• 19.08.2006 19:07

Lackierung und Design: Eine Kunst für sich

Nicht nur die Technik der Formel-1-Boliden hat es in sich, auch das Design der Fahrzeuglackierung muss wohl überlegt sein, hat dieses doch viele Funktionen

(Motorsport-Total.com) - Die Lackierung eines Formel-1-Boliden ist mehr als eine einfache fantasiereiche Designübung - sie spielt eine integrale Rolle in Bezug auf den Markenauftritt und das Image des Teams. Die Farben sind nicht nur ganz prominent auf jeglicher Teamkleidung, den Farbschemata der Transporter, der Boxenauskleidung und sämtlichem Marketingmaterial zu sehen, sondern das Design der Lackierung stellt auch die Grundausrichtung für die gesamte Identität des Teams dar.

Titel-Bild zur News: MF1 Racing

Die Lackierung eines Formel-1-Boliden erfüllt mehrere wichtige Funktionen

Produktdesigner Rob Taylor, der für die Kreation und die ständige Weiterentwicklung der dynamischen rot, weiß und grauen Lackierung, die auf den Midland-M16-Rennwagen zu sehen ist, verantwortlich zeichnet, stieß Anfang 2005 zum Team und begann umgehend mit den Arbeiten an einem Designkonzept, das die Linien des brandneuen M16 akzentuieren sollte.#w1#

Marktforschung vor der Designentwicklung

Auch wenn dieses erst zur Präsentation im Februar 2006 offiziell vorgestellt wurde, hat MF1 Racing seine Lackierung tatsächlich bereits im November 2005 eingeführt, bei einem Meeting mit den Sponsoren des Teams. Seit dem ersten öffentlichen Auftritt an einem frostigen Nachmittag in Silverstone wurde das weit bekannte Farbschema mehreren Modifikationen unterzogen, um sowohl seinen ästhetischen Anspruch, als auch die Sichtbarkeit der Sponsorenlogos zu optimieren - zwei wichtige Gesichtspunkte für jedes Lackierungsdesign.

MF1 Racing

Viele Teams arbeiten zunächst mit 2D-Ansichten ihrer Boliden Zoom

"Ein guter Startpunkt für das Design einer Lackierung ist tatsächlich, ein wenig Marktforschung zu betreiben", erklärt Taylor. "Man muss sich nur einmal den Wettbewerb ansehen, nicht nur in der Formel 1, sondern auch in anderen Sportarten: Motorradrennen, Yachtrennen, wirklich alles. Die Dinge, auf die man dabei besonders achtet, sind Linien, Farben und Formen, die funktionieren. Eine Lackierung, die das Image eines Teams richtig verkauft und etwas, das im Gedächtnis hängen bleibt."

Als MF1 Racing Jordan Grand Prix übernahm, ein Team mit einem der stärksten Markenimages im Sport, war es entscheidend für Midland, eine komplett neue Identität fest zu etablieren, um mit den Planungen für die Zukunft voranschreiten zu können. "Bei einem neuen Team ist dieser letzte Punkt besonders wichtig, denn eines der vorrangigen Ziele ist es, dem neuen Markt das eigene Produkt sofort vertraut zu machen", sagt er.

Arbeit mit Modellen bringt Probleme mit sich

Um diese Vision zu realisieren, verwendete Taylor hochmoderne Technologie, um die Ideen von Lackierungen, die er hatte, zu designen, zu manipulieren und zu betrachten. "Ich wollte das Projekt in der Tat etwas anders anpacken. Wie man weiß, produzieren die meisten Teams ihre Lackierungen, indem sie zunächst in zwei Dimensionen arbeiten: Sie fertigen seitliche Ansichten des Autos und solche in einer Ansicht von oben an, und versuchen damit dann zu sehen, wie das Farbschema aussehen wird, wenn es von all diesen Blickwinkeln aus betrachtet wird."

