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  • 24.03.2017 05:03

  • von Dominik Sharaf

Live-Eindrücke von der Strecke: Die Formel 1 ist wieder sexy

Redakteur Dominik Sharaf hat den Trainingsauftakt in Melbourne am Streckenrand verfolgt: Warum die Autos spektakulärer, aber nicht schneller wirken

Titel-Bild zur News: Dominik Sharaf

Redakteur Dominik Sharaf hat sich die neuen Autos aus der Nähe angesehen Zoom

Liebe Leserinnen und Leser,

ich war selten so gespannt auf den Beginn einer Formel-1-Saison wie 2017. Vor Ort in Melbourne habe ich die Chance genutzt, um mich während des ersten Freien Trainings des Jahres zwischen Absperrungen und Betonmauern zu schleichen. Ich wollte aus nächster Nähe einen Blick auf die fahrenden Boliden erhaschen. Um es vorwegzunehmen: Die neuen Aerodynamikregeln haben gute Arbeit geleistet, was die Optik betrifft. Was ich gesehen habe, sind - schlicht und einfach - sexy Rennautos.

Auffällig ist der aggressive Look der Heckpartie. Die Wagen kauern auf dem Asphalt wie ein 100-Meter-Sprinter an der Startlinie. Das flache Heck vermittelt den Eindruck, als würde es sich auf den Boden pressen und mit den seitlichen Fliehkräften kämpfen - was durch den künstlichen Funkenschlag am Diffusor nochmals verstärkt wird. So war das Tempo der Autos zuvor nicht zu erkennen. Die Action lässt vergessen, dass die Pirelli-Reifen breiter geworden, was das Gesamtbild aber stimmig macht.

Die sperrige Heckfinne, die ich bei der Präsentation der Autos als ästhetisches Gräuel empfunden habe, stört mich nicht. Im Fahrbetrieb fällt das Bauteil längst nicht so auf wie auf Fotos. Dafür lässt es sich nicht übersehen, wie stark die T-Flügel im Fahrtwind flattern. Teilweise ist die Bewegung so frequent, dass sich die Karbonteile kaum noch erkennen lassen. Die schlanke Bauweise der Boliden sowie ihr Pfeildesign tragen deutlich zur Ästhetik bei und lassen die Wagen leichter wirken als sie sind.


Fotos: Großer Preis von Australien


Aber lässt sich erkennen, dass die Formel 1 in den Kurven schneller geworden ist? Wenn überhaupt, dann nur geringfügig. Die besten Rundenzeiten im ersten Freien Training waren keine Qualifyingsimulationen, aber schon rund fünf Sekunden niedriger als beim Trainingsauftakt in Australien im Vorjahr - mit bloßem Auge zu sehen ist das selbst in schnellen Passagen kaum, lässt man sich nicht von der aggressiveren Optik der Autos täuschen, die dazu verleitet, das Tempo höher einzuschätzen als es ist.

Ich stand am Ende der Start- und Zielgeraden, im Knick zwischen den Kurven 10 und 11 sowie auf dem Tribünenhügel an der schnellen Links-Rechts-Passage, die die Kurven 11 und 12 formen. Dort sind die Boliden mit Sicherheit mit mehr Speed unterwegs als 2016, nur lässt sich das für einen Laien kaum einschätzen, zumal es sich nie direkt vergleichen lässt. Auf mich wirkt das Fahrverhalten gewaltiger und kräftiger. Ich war aber auch nie der Meinung, die Formel 1 hätte live an der Strecke langsam ausgesehen.

Am Sound hat sich meiner Meinung nach im Winter nicht viel getan. Die V6-Hybride donnern eben nicht wie die reinen Verbrennungsmotoren der Vergangenheit. Ich lege auf diesen Aspekt des Sports weniger Wert als andere und bin daher weniger sensibel als so mancher Akustikgourmet. Fakt ist aber, dass von "flüsterleise" - wie noch Anfang 2014 - keine Rede sein kann. Wenn ein Auto vorbeifegt, ist es unmöglich, sich zu unterhalten. Ob ein Bolide sich nähert, ist hinter einer Kurve zu erhören.


Fotostrecke: FIA-Fast-Facts Melbourne

Extrem angenehm: Alle Autos lassen sich anhand ihrer Lackierung wieder unterscheiden. Ich persönlich habe einen Faible für den Toro Rosso, muss aber eine Lanze für den rosafarbenen Force India brechen. Endlich ein Auto, das polarisiert! Und unter den Australiern seine Fans gewonnen zu haben scheint. So unterschiedlich das optische, so verwechselbar ist das technische Design während des Fahrbetriebs. In ihrer Grundform ähneln sich alle Wagen. Nennenswert hebt sich nur der kantig wirkende Sauber C36 ab.

Viel Vorfreude auf die Saison 2017 wünscht

Dominik Sharaf