• 31.01.2005 12:17

Mario Theissen: Porträt und Interview

Als BMW Motorsport Direktor ist Mario Theissen das Gegenstück zu Sam Michael im Motorenbereich - Porträt und Interview mit dem Deutschen

(Motorsport-Total.com) - Seine Leidenschaften für den Sport und die Technik in einer Managerposition zu verschmelzen, ergab für Dr. Mario Theissen seinen Traumberuf. Seit April 1999 ist er BMW Motorsport Direktor. Bereits seit 1977 ist er in der BMW Entwicklung tätig.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

Mario Theissen ist bei BMW für das Motorsport-Programm verantwortlich

Mario Theissen wurde am 17. August 1952 in Monschau in der Eifel geboren. "Dort fand sich immer jemand, der mich mitnahm zu Rennen auf dem Nürburgring oder in Spa", erinnert er sich. Das technische Interesse am Motorenbau und die berufliche wie private Begeisterung für den Motorsport begleiteten ihn durch sein Maschinenbau-Studium (1971 bis 1977).#w1#

Im Juni 1977, unmittelbar nach seinem Abschluss als Diplom-Ingenieur an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, begann er bei BMW in der Motorenberechnung. In den folgenden Jahren nahm Theissen verschiedene Aufgaben in der BMW Motorenentwicklung wahr.

1989 promovierte er an der Ruhr-Universität in Bochum zum Dr.-Ing. 1991 wurde er Leiter Produktkonzepte der BMW AG, ein Jahr später Leiter Vorentwicklung Antrieb. Ab 1994 fungierte er als Geschäftsführer der BMW Technik GmbH. 1998 übernahm er neben der Leitung der Technik GmbH den Aufbau des BMW Technology Office in Palo Alto, Kalifornien.

Ab 1999 leitete er die Rennsportengagements des Unternehmens zunächst gemeinsam mit Gerhard Berger. Der BMW Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans in jenem Jahr bleibt ihm unvergesslich. Seit Oktober 2003 füllt Mario Theissen die Position des BMW Motorsport Direktors alleine aus. Seine Freizeit ist knapper geworden. "Für ein Marathontraining wie früher, reicht sie nicht mehr", sagt er, besteht aber auf täglichem Jogging oder Training im Rahmen des auf seine Initiative für die BMW Motorsport-Mitarbeiter entstandenen BMW Fitness-Programms. Größere Zeitfenster nutzt er zum Radeln oder Ski fahren.

Mario Theissen und seine Frau Ulrike leben mit ihren drei Kindern Pascal (22 Jahre), Isabel (20) und Janina (17) in München.

Mario Theissen im Interview

Frage: "Die FIA hat zum dritten Mal in Folge die Laufleistung für die Motoren erhöht. Wie sehen Sie diese Entwicklung?"
Mario Theissen: "Grundsätzlich unterstützt BMW Maßnahmen, die der Kostenreduzierung dienen. Diesen Zweck kann die Vorgabe, mit einem Motor 1500 Kilometer zu bestreiten, mittelfristig erfüllen. Und unter dem Aspekt der Kosteneinsparung sehen wir diese Reglementänderung auch."

Frage: "Welchen Entwicklungsaufwand erforderte die Änderung?"
Theissen: "Zunächst einmal hat sie vermeidbaren Aufwand verursacht. Dadurch, dass die erneute Verdoppelung der Laufleistung erst im Juli bekannt gegeben wurde, waren viele bis dahin getroffene Vorbereitungen vergebens. Der P85 hatte bereits Prüfstandsreife. Mit Kenntnis der neuen Vorgabe sind wir sofort daran gegangen, auf Basis des BMW P84 der Saison 2004 einen neuen Motor zu entwickeln, der standfest für zwei Veranstaltungen ist."

Frage: "Wie erreicht man die Erhöhung der Standfestigkeit?"
Theissen: "Jedes einzelne der mechanisch und thermisch hoch belasteten Bauteile muss widerstandsfähiger ausgelegt werden. Dies führt schnell dazu, dass der Motor größer und schwerer wird, was wiederum Drehzahl und somit Leistung kostet. Diese Einbußen durch neue Lösungen zu minimieren, war eine sehr komplexe Aufgabe für die BMW Ingenieure."

Frage: "Was wünschen Sie sich bezüglich des Reglements für die Zukunft?"
Theissen: "Erstens Stabilität. Bei unserem Einstieg durften wir diese bis zum Auslaufen des Concorde Agreements Ende 2007 erwarten. Zweitens muss die Formel 1 Spitzentechnologie bieten. Das ist ein großer Teil ihrer Faszination. BMW tritt in der Formel 1 nicht als Sponsor an, sondern um technische Kompetenz im Motorenbau zu demonstrieren."

Frage: "Und sportlich?"
Theissen: "Nach vier sehr erfolgreichen Jahren sind wir 2004 erstmals hinter den Erwartungen geblieben. 2005 wollen wir mit neuen Fahrern, neuem Chassis und neuem Motor zu alter Stärke zurückfinden. Strukturelle und personelle Maßnahmen sowie der neue Windkanal müssen Früchte tragen."

Frage: "Freut sich BMW über einen auf 19 Rennen erweiterten Kalender?"
Theissen: "Neue Austragungsländer bedeuten ein Stück Zukunftssicherung für die Formel 1. So kann die Wirtschaftskraft weiterer Märkte erschlossen werden. Selbstverständlich bedeutet eine Saison mit 19 Rennen höhere Einsatzkosten als eine mit 16, 17 oder 18 Grands Prix wie in den vergangenen Jahren. Diese Mehrkosten sollten durch eine Beschränkung der Testfahrten aufgefangen werden."

Frage: "Profitiert die BMW Serienentwicklung vom F1-Engagement?"
Theissen: "Auf jeden Fall. Mit der Standortwahl und der direkten Anbindung der Formel-1-Fabrik haben wir von Anfang an kurze Wege zwischen Serie und Rennsport geschaffen. So kann die Formel-1-Entwicklung auf das Know-how des BMW Forschungs- und Innovationszentrums FIZ zugreifen. Für das FIZ wiederum stellt das F1-Projekt mit seinen extremen Anforderungen ein hervorragendes Labor dar, einen realen Technologie¬beschleuniger. Zudem haben wir unsere F1-Gießerei mit der Seriengießerei vernetzt und es mit der Teilefertigung genauso gehalten. In allen Bereichen wird der Austausch sowohl durch räumliche Nähe als auch durch Verantwortlichkeiten generiert. So werden F1-Gießerei und -Teilefertigung von den Experten betrieben, die auch Serienteile gießen und bearbeiten. In Summe generieren wir in kurzen Zeiträumen Innovationen für die kommende Generation von BMW Serienmotoren. Vergleichbare Synergien ergeben sich inzwischen in den Bereichen Getriebe und Antriebsstrang."