• 29.08.2009 19:42

  • von Dieter Rencken

Mallya: "Bin stolz darauf, Teamchef zu sein"

Exklusiv bei 'Motorsport-Total.com': Vijay Mallya freut sich über die historische erste Pole-Position eines indischen Teams in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Sein Äußeres und sein Auftreten erinnern ein bisschen an Flavio Briatore, vom Erfolg her konnte er dem Renault-Teamchef bisher aber nicht das Wasser reichen: Die Rede ist von Vijay Mallya, einem indischen Milliardär, der sich 2007 in das ehemalige Jordan-, MF1- und Spyker-Team eingekauft und es in Force India umbenannt hat.

Titel-Bild zur News: Vijay Mallya

Ein Inder wie aus dem Bilderbuch: Vijay Mallya, steinreicher Geschäftsmann

Mallyas erklärtes Ziel in der Königsklasse war immer, beim ersten indischen Grand Prix einen indischen Fahrer aus seinem eigenen Team auf das Podium zu bringen. Heute erreichte Giancarlo Fisichella in Spa-Francorchamps zunächst einen anderen Meilenstein: die erste Pole-Position! Über den schönsten Moment seiner Karriere in der Formel 1, die Gerüchte über finanzielle Engpässe, den geplanten Grand Prix von Indien und vieles mehr sprach er anschließend im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com'.#w1#

Frage: "Vijay, Gratulation zur ersten Pole-Position des Teams unter deiner Führung! Hättest du damit in diesem Jahr gerechnet?"
Vijay Mallya: "Dankeschön für die Gratulation. Ich habe das Team Ende 2007 gekauft. 2008 sind wir noch mit dem alten Spyker-Chassis gefahren. Wir haben zwar ein paar Dinge verändert, aber viel war da nicht mehr zu machen. Aus irgendeinem Grund - dazu möchte ich mich nicht äußern - stand dieses Team in den vergangenen Jahren in der Startaufstellung zumeist ganz hinten."

2008 war nur ein Übergangsjahr

"2009 ist meiner Meinung nach eigentlich das erste Jahr für Force India. Dieses Auto haben wir selbst entwickelt und gebaut, obwohl wir dafür nur sehr wenig Zeit zur Verfügung hatten. Ich habe vor Saisonbeginn gesagt, dass wir dieses Jahr im guten Mittelfeld mitfahren und einige Punkte holen sollten. Das war mein Ziel."

"2009 ist meiner Meinung nach eigentlich das erste Jahr für Force India." Vijay Mallya

"Ich meine, wir haben bewiesen, dass wir zum guten Mittelfeld gehören, aber die Formel 1 ist heutzutage so umkämpft, dass Bruchteile einer Sekunde schon zwei oder drei Plätze bedeuten können. Trotzdem hatten wir vier Zielankünfte in den Top 10 und sechs in den Top 12. Das beweist, dass wir im Mittelfeld dabei sind. In Valencia haben wir ein großes Update eingeführt, das sich zu bewähren scheint. Wir waren dort sehr zu meiner Zufriedenheit Zehnter und Zwölfter."

"Für dieses Rennen in Spa haben wir einen neuen Front- und einen neuen Heckflügel. Damit erwarteten wir bessere Ergebnisse, denn das Auto hat eine exzellente Pace. Ich war aber ehrlich gesagt ziemlich erstaunt, als ich sah, dass 'Fisi' auf Pole-Position steht, obwohl es sich in Q1 und Q2 schon ein bisschen abgezeichnet hatte."

"Adrian hatte großes Pech und schrammte um weniger als eine Zehntelsekunde an Q3 vorbei. That's Racing. Wenn er es geschafft hätte, hätte er sicher auch eine deutlich bessere Position herausgeholt. Aber 'Fisis' Pole war die Krönung! Ich freue mich für ihn und das Team. Der Motivationsschub durch diese Pole ist absolut unglaublich! Da hätte ich mir nichts Besseres wünschen können."

Bescheidenheit vor dem Rennen

"Jetzt gehen wir mit gesenktem Haupt ins morgige Rennen. Wir wollen beide Autos ins Ziel bringen - hoffentlich in den Punkten. Wenn wir ein bisschen Glück haben und alles nach Plan läuft, dann ist auch ein Podium möglich, aber das wäre ein Bonus. Ungeachtet dessen habe ich heute Grund stolz zu sein, vor allem auf all meine Jungs in der Fabrik, an der Rennstrecke, auf die Fahrer. Ich bin stolz darauf, Teamchef zu sein."

