Folge uns jetzt auf Instagram und erlebe die schönsten und emotionalsten Momente im Motorsport zusammen mit anderen Fans aus der ganzen Welt
Longrun-Analyse: Wie echt ist diese Mercedes-Pace in Las Vegas?
Mercedes dominiert den Trainingsauftakt in Las Vegas, doch in den Longruns sind McLaren und Ferrari vorn, während Red Bull abgeschlagen die vierte Kraft ist
(Motorsport-Total.com) - Mercedes hat den Trainingstag der Formel 1 in Las Vegas dominiert. Im ersten und zweiten Freien Training war jeweils Lewis Hamilton der schnellste Pilot im Feld, wobei Mercedes in der ersten Session dem Rest der Welt eine ganze Sekunde abnehmen konnte. Die Silberpfeile waren allerdings schon oft am Freitag stark, ehe man im weiteren Wochenendverlauf zurückgefallen ist. So auch diese Woche?

© Motorsport Images
Lewis Hamilton war der schnellste Mann auf eine schnelle Runde, doch in den Longruns hatte Mercedes Probleme Zoom
"Ich denke, wir sind Meister der schmutzigen Strecke", sagt Teamchef Toto Wolff nach dem Trainingsauftakt in Las Vegas. "Das erste Training ist immer großartig, und sobald der Grip einsetzt, haben wir gesehen, dass die Leistung schlechter wird. Also müssen wir morgen für alle Sessions etwas Staub auf die Strecke sprühen."
Ein Indikator, dass die starke Mercedes-Pace möglicherweise nicht halten wird, sind die Longruns am Ende des zweiten Freien Trainings, denn dort waren sowohl McLaren als auch Ferrari schneller. Mit viel Sprit setzte Lando Norris die besten Rundenzeiten, wenn man die Longruns um nicht repräsentative Runden, zum Beispiel wenn ein Fahrer Verkehr hatte oder in eine gelbe Flagge geriet, sowie die verschiedenen Reifenmischungen miteinander bereinigt.
Und auch auf eine schnelle Runde fehlten Norris am späten Abend nur noch elf Tausendstel auf den Mercedes von Hamilton. Der WM-Zweite spricht nach den Trainings in Bezug auf die McLaren-Pace allerdings "von schockierenden Longruns, wobei die Qualifyingsimulation ganz okay war".
Ferrari mit Reifenproblemen: "Kein guter Tag für uns"
Im Schnitt war Norris dennoch der schnellste Fahrer mit viel Sprit, dicht gefolgt von Teamkollege Oscar Piastri, der eine halbe Zehntel pro Runde zurücklag. Ferrari handelte sich ein Defizit von etwa eineinhalb bis zwei Zehntel pro Runde auf McLaren ein, wobei man wie erwartet mit dem Aufwärmen der Reifen bei den kalten Bedingungen in Las Vegas kämpfte.
In den Qualifyingsimulationen hat Ferrari zum Teil auf zwei schnelle Aufwärmrunden gesetzt, ehe man die fliegende Runde startet, dennoch war man gerade im ersten Sektor nicht konkurrenzfähig. Ganze drei Zehntel büßten Carlos Sainz und Charles Leclerc in diesem Streckenabschnitt auf Mercedes ein, ehe man Bestzeit im letzten Sektor fahren konnte. In den Longruns fiel der Rückstand auf McLaren aber gleichmäßig hoch in allen drei Sektoren aus.
"Es war kein guter Tag für uns, und es scheint auch für alle anderen schwierig gewesen zu sein", fasst es Leclerc zusammen. "Wir sind nicht so stark, wie wir es vor dem Wochenende erwartet hatten. Bei den kalten Witterungsbedingungen war es schwierig, die Reifen auf Temperatur zu bringen. Wir wussten, dass das eine Herausforderung sein würde, also werden wir daran arbeiten."
Mercedes befürchtet: "Vorteil wird nicht von Dauer sein"
Im weiteren Longrun-Kräfteverhältnis kommt Mercedes. Während Lewis Hamilton mit dem Soft-Reifen etwa drei Zehntel pro Runde auf Norris einbüßte, kommt Teamkollege George Russell sogar auf einen durchschnittlichen Rückstand von etwa sieben Zehntel pro Runde auf den Mediums, auf denen auch die restlichen Topfahrer unterwegs waren.
Höchstwahrscheinlich ist Russell etwas langsamer in seinen Longrun gestartet, um die Reifen besser zu schonen, was sich aber in den kurzen Rennsimulationen von fünf bis zehn Runden aber noch nicht positiv auf die Pace ausschlagen konnte. Doch selbst Hamilton mit der schnellen Herangehensweise konnte die Spitzenpace nicht mitgehen.
Auch Teamchef Toto Wolff riecht den Braten: "Ich glaube nicht, dass unser Vorteil gegenüber den anderen Teams von Dauer sein wird. Ich hoffe sehr, dass wir nicht wie in der Vergangenheit auf einigen Strecken zurückfallen, sondern konkurrenzfähig bleiben und vorne mitkämpfen."