"Oftmals wechseln sie dann zu einem maßstabsgetreuen Modell oder einem echten Auto, um zu sehen, wie sich das Farbschema in der Realität darstellt. Das ist auch die Vorgehensweise, die wir bei unserem ersten Designkonzept angewendet haben. Aber es ist ein bedeutender Unterschied, wenn man in 3D arbeitet, da dies eine direkte Überprüfung erlaubt, um zu sehen, wie das Design von allen Blickwinkeln her funktioniert."

"Der Weg über 2D und ein maßstabsgetreues Modell gilt als zuverlässige Methode und sehr logische Vorgehensweise, aber ich war der Meinung, dass dies meist mehr Probleme aufwirft, als es löst. Verschiedene Lösungen an ein Modell anzupassen ist ein zeitaufwändiger Prozess, und wenn man nicht mehrere Modelle hat, gibt es keine Möglichkeit, verschiedene Ideen zu vergleichen."

"Darüber hinaus ist das Arbeiten an einem Modell nie ganz genau, und selbst beim Arbeiten an einem Auto in Originalgröße fällt es schwer, das Farbschema in seiner Ganzheit zu sehen und aus allen nötigen Entfernungen und Winkeln zu betrachten. Wenn man in Betracht zieht, dass ein Farbschema für ein Auto in Originalgröße leicht einen vierstelligen Betrag kosten kann, ist es nicht sehr befriedigend, nur wenige Garantien dafür zu haben, dass das Schema dann auch aus allen Winkeln funktioniert."

MF1 Racing arbeitet mit 3D-CAD-Modellen

"Was ich mir überlegte, war, ein 3D-CAD (computer-aided design, computergestützte Konstruktion) -Modell speziell dazu anzufertigen, verschiedene Farbschemata auszuprobieren. Es brauchte einige Zeit, bis klar war, wie wir dieses Modell entwerfen sollten, da die fließenden Linien der Karosserie eines Formel-1-Boliden nicht leicht akkurat nachgebildet werden können. Als ich jedoch ein ausreichend exaktes Modell entworfen hatte, verfügten wir über ein immer vorhandenes Werkzeug, das es mir ermöglichte, mehrere verschiedene Vorschläge an nur einem Tag zu produzieren."

MF1 Racing

Ein 3D-Modell kann man leicht aus allen Entfernungen und Winkeln betrachten Zoom

"Die Vorteile eines solchen Modells sind immens: Wir können es drehen, näher heran und weiter weg zoomen, Farben und Polituren verändern, Lichteinfall simulieren, und dann einfach alle Vorschläge aus jeder denkbaren Entfernung und Winkel betrachten, und all das ohne auch nur einen einzigen Klecks Farbe. Die Kosteneinsparungen sind enorm."

"Wir waren der Meinung, dass dies ein sehr nützliches Werkzeug sein würde, um unsere Ideen zu übertragen. Sehr oft hatten wir Ideen, die wir als sehr gelungen einschätzten, aber wenn wir sie dann auf das Modell übertrugen, fanden wir heraus, dass die Idee aus bestimmten Winkeln nicht mehr funktionierte. Indem wir das CAD-Modell verwenden, kann dieser Prozess sehr schnell abgewickelt werden. Dies ist sehr kosten- und zeiteffektiv und darüber hinaus ein exzellenter Weg, um den kreativen Prozess anzukurbeln, denn dies hält die Entwicklung immer frisch und am Laufen."

Eindeutige und gut erkennbare Lackierung ist enorm wichtig

Auch wenn das Design der Midland-Lackierung einige Monate vor der Lackierung McLarens der Öffentlichkeit präsentiert wurde, beanspruchten die Fernsehkommentatoren von 'ITV', James Allen und Martin Brundle, zum Beginn der Saison 2006 die Aufmerksamkeit des britischen Publikums, da sie die Midland M16 für die MP4-21 von McLaren hielten und umgekehrt.

