten Erträge der Formel 1 - 2,5 Prozent kamen von der FOM und der Rest aus den Team-Töpfen, was den Konkurrenten einen doppelten Rückschlag bescherte. Im Gegenzug garantierte Ferrari seine Teilnahme an der Meisterschaft bis 2012.

Mosley Amtszeit nicht erfolgreicher

Außerdem: Zwischen Mosleys erstem Jahr im Amt (1993) und dem ersten Jahr unter dem Deal der kommerziellen Rechte (1998) gingen zwei etablierte Teams unter, und vier weitere kamen nur hinzu, um innerhalb von zwei Jahren oder weniger zu kollabieren. Weitere zwei sind in den folgenden fünf Jahren verschwunden, und aufgrund der enormen Fesseln des Concorde-Agreements (das auch die FIA unterzeichnete) für neue Teams, kam nur Toyota in dieser Periode hinzu.

Es stimmt, am Ende seiner Präsidentschaft hat Mosley mit einem (verspäteten) Versuch eine Art Budgetkontrolle durchsetzen wollen, um den Exodus der Teams zu verhindern, aber seine Anstrengungen wurden mit Drohungen einiger Teams (angeführt von Ferrari) begegnet, die eine eigene Serie starten wollten. Gleichzeitig hat es auch seinen Abgang aus dem Amt 2009 mit herbeigeführt - und die Wahl des ehemaligen Ferrari-Teamchefs Jean Todt als Präsident.

Max Mosley und Jean Todt

Mosley trat sein Amt 2009 an Ex-Ferrari-Teamchef Jean Todt ab Zoom

Vier Teams erhörten Mosleys Rufe nach einer "F1 Lite" vor seinem Abgang: Eines (USF1) war eine Totgeburt, ein weiteres (Campos/HRT) ging nach drei Jahren pleite, und Caterham und Marussia mussten Ende des vergangenen Jahres Insolvenz anmelden. Letztere bezahlten ihren Gläubigern einen geringen Anteil, bevor sie als Manor kontrovers wiederauferstanden.

Warum sollte Ferrari verzichten?

Keine gute Bilanz, und es beweist, wie schwierig es ist, Änderungen in der Formel 1 durchzudrücken. Besonders da die aktuelle politische Struktur (abgesehen von der Strategiegruppe) direkt auf Anhang 9 des 2009-12 Concorde-Agreements zurückgeht, das während Mosleys letzter Amtszeit unterzeichnet wurde. Faktisch war es eine der letzten Amtshandlungen seiner Präsidentschaft.

Daher sollte er die Schwierigkeiten kennen, die für große Änderungen nötige Einstimmigkeit zu bekommen - und auch die Konsequenzen eines Aufstands. Aussagen wie "Schaut, wir haben alle gemeinsam ein Problem, weil einige von euch genug Geld haben, aber die meisten nicht. Und wenn wir so weitermachen, dann wird die Formel 1 zusammenbrechen. Ich lade euch daher alle ein, einer Veränderung zuzustimmen" sind daher ein bisschen unaufrichtig.

Sebastian Vettel

Ferrari gehört zu den größten Profiteuren der Bonuszahlungen Zoom

Warum sollte Red Bull einen kommerziellen Vorteil aufgeben, der ihnen angeboten wurde? Oder warum sollte Ferrari, die bald an der New Yorker Börse gelistet sein werden, potentiellen Investoren klarmachen, dass man bis zu 100 Millionen US-Dollar pro Jahr verlieren könnte? McLarens weitere Pläne sehen Bonuszahlungen vor, und auch Williams plant mit diesem Budget - Mercedes ebenfalls.

Die Krux mit dem Börsengang

Der Hauptgrund für die Bonuszahlungen an die sogenannten Constructors' Championship Bonus Teams (CCB-Teams; Red Bull, Ferrari und McLaren) plus Mercedes (Premium-Hersteller) und Williams (Geschichte) war ein großes Verlangen vom Hauptteilhaber der FOM, CVC Capital Partners, um die Formel 1 an der Singapurer Börse zu notieren.

Dafür brauchte der Risikofonds langfristige Bindungen der Größen des Sports, die durch Zahlungen besagter Boni zustande gekommen waren. Trotzdem zerschlugen diverse Entwicklungen die Hoffnungen auf einen Börsengang, und somit ist die Formel 1 nun an Verträge ohne Wert gebunden, die stattdessen sogar deren Überleben gefährden.