Dass Mercedes aber überhaupt so gut bei der Musik dabei ist, liegt wohl daran, dass der W15 kalte Temperaturen mag wie man in dieser Saison schon in Montreal, Silverstone oder Spa sehen konnte. Der Topspeedcharakter der Las-Vegas-Strecke hilft ebenfalls, schließlich hat sich in den Topspeedwerten ohne DRS der Longruns wieder einmal gezeigt, dass kein Auto schneller auf den Geraden ist als der Mercedes.
Ist Red Bull wirklich so weit abgeschlagen?
Bleibt nur noch ein Topteam übrig: Red Bull. Während man die Leistung des Teams auf eine schnelle Runde kaum bewerten kann, da man aufgrund der roten Flagge keine schnelle Rundenzeit auf den Soft-Reifen im zweiten Training setzen konnte, bestätigen die Longruns allerdings das allgemein schwache Auftreten des RB20 in Las Vegas.
Sergio Perez und Max Verstappen waren im Mittel fast eine Sekunde pro Runde langsamer als McLaren, wobei es immerhin positiv ist, dass der Mexikaner in Las Vegas näher an seinem Teamkollegen zu sein scheint. Die Strecke hat einen ähnlichen Charakter wie Baku, wo Perez dieses Jahr schon wie der schnellere der beiden Red-Bull-Piloten aussah.
Helmut Marko, Red-Bull-Motorsportberater, analysiert die Lage des Teams: "In der Qualifyingsimulation haben wir den weichen Reifen nicht benutzt, aber die Longruns waren nur teilweise gut. Einige Runden waren konkurrenzfähig, aber dann bauten die Hinterreifen ab. Es gab also nur Anzeichen von Geschwindigkeit."
Mittelfeld-Mysterium: Warum fehlen Guanyu Zhou fast 50 km/h?
Im Mittelfeld hatten Alpine (+1,0) und Haas (+1,11) die beste Pace, obwohl der Rückstand auf die Spitze mit einer Sekunde ziemlich hoch ausfällt, was allerdings auch an der 6,2 Kilometer langen Las-Vegas-Strecke liegen dürfte. Nur der Kurs in Spa-Francorchamps ist noch länger, was üblicherweise für größere Rückstände sorgt.
Etwas hinter den beiden Teams landete Racing Bulls (+1,44), ehe eine große Lücke zu den restlichen Teams klafft. Aston Martin (+2,08), Williams (+2,17) und Sauber (+2,26) haben allesamt mit viel Sprit über zwei Sekunden pro Runde auf McLaren eingebüßt. Bei Sauber hat sich zudem ein Mysterium um Guanyu Zhou aus dem Vorjahr wiederholt.
Beim Rennen in Las Vegas 2023 fehlten dem Chinesen durchschnittlich 33,6 km/h in der Geschwindigkeitsmessung auf das schnellste Auto. In den Longruns in dieser Saison ist dieser Wert auf nun sogar 48,9 km/h angestiegen, was sich nicht mit der Autoperformance begründen lässt. Teamkollege Valtteri Bottas war zwar ebenfalls langsam auf den Geraden, doch der Finne büßte im Schnitt "nur" 15,9 km/h auf Mercedes ein.
Dazu muss man wissen: Die Geschwindigkeitsmessung liegt in Las Vegas kurz vor der letzten Bremszone in Kurve 14. Somit kann man davon ausgehen, dass Zhou entweder übermäßiges Lift-and-Coast betreibt oder einfach viel früher als der Rest des Feldes bremst, womit sein Topspeedwert so gering ausfällt.
Strategiepoker: Warum hat keiner den harten Reifen getestet?
Für die restliche strategische Herangehensweise am Wochenende ist aufgefallen, dass kein Team den harten Reifen in den ersten beiden Trainings herausgeholt hat, was allerdings weniger daran liegt, dass der C3 kein guter Reifen ist, sondern vielmehr daran, dass man wohl beide verfügbaren Sätze für das Rennen braucht. Im Vorjahr gewann Max Verstappen mit der Zweistoppstrategie Medium-Hard-Hard.
Pirelli-Chefingenieur Simone Berra erklärt: "Was das Verhalten der Reifen anbelangt, sollte die harte Mischung für das Rennen am besten geeignet sein, was paradoxerweise auch daran liegt, dass sie heute nicht gefahren wurde. Und was das Graining betrifft, so ist es bei den sehr niedrigen Temperaturen auf dem Medium und dem Soft aufgetreten, vor allem auf der Vorderachse, es war nur auf der Oberfläche der Reifen und hatte daher keine großen Auswirkungen auf den Verschleiß."
Dennoch konnte man in den Longruns bei einigen Teams beobachten, dass ein stärkerer Reifenverschleiß schon nach wenigen Runden einsetzte. In Kombination mit der Reifenwahl der Teams ist daher wohl auch in diesem Jahr mit einem Zweistopprennen Medium-Hard-Hard zu rechnen, wobei der ein oder andere auch eine Einstoppstrategie riskieren könnte. Im Vorjahr wäre dieser Poker für Charles Leclerc beinahe aufgegangen, ehe ein Safety-Car seine Hoffnungen auf den Sieg zunichte machte.


Neueste Kommentare
Erstellen Sie jetzt den ersten Kommentar