Christijan Albers vor Kimi Räikkönen

Die Boliden von MF1 Racing und McLaren sind nur schwer unterscheidbar Zoom

Jetzt, wo sich die Saison dem Ende zuneigt, macht das Duo den gleichen Fehler nur noch selten, offenbar haben sie sich eine Strategie zur Unterscheidung zurechtgelegt, basierend auf der Farbe des Front- und des Heckflügels. Die Konfusion unterstrich jedoch trotzdem die Wichtigkeit der Tatsache, nicht nur ein besonders gut erkennbares, sondern auch ein markantes Design zu haben.

"Man muss sich genau überlegen, wie das Produkt von außen betrachtet wird, da dies ebenfalls die anfänglichen Ideen des Aussehens des Farbschemas beeinflusst", erklärt Taylor. "Ein zu kompliziertes Schema mit vielen verschiedenen Farbwechseln und komplexen Mustern mag in der Vorstellung, auf einem Plakat oder in einem Magazin gut aussehen, da der Betrachter genügend Zeit hat, um das Gesehene aufzunehmen."

"Im TV dagegen sind die Feinheiten möglicherweise schwerer zu erkennen. Wenn man über die Kamerablickwinkel und die Distanzen nachdenkt, die die Kameras von der Strecke entfernt stehen, und natürlich die Geschwindigkeit, mit der die Autos unterwegs sind, in Betracht zieht, dann wird schnell klar, dass ein einfaches Farbschema für ein leichter erkennbares - und damit markenseitig effektives - Auto sorgt. Wenn man die Sache richtig angeht, wird dieses dennoch gleichzeitig einen maximalen ästhetischen Eindruck hinterlassen."

"Es ist dennoch eine sehr schwierige Aufgabe, eine Lackierung zu entwerfen, die jedes Szenario in Betracht zieht. Beispielsweise sieht unser Auto komplett anders aus, wenn man es neben einen McLaren stellt. Aber wenn die Autos aus der Entfernung auf den Betrachter zufahren, sehen die Wagen sehr ähnlich aus. Das rührt vor allem daher, dass die Frontflügel die gleiche Farbe aufweisen."

"Im vergangenen Jahr waren wir die ersten, die ein neues Farbschema vorstellten, und ursprünglich war der Frontflügel weiß, das hätte also kein Problem dargestellt. Jedoch änderte sich kurz vor dem ersten Rennen die Farbe in rot, da dies aufgrund eines Sponsors nötig wurde. Das ist kein massives Problem, aber verständlicherweise streben wir immer nach Abgrenzung, daher experimentieren wir immer weiter mit neuen Ideen."

Design soll Sponsorenlogos in Szene setzen

MF1 Racing

Die Sponsorenlogos müssen möglichst gut erkennbar und lesbar sein Zoom

Als ein Resultat dieser Experimente stellen die M16-Boliden, die an den Wochenenden im Rennen antreten, ein komplett anderes Farbschema und Layout der Sponsorlogos zur Schau, als es anfangs der Fall war, als das Auto im Februar vorgestellt wurde. Zusätzlich hat MF1 Racing ein sich ständig veränderndes Sponsor-Portfolio, das zwischen den Rennveranstaltungen weitere Veränderungen mit sich bringt. Dies ist ein weiterer Faktor, der bei der Wahl des endgültigen Designs beachtet wurde.

"Die Sponsoren sind ein genauso wichtiger Gesichtspunkt", stimmt Taylor zu. "Es ist wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass das Farbschema grundsätzlich die Funktion hat, allen Sponsoren, die Geld dafür bezahlen, um ihre Namen auf dem Auto zu platzieren, einen Service bereitzustellen. Man weiß manchmal nicht genau, welche Sponsorennamen oder -logos letztendlich auf dem Auto sein werden, daher muss man ein Schema entwerfen, das flexibel ist und Lösungen für die verschiedensten Optionen bereitstellt."

Lackierung verändert sich im Lauf der Saison

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Auch die Lackierung unterliegt einer stetigen Weiterentwicklung Zoom

"Recht oft ist das konzeptionelle Farbschema eine ganz andere Angelegenheit als jenes, das man später schließlich auf der Strecke sieht. In gewissen Punkten muss man eine Balance zwischen Ästhetik und Umsetzbarkeit finden, ebenso wie bei der Entwicklung des Autos."