"Jetzt gehen wir mit gesenktem Haupt ins morgige Rennen." Vijay Mallya

Frage: "Was ging dir durch den Kopf, als feststand, dass es zur Pole-Position reichen würde?"
Mallya: "Die letzten 30 Sekunden musste ich fast meinen Puls messen, denn der schnellte irre in die Höhe! Mein Herz schlug schneller als die Drehzahl des Motors! Selbst als ich am Monitor sah, dass die Zeit abgelaufen war, waren noch ein, zwei schnelle Autos auf der Strecke. Aber dann konnte ich es nicht glauben! Das war die längste Minute meines Lebens! Das ist der schönste Tag meines Lebens in der Formel 1!"

Frage: "Es ist kein Geheimnis, dass die Luftfahrt- und Alkoholindustrie in Indien unter Druck steht. Wie sicher ist die Zukunft des Teams und inwiefern hilft dieses Ergebnis bei der Zukunftssicherung?"
Mallya: "Aus irgendeinem Grund, der sich mir nicht erschließt, wird mir diese Frage immer wieder gestellt. Auch heute sind schon viele Journalisten zu mir gekommen und haben mich nach der finanziellen Sicherheit des Teams gefragt."

"Ich vermute, es gibt jemanden, der unwahre Informationen über uns verbreitet und auf diese Weise unfundierte Gerüchte in die Welt setzt. Ich möchte aber ein paar Dinge klarstellen: Mein Kerngeschäft liegt im Spirituosen- und Bierbereich - und die laufen außergewöhnlich gut. Da spüren wir rein gar nichts von einer Rezession oder einem verlangsamten Wachstum, ganz im Gegenteil."

"Die Wachstumsraten liegen über 20 Prozent. Die Bilanzen sind spektakulär und die Aktienkurse schießen in die Höhe. Ich habe keinen Grund, mich zu beschweren. Die Luftfahrt steht unter Druck - nicht nur in Indien, sondern weltweit. Meine Finanzen sind aber nicht nur von der Airline abhängig. Außerdem hängen die Finanzen von Force India nicht von den Finanzen einer meiner Firmen ab!"

Keine finanziellen Sorgen

"Force India ist sicher finanziert. Ich will bleiben, wie jeder weiß. Im Vergleich zu anderen Teams kommen wir mit einem kleinen Budget aus. Ich achte genau darauf, wie wir unser Geld ausgeben und wo. Ich bin besonders stolz darauf, dass es uns gelingt, so tolle Leistungen mit einem kleinen Budget zu erreichen. Die Pole wird in die Geschichtsbücher eingehen. Das macht mich sehr stolz."

Frage: "Im Fahrerlager kursiert ein Gerücht, dass du dein großes Fahrerlager nicht hierher gebracht hast, weil es die Behörden sonst aufgrund von Gläubigerforderungen beschlagnahmen lassen würden. Möchtest du zu diesen Gerüchten einen Kommentar abgeben?"
Mallya: "Unser Motorhome wurde vom Vertragspartner sehr schlecht gebaut. Es hat mehrere Schwachstellen - Qualitäts- und Sicherheitsprobleme. In Valencia, wo wir das Motorhome zuletzt im Einsatz hatten, entdeckten wir elektrische Sicherheitsprobleme. So ein Risiko wollen wir nicht eingehen."


Fotos: Giancarlo Fisichella, Großer Preis von Belgien, Samstag


"Also müssen wir diese Probleme beheben, um das Motorhome für unsere Besucher hundertprozentig sicher zu machen. Zwischen diesen aufeinander folgenden Rennen hat die Zeit nicht gereicht, um das Motorhome abzubauen, das Problem zu beheben und es rechtzeitig nach Spa zu bekommen. Also haben wir es gleich nach Monza geschickt. Hier haben wir ein Interim-Motorhome des gleichen Vertragspartners. Ich verstehe nicht, warum diese Geschichte von den Leuten so aufgeblasen wird."

Frage: "Du bist am Saisonbeginn das Risiko eingegangen, das Team sehr jungen Leuten anzuvertrauen. Jetzt liefern sie Leistung. Bist du im Nachhinein stolz auf deine Entscheidung?"
Mallya: "Das ist eine sehr gute Frage. Ich war schon immer dafür, Jungstars und junge Talente zu ermutigen. Das ist in all meinen Geschäftszweigen mein Managementstil. Allerdings ist das nicht ohne intensives Nachdenken und Abwägung aller Vor- und Nachteile geschehen."