Die Formation der Strategiegruppe war ebenfalls ein Zubrot für die großen Teams, da ein Kern aus fünf Teams plus das bestplatzierte sonstige Team die gleichen Wahlrechte wie die FIA hat, wie Todt im vergangenen Jahr feststellen musste, als er eine Budgetgrenze einführen wollte und mit zwölf zu sechs Stimmen gegen sechs Teams und die FOM verlor.

Mosley: "FIA nicht mehr so stark"

Mosley sagte dazu: "Ich weiß nicht, was in den getroffenen Vereinbarungen drinsteht (überraschend, da er zum Zeitpunkt des Deals ein Mitglied des FIA-Senats war; Anm. d. Red.), aber laut meinem Verständnis kann Bernie die FIA zusammen mit den Teams überstimmen. Ich könnte mich auch irren und sollte darüber nicht spekulieren, aber ich habe den Eindruck, dass die FIA nicht mehr die starke Position wie einst besitzt."

Mosley hat mit dem Nicht-Spekulieren Recht, aber Bonuszahlungen, Gründung der Strategiegruppe und der Kontrollnachteil der FIA führen (sicherlich indirekt) auf seine eigene Präsidentschaft zurück. 2005/2006 genehmigte seine Regierung den Verkauf der SLEC (damalige Holding der FOM und Besitzer der 100-jährigen Rechte) an die CVC - trotz der Existenz einer laut Mosley "Don-King-Klausel". Diese garantierte der Behörde ein Vetorecht für jeden Verkauf, das offenkundig aber nicht ausgeführt wurde. Daher gehört die Formel 1 der CVC.

"Ich habe den Eindruck, dass die FIA nicht mehr die starke Position wie einst besitzt." Max Mosley

Und zur FIA, die eine "nicht mehr so starke Position wie einst" akzeptiert: Fakt ist, dass die FIA durch eine drohende Finanzkrise gezwungen war, jedes mögliche Geschäft zu machen - aufgrund der 100-Jahr-Verlängerung, die ohne weitere Zahlungen die Verwaltung der Meisterschaft angeboten hat. Alle Erlöse gingen vorher in die FIA-Foundation.

Warum wählt Mosley diese Aussagen?

Es ist wichtig zu bemerken, dass die Ausweitung keine stufenweise angehobene Finanzierung beinhaltet, die FIA aber verpflichtet, mit ihren Angelegenheiten fortzufahren. Um die FIA finanziell zu "retten", musste Todt gewisse Rechte abtreten. Allerdings besitzt die FIA derzeit ein Ein-Drittel-Voting in der Strategiegruppe, was mehr ist als unter der alten Technischen/Sportlichen Arbeitsgruppe und Formel-1-Kommission. Zudem behält man über den Weltrat WMSC, der alle Regeländerungen ratifiziert, ein Vetorecht.

Man darf sich fragen, warum Mosley den Zeitpunkt und die Art seiner Äußerungen so gewählt hat. Es ist bekannt, dass seine Autobiografie ansteht. Zudem kommt Mosley seinem langjährigen Freund Bernard vielleicht (wieder einmal) zu Hilfe, wo dieser unter Druck der CVC steht, sicherzustellen, dass es zehn Teams durch die Saison schaffen.

Bernie Ecclestone

Auch Bernie Ecclestone erlebt mit der Formel 1 schwierige Zeiten Zoom

Durch die finanzielle Unausgeglichenheit wäre der einfachste Weg für die FOM, die Zahlungen an benachteiligte Teams zu erhöhen, doch das ist ganz klar ein No-Go, da die CVC enorme Schulden drücken - es heißt rund eine Milliarde Dollar. Rückzahlungen reichen bis geschätzten 250 Millionen Dollar pro Jahr, und wenn man bedenkt, dass die jährlichen Nettoeinnahmen 400 Millionen Dollar betragen sollen und Investoren bei Laune gehalten werden müssen, dann gibt es nicht genügend Spielraum.

Gibt es deswegen den Vorschlag, die Verträge zu zerreißen und die Einnahmen mehr oder weniger gleichmäßig unter allen Teams aufzuteilen? Man muss sich nur die Befriedigung vorstellen, die es bei Durchsetzung über jene Teams macht, die zu Mosleys Abgang 2009 beigetragen haben.