"Beispielsweise kann es sein, dass eine Linie oder ein Farbzusammenspiel angepasst werden muss, um Raum für ein größeres Sponsorenlogo zu schaffen, oder um den Konturen eines neuen Karosserieteils gerecht zu werden. Das Auto entwickelt sich kontinuierlich weiter, und damit einhergehend auch das Farbschema."

"Die Entwicklung des Farbschemas folgt also der Entwicklung des Autos, aber für gewöhnlich sind die Veränderungen, die vorgenommen werden, recht fein. Dennoch ist es ab und an notwendig, eine signifikante Änderung vorzunehmen. Dies kann der Fall sein, wenn sich ein Sponsorvertrag ändert, oder einfach, weil das Schema und das Markenimage sich im Saisonverlauf nach und nach derartig weiterentwickelt haben, dass das ursprüngliche Konzept seine Wirkung und seine Klarheit zu verlieren beginnt."

Glatte Oberfläche ist entscheidend

Während der Wintertestfahrten sieht die Öffentlichkeit oftmals Bilder von verschiedenen Teams, die Ideen für das nächstjährige Design ausprobieren, jedoch noch ohne den letzten ausgefallenen Lackierungsarbeiten fahren. Doch trotz dieser visuellen Anonymität wird die Oberfläche der Karosserie immer glänzend gehalten, und die Mechaniker verbringen viel Zeit damit, die einfache - wenn auch nur temporäre - Oberfläche akribisch genau zu polieren.

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Bei der Lackierung müssen viele Details beachtet werden Zoom

Laut Taylor hängt dies damit zusammen, dass die Oberfläche eines Formel-1-Boliden entscheidend für seine aerodynamische Effizienz ist: "Die Qualität der Politur ist ein wichtiger Gesichtspunkt in Bezug auf die Performance des Autos. Wenn beispielsweise ein Streifen am Auto angebracht wird, dann befinden sich an dieser Stelle einige weitere Farbschichten über der Grundfarbe."

"Das führt zu einer Differenz - auch wenn diese nur winzig ist - in der Dicke der Farbschichten auf dem Auto. Wenn es eine wahrnehmbare Kante zwischen den Farbschichten gibt, dann kann dies in Abhängigkeit davon, wo sich diese Kante am Auto befindet, den Luftfluss über die Oberfläche und damit die Performance des Autos nachteilig beeinflussen, einfach indem zusätzlicher Luftwiderstand entsteht."

"Auch wenn die Kante nur den Bruchteil eines Millimeters dick ist, muss man sich darum kümmern, denn all diese Brüche können sich zu einem wahrnehmbaren Problem addieren. Daher ist es wichtig, für eine ebene Oberfläche zu sorgen, und die Lackierer arbeiten sehr hart daran, die Oberflächen so glatt wie möglich zu gestalten."

Übergänge in der Karosserie müssen beachtet werden

"Die Grenzlinien, also die Rillen, an denen zwei oder mehr Teile der Karosserie zusammentreffen, werden ebenfalls mit großer Sorgfalt lackiert. Es ist wichtig, diese Lücken absolut minimal zu halten, und die Übergänge zwischen zwei Teilen müssen so glatt und sauber wie möglich sein. Wenn die Kanten der Lackierung rechteckig und klar sind, dann werden die zwei Teile sauberer aneinander anliegen und helfen, dass die Luft über das Auto streichen kann, anstatt durch es zu ziehen."

"Wenn man alle diese Details in Betracht zieht und zusätzlich bedenkt, dass die Autos im Schnitt alle zwei Rennen neu lackiert werden müssen, dann ist es nahezu unglaublich, dass diese Lackierereien in nur zwei Tagen bei einem kompletten Auto die Farbe entfernen und die neue Lackierung und Politur auftragen."