Vertrauen in die eigene Mannschaft

"Ich glaube wirklich, dass unsere Leute dazu in der Lage sind, Leistung zu bringen. Das haben sie mir heute bewiesen. Meine Wahl war also richtig. Ich bin stolz auf meine Leute und traue ihnen zu, dass sie noch mehr erreichen werden. Aber ja, ich musste einige entscheidende Managementänderungen vornehmen. Das vorherige Management hat bei weitem nicht die Ergebnisse erreicht, wie wir sie heute erreicht haben."

"Ich bin stolz auf meine Leute und traue ihnen zu, dass sie noch mehr erreichen werden." Vijay Mallya

Frage: "Wenn du an nächstes Jahr denkst, welche Fahrerarrangements hast du bereits getroffen und welche erhoffst du dir?"
Mallya: "Es ist noch zu früh, um über die Fahrer für 2010 zu sprechen. Normalerweise finden diese Diskussionen im Oktober statt. Wir müssen uns darüber natürlich Gedanken machen und mit Fahrern sprechen, aber ich glaube, dass unsere Fahrer sehr motiviert sind, weil sie echte Fortschritte sehen."

"Am Ende der vergangenen Saison musste ich mich mit beiden Fahrern und ihren Managern an einen Tisch setzen und ihnen erklären, wie ernst es mir damit ist, am Management etwas zu ändern und - noch wichtiger - ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen. Jetzt sehen sie den Unterschied selbst."

Frage: "Es gibt verschiedene Gerüchte über den Grand Prix von Indien. Angeblich ist der Promoter ausgestiegen und das Ministerium soll seine Unterstützung zurückgezogen haben. Stimmt das?"
Mallya: "Man muss die Dinge im richtigen Zusammenhang verstehen. In Indien haben wir sehr strenge Devisenbestimmungen. Die indische Regierung sieht es nicht gerne, wenn indische Rupien in US-Dollar gewechselt werden, außer es gibt einen gerechtfertigten Grund dafür."

"Daher musste der Promoter zur Notenbank gehen, zum Finanzministerium und zum Sportministerium, um die Genehmigungen zu bekommen. Da ging es um die Lizenzgebühren an die FOM, um die Veranstaltungsgebühren. Diese Gebühr ist in indischen Rupien viel Geld. Dass die Behörden so einem Antrag nicht beim ersten Mal stattgeben, ist ganz normal. Da müssen oft zwei oder drei Anträge gestellt werden, um die Leute zu überzeugen."

Indien: Keine weitere Verschiebung?

"Für viel wichtiger halte ich aber, dass der Promoter, ein großes Bauunternehmen, gigantische Summen ausgegeben hat, um das Grundstück zu kaufen. Mit der Planung der Strecke wurde bereits begonnen, ebenso wie mit der Planung der Infrastruktur. Die werden ihr Investment nicht den Bach runtergehen lassen. Daher würde ich niemals sagen, dass der Grand Prix von Indien 2011 in Gefahr ist."

"Die werden ihr Investment nicht den Bach runtergehen lassen." Vijay Mallya

Frage: "Vor einem Jahr hat es aber noch geheißen, der Grand Prix soll schon 2010 kommen. Droht eine weitere Verschiebung auf 2012 oder 2013?"
Mallya: "Bis 2011 ist jetzt genug Zeit. Ich sehe keinen Grund für eine weitere Verschiebung."

Frage: "Wie hoffnungsvoll bist du, dass es einen Grand Prix von Indien geben wird?"
Mallya: "Ich bin davon überzeugt. Die Formel-1-Fangemeinde in Indien wächst und wächst, natürlich dank Force India. Nach dem heutigen Tag wird das Interesse sicher noch größer sein."

Frage: "Letzte Frage: Kannst du bitte sagen, wie dein Geschäftsverhältnis zur Mol-Familie bei Force India aussieht?"
Mallya: "Die Mol-Familie ist mein Partner. Jeder der zwei Anteilseigner schaut von Zeit zu Zeit auf die Arbeit des anderen. Wir reden auch über die Zukunft. An unserem Verhältnis hat sich nichts geändert."

Frage: "Dies ist das Rennen, das am nächsten an den Niederlanden liegt. Sind sie hier?"
Mallya: "Ja, Michiel ist